Franziska Küenzlen

Themenorientierte Literaturdidaktik: Helden im Mittelalter


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die Epoche des Mittelalters, zum einen das Lexikon des Mittelalters für allgemeine Informationen aller Art, zum anderen das Verfasserlexikon, das die Autoren des deutschen Mittelalters mit Leben und Werk vorstellt. Einen lebendigen und gut zu lesenden Einblick in die Kultur um 1200 gibt Joachim Bumkes Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. Eine knappe und zugleich sehr informationsreiche Literaturgeschichte, die ihren Gegenstand überdies sehr klar und verständlich darstellt, ist die Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit im Überblick von Horst Brunner. Stellvertretend für die zahlreichen Einführungen seien genannt: Mittelhochdeutsch. Eine Einführung (sprachgeschichtliche Einführung mit alphabetischem Begriffsglossar) von Hilkert Weddige und Germanistische Mediävistik. Eine Einführung (für Anfänger geschriebene, gut zu lesende allgemeine Einführung) von Thomas Bein.

      Mittelhochdeutsche Wörterbücher sind online zugänglich über das Internet-Portal woerterbuchnetz.de. Zugang zu einer Fülle weiterer Informationen bietet auch das Portal mediaevum.de, das seit Jahren wissenschaftlich geführt und sorgfältig gepflegt wird. Als zweite nützliche Internetadresse, die speziell für den Einsatz mittelalterlicher Literatur im Deutschunterricht entwickelt wurde, ist die Website des Projekts mittelneu. Mittelhochdeutsche Texte im Deutschunterricht an der Universität Duisburg-Essen (http://www.uni-due.de/~hg0222/) zu nennen. Das Projekt ist zwar vorläufig abgeschlossen, die Website soll jedoch weitergeführt und aktuell gehalten werden. Bisher liegen dort Lehr- und Lernmaterialien schwerpunktmäßig zu den drei Bereichen Kleinepik, mittelalterliche Lyrik und Nibelungenlied vor (vgl. Miedema / Sieber 2013).

      Nachschlagewerke

      Lexikon des Mittelalters. Bd. 1–9, München/Zürich 1980–98

      Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 1–13, Berlin / New York 1978–2007

      Zitierte Literatur

      Bein, Thomas (2005): Germanistische Mediävistik. Eine Einführung. 2., überarb. und erw. Aufl. Berlin (Grundlagen der Germanistik 35) (zuerst 1998)

      Brunner, Horst (2010): Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit im Überblick. Erweiterte und bibliographisch ergänzte Neufassung. Stuttgart (zuerst 1997)

      Bumke, Joachim (2005): Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. 11. Aufl. München (zuerst 1986)

      Karg, Ina (2012): Stellungnahme zur Frage ‚Soll die Mediävistik weiterhin (bzw. wieder stärker) eine Rolle im Lehramtsstudium spielen?‘ In: Germanistik und Lehrerbildung – Debatten und Positionen, hrsg. v. Mark-Georg Dehrmann / Jan Standke, 59/2. S. 161–163

      Miedema, Nine / Sieber, Andrea (2013): Zurück zum Mittelalter. Neue Perspektiven für den Deutschunterricht. Frankfurt/M. [usw.] (Germanistik – Didaktik – Unterricht 10)

      Weddige, Hilkert (2010): Mittelhochdeutsch. Eine Einführung. 8., durchgesehene Aufl. München (zuerst 1996)

      1 Hingewiesen sei auf den Dokumentarfilm Wochenendkrieger (Regie: Andreas Geiger, Produktionsjahr: 2012), der das erstaunliche Phänomen aufgreift, wie und mit welcher Motivation sich Leute ganz unterschiedlicher Provenienz zusammenfinden, um Rollen in ‚mittelalterlichen‘ Szenarien zu spielen.

      2 Vgl. auch das Plädoyer von Karg 2012: 162.

      Die folgenden Abschnitte umreißen die semantische Bandbreite des Heldenbegriffs in seiner gegenwärtigen Bedeutung sowie in der Geschichte der Germanistik und in der Literaturwissenschaft, um vor diesem Hintergrund die Heldenauswahl dieses Bandes genauer zu begründen. Die anschließenden Kapitel zu den einzelnen Epen können grundsätzlich unabhängig voneinander gelesen werden. Ihr volles Potenzial entfalten sie allerdings in der vergleichenden Lektüre, weil die einzelne Heldenfigur in der Absetzung von den anderen Typen an Profil gewinnt; dies wird an zentralen Stellen durch entsprechende Querverweise hervorgehoben. So wird einerseits ersichtlich, welche Eigenschaften die dargestellten Helden teilen (Kraft, Führungsqualitäten, Zorn, Schuld) und andererseits, wie sie ihre Individualität gewinnen (Generationenkonflikt, Identitätsverlust, Selbstzerstörung).

      Helden sind faszinierend anders: außeralltäglich, außerordentlich, gar mit einzigartigen Fähigkeiten ausgestattet. Gleichzeitig können sie erstrebenswerte Grundhaltungen und Aktionsmacht verkörpern. Sie sind als die bewunderten Außergewöhnlichen zugleich auch Vorbilder – und das selbst dann, wenn sie jung sterben oder scheitern. Sie bieten also Identifikationsmöglichkeiten, ihre Aktionen sind aber von der Art, dass sie nicht in den Alltag zu übertragen sind. Das Heroische, das sich im Handeln realisiert, sprengt die lebensweltlich eingeübten Handlungsmuster. Helden entziehen sich, so lässt sich als erstes Vorverständnis festhalten, mindestens in einem Punkt, vielleicht auch in vielerlei Hinsichten, der Nachahmbarkeit.

      In der globalisierten Gesellschaft ist die enorme Nachfrage nach dem Helden, der eine unnachahmliche Besonderheit vorzuweisen hat, in seiner Gegenbildlichkeit zur mannigfach-ausdifferenzierten Einbindung Einzelner in soziale Entitäten begründet: Der Held steht für sich. Das Verlangen nach solchen Helden findet seinen Ausdruck in dem sich unaufhörlich erweiternden Repertoire an Heldenfiguren: Die ‚alten‘ Helden werden fortlaufend durch ‚neue‘ ergänzt. Aus der Fantasy-Literatur, der Science-Fiction oder aus Comics stammen Helden wie Harry Potter, Luke Skywalker, Batman oder Monkey D. Ruffy. Zugleich zeugt die moderne Vergesellschaftung von Helden in jährlichen Neuaufnahmen in Halls of Fame des Sports oder der Musik vom aktuellen Bedürfnis, der Durchschnittlichkeit des Alltags durch Identifikation mit herausgehobenen Figuren zu entkommen, die man bewundern und denen man nacheifern kann. Dabei geht es gerade nicht nur um das Außergewöhnliche des Helden / der Heldin, sondern damit eng verbunden auch um das Bedürfnis, im imaginären Mitgehen mit dem Helden Besonderheit gegenüber anderen zu gewinnen, sei es im individuellen Genuss der besonderen Beziehung zur Heldenfigur oder im Bewusstsein kollektiver Fan-Kultur.

      Gegenläufig zur Komplexitätssteigerung in modernen Gesellschaften ist seit dem 19. Jahrhundert eine Tendenz zur allmählichen Verengung des Heldenbegriffs zu beobachten, die auch die aktuellen Auseinandersetzungen um den Helden in den Feuilletons prägt. Helden werden in öffentlichen Diskursen in erster Linie unter dem Aspekt der Vorbildlichkeit gefasst, und dies spiegelt sich auch in Wortbildungen wie ‚Volksheld‘, ‚Helden des Alltags‘ oder ‚Heldenkollektiv‘. Diese Helden zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihren Erfolgswillen mit den Prinzipien eines gemeingesellschaftlich für gut befundenen Handelns in Einklang bringen. In Umfragen zum Grad der Hochschätzung von Berufsgruppen stehen Feuerwehrleute vor Pflegern, Ärzten oder auch Soldaten auf dem ersten Platz (vgl. die Umfrage in: Focus Nr. 9, 2002).

      Dass Helden heute wieder in aller Munde sind, ist nicht selbstverständlich. Unsere Gesellschaft gilt als ‚postheroisch‘ (vgl. Münkler 2007), und schon Brecht legte seinem Galilei das Diktum in den Mund, dass diejenige Gesellschaft glücklich sei, die keinen Helden nötig habe. Nun sind die Helden, die wir heute feiern, in der Regel keine Heroen mit einzigartigem Status. Vielmehr scheint es ein Merkmal des (post-)modernen Helden zu sein, dass er im Kollektiv handelt. Das gilt für die Feuerwehrleute vom Ground Zero ebenso wie für die ‚Helden von Fukushima‘. Das Heldenkollektiv hat auch in die Literatur Eingang gefunden: Harry Potter oder der Hobbit Frodo handeln zusammen mit ‚Gefährten‘. Ferner ist unser Verständnis vom Helden durch das Merkmal der Zivilcourage bestimmt: Jemand handelt zum Wohl anderer und begibt sich dabei in Gefahr.

      Dieses verhältnismäßig ‚junge‘ Grundverständnis vom Heldentum als ‚Bürgerpflicht zum Handeln‘, zum ‚Nicht-Wegschauen‘ zeigt vor allem eines an: Die Demokratisierung des Heldentums. Theoretisch kann