14.2 Realität der ADHS-Therapie von Kindern in Deutschland
15 Interventionen für die ADHS im Erwachsenenalter
15.1 Das Kölner Training
15.1.1 Ablauf des Kölner Trainings
15.1.2 Effektivität des Kölner Trainings
15.2 ADHS-Therapievergleichsstudien im Erwachsenenalter
Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuchs
Zur schnelleren Orientierung wurden in den Randspalten Piktogramme benutzt, die folgende Bedeutung haben:
Literaturempfehlung | |
Internetquelle | |
Begriffsklärung, Definition | |
(Fall-)Beispiel | |
Studie | |
Merksatz | |
Vertiefungsfragen am Ende der Kapitel |
Vorwort zur 2. Auflage
Knapp 4 Jahre sind seit dem Verfassen des Vorwortes für die erste Auflage des Lehrbuchs ADHS vergangen und es freut mich als Autorin natürlich sehr, dass der Erfolg des Buchs nun zu einer zweiten Auflage führt. Selbstverständlich habe ich diese Chance genutzt, um kleinere Fehlerchen auszumerzen und neue Inhalte (wie z. B. die Beschreibung der ADHS nach DSM-5) einzufügen. Geändert wurden außerdem die Vertiefungsfragen jeweils zum Ende der Kapitel, welche nun tatsächliche Vertiefungsfragen sind, die zum Nachdenken und Diskutieren anregen sollen. Ergänzt wurden weiterhin zwei Exkurse, die aus der Arbeit der Postdoktoranden Johanna Schmid und Jan Kühnhausen am Arbeitsbereich Schulpsychologie der Eberhard Karls Universität Tübingen entstanden sind. Für die wertvollen Impulse, die zur Neuauflage beigetragen haben, danke ich Hanna und Jan ebenso wie den weiteren Mitgliedern des Arbeitsbereichs, den ich seit 2013 als Professorin für Schulpsychologie leite: Friederike Blume, Petra Bugl, Rosemarie Croizier, Christiane Fiege, Leona Hellwig, Parvin Nemati und Merle Reuter sowie Ulrike Schwarz, für das Korrekturlesen.
Tübingen, Januar 2016 | Caterina Gawrilow |
Etwa 5 % der deutschen Kinder und Jugendlichen sind von ADHS betroffen, was die ADHS zu einer der häufigsten Störungen im Kindes- und Jugendalter macht. Nicht nur aufgrund dieser Häufigkeit, sondern auch, weil man mittlerweile weiß, dass sich die ADHS nicht „auswächst“, sondern im Erwachsenenalter bestehen bleibt, wird dieses Störungsbild erforscht und diskutiert wie keine andere psychische Störung. Dabei finden auch kontroverse Diskussionen statt, die sich um die Behandlungsmethoden, den Umgang mit betroffenen Kindern im Schulalltag bis hin zur Frage ranken, ob es ADHS überhaupt gibt oder „nur“ eine Modediagnose ist.
Dieses Lehrbuch hat das Ziel, die vielfältigen Facetten der ADHS zu beschreiben, und ist zu diesem Zweck in drei Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt wird die Geschichte des Störungsbildes ADHS berichtet. Dabei wird deutlich, dass es die ADHS-typischen Auffälligkeiten schon immer gegeben haben muss und ADHS somit keine Modeerscheinung unserer Zeit ist. Zudem wird ausführlich auf ADHS-Symptome eingegangen. Komorbide Störungen, von der ADHS abzugrenzende Störungen sowie die Prävalenz der ADHS und eine Beschreibung des Geschlechterunterschiedes im Auftreten der ADHS dienen zur weiteren Charakterisierung des Störungsbildes. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit den Ursachen und der Entwicklung der ADHS: Es werden unter anderem aktuelle Studien zur Untersuchung exekutiver Funktionen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS vorgestellt. Zudem werden aktuelle Längsschnittstudien berichtet, die einen genaueren Aufschluss bezüglich der Entwicklung des Störungsbildes geben können. Der dritte Abschnitt handelt schließlich von Diagnostik-, Interventions- und Fördermethoden für Betroffene. Im Fokus dieses Abschnitts stehen psychologische Interventionen, die auch im Schulalltag genutzt werden können sowie Interventionen für den Alltag von Kindern und Jugendlichen mit ADHS.
Der Schwerpunkt unserer Forschung am IDeA-Zentrum des DIPF und der Goethe-Universität in Frankfurt liegt neben den kognitiven, behavioralen, motivationalen und neuronalen Korrelaten der ADHS auf den positiven Aspekten, d. h. den Kompetenzen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS – in diesem Lehrbuch sind in verschiedenen Kapiteln diesbezügliche wissenschaftliche Untersuchungen dargestellt. Auch aktuelle Untersuchungen zu Selbsteinschätzungen und den Attributionen der von ADHS Betroffenen sind mit eingeflossen, denn es ist aus der Praxis bekannt, dass eine schlechte Selbsteinschätzung die Diagnose (vor allem im Erwachsenenalter) erschweren kann.
Die ADHS ist also ein Störungsbild, das die Gemüter bewegt. Ich hoffe, mit diesem Buch und durch die Darstellung der empirisch nachweisbaren Fakten einen Zugang zu der Thematik jenseits von Diskussionen um die Sinnhaftigkeit der Diagnose und der Medikation zu bieten.
Abschließend möchte ich mich beim Ernst-Reinhardt-Verlag und vor allem bei Frau Dipl.-Psych. Ulrike Landersdorfer für die herzliche und kompetente Betreuung während des Schreibprozesses bedanken. Steffi Diener danke ich für die Unterstützung bei der Erstellung von Literaturverzeichnis, Glossar, Tabellen und Abbildungen. Sabrina Langweiler, Lena Löffler und Julia Merkt danke ich für das sprachliche und inhaltliche Korrekturlesen des Manuskripts. Das Lehrbuch hat außerdem in einem großen Umfang von den spannenden Diskussionen mit den Doktoranden des ADHS-Projekts (Dipl.-Psych. Juliane Albert, Dipl.-Psych. Lena Guderjahn, Dipl.-Psych. Shuan-Ju Hung, Dipl.-Psych. Nadine Langguth, Dipl.-Psych. Julia Merkt, Dipl.-Psych. Tilman Reinelt, Dipl.-Psych. Andrea Wirth) profitiert.
Frankfurt, März 2012 | Caterina Gawrilow |
I Geschichte, Symptome, Abgrenzung
1 Geschichte der ADHS
Die Geschichten vom Zappelphilipp, vom Hans Guck-in-die-Luft und dem bitterbösen Friederich dürften jedem bekannt sein. Mit diesen und anderen Geschichten aus dem „Struwwelpeter“ hat Heinrich Hoffmann, ein Frankfurter Nervenarzt, schon im Jahr 1845 Kinder beschrieben, die heutzutage mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) diagnostiziert werden könnten. Bereits zuvor und in der Folge haben sich Mediziner und Psychologen eingehend mit der Thematik der unaufmerksamen, unkontrollierbaren, impulsiven und motorisch sehr aktiven Kinder beschäftigt.
1.1 Geschichte der ADHS
Sir George Frederick Still
Beispielhaft soll hier der englische Kinderarzt Sir George Frederick Still (1868–1941) zitiert werden. Still hat im Jahr 1902 im Rahmen der Goulstonian Lectures des „Royal College of Physicians“ in London über „Nicht normale psychische Bedingungen bei Kindern“ („Some Abnormal Psychical Conditions in Children“) gesprochen. Diese Vorlesungen wurden etwas später im Lancet, einer weltweit bekannten und führenden medizinischen Fachzeitschrift, publiziert. Dort beschrieb Still 23 Kinder, die Schwierigkeiten hatten, ihre Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten, mangelnde Selbstregulation, mangelnde volitionale Kompetenz und somit auch wenig inhibitorische Kontrolle (d. h. wenig Unterdrückung von impulsiven Reaktionen) zeigen, oft aggressiv sind und sich nicht disziplinieren lassen – obwohl ihre Intelligenz