Mirjam Zimmermann

Praxissemester Religion


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Standards stellt und den zunehmend Lehrende erteilen werden, die Ausbildungen an deutschen Universitäten erhalten haben, auch wenn der Weg dorthin insgesamt noch lang und steinig ist. Trotz der zunehmenden Pluralisierung unserer Gesellschaft sollte ein als „ökumenisch“ bezeichneter Religionsunterricht für alle im Klassenverband die Ausnahme bleiben. Wenn wir es ernst meinen, religiöse Sprach- und Urteilsfähigkeit zu fördern, dann könnte ein Angebot für alle Schülerinnen und Schüler im Klassenverband diesem Ziel und dem jeweiligen konfessionell bzw. religiös geprägten Profil nicht gerecht werden. Die Frage nach dem „protestantischen Profil“ des evangelischen Religionsunterrichts etwa wird aber viel zu selten gestellt, obwohl die Beantwortung lohnenswert auch im Sinn der Stiftung von Orientierung und Identität für die Schülerinnen und Schüler – und mitunter sogar für deren Eltern – ist.

      Zu bedenken ist außerdem die Frage: Welches Interesse sollten die Kirchen noch daran haben, einen allgemeinen „Unterricht über Religion“ durch die entsprechenden Schulreferate, Mediatheken bzw. Schulabteilungen zu unterstützen? Dieses Engagement der Kirchen muss gerade auch kirchlich weniger stark sozialisierten Berufsanfängerinnen und -anfängern vor Augen geführt werden – kein Fach wird durch ein solch breites Fortbildungsangebot unterstützt wie die Religionslehre beider Konfessionen! Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sollten bestehende Ansätze eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts weiterentwickelt werden.

      Sollten vom Fach Religionslehre aus Impulse für die Schule über den Unterricht hinaus ausgehen?

      Jede Schule hat ihr eigenes Profil und so ist es eine interessante Aufgabe für jeden „Neuankömmling“ im System Schule, gleich ob er Praktikant, Referendar oder neue Lehrkraft ist, sich seinen Platz und seine Aufgabe im Kollegium zu suchen. Dabei wird dem Praktikanten zunächst einmal vornehmlich die Rolle des Beobachtenden zukommen, der sich reflektierend die Frage stellen wird, welche der gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse er in eine zukünftige Tätigkeit gewinnbringend einbringen möchte. Eine engagierte Religionsfachschaft wird immer darum bemüht sein, ihren Beitrag zur Schulkultur zu leisten – sei es z.B. durch die Ein- bzw. Weiterführung von Einschulungs- oder Abiturgottesdiensten, von religiösen Studientagen, einer Streitschlichtungskultur, von Sozialpraktika oder auch von ganz einfachen Regeln für das Miteinander im Klassenraum, die eine Schulkultur wesentlich prägen können. Gerade auch vor dem Hintergrund der immer stärker werdenden Ganztagsschulentwicklung sollten sich Schulen die Frage stellen, welche Aufgabe hier der Religionsunterricht, etwa in Form von AG-Angeboten, wahrnehmen kann. Schulleitungen sollten das Potenzial, das in Religionsfachschaften vorhanden sein kann, erkennen und für eine profilbildende Schulentwicklung nutzen. Angesichts des Generationswechsels in den Kollegien bleibt es eine spannende Herausforderung, diesen Wechsel in Respekt vor dem Gewachsenen wie der Anerkennung bewährter Traditionen und der Lebensleistung erfahrener Kolleginnen und Kollegen einerseits und der Bereitschaft zu notwendigen und pädagogisch sinnvollen Veränderungen andererseits zu vollziehen.

      Anregungen zur Weiterarbeit

      In dem Selbstbericht werden der Religionslehrkraft bereits einige Fragen zu ihrer Tätigkeit gestellt. Benennen Sie weitere Aspekte, nach denen Sie eine Kollegin oder einen Kollegen bzw. sogar zwei unterschiedlichen Alters in einem Interview befragen können.

      1.Formulieren Sie Leitfragen für dieses Interview, indem Sie auch Aspekte, die im Interview angesprochen werden, in Fragen umformulieren.

      2.Führen Sie das Interview durch, nehmen Sie es auf und werten Sie die Angaben aus.

      3.Vergleichen Sie die Einschätzung der Kollegen mit ihren eigenen. Wo finden Sie Ähnlichkeiten, wo Unterschiede zur Position im Interview z.B. zu folgenden Themen: Gelungener Religionsunterricht, wichtigstes Erziehungsziel im RU, ideale Organisationsform des RUs u.a.?

      4.Vergleichen Sie die gefundene(n) Position(en) mit den zentralen Ergebnissen einer der unten aufgeführten Studien oder mit den kirchlichen Vorgaben:

       a) „Vorgaben“ aufseiten der Kirchen: Kirchenamt der EKD (Hg.), Identität und Verständigung. Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität. Gütersloh 1994 bzw. Die deutschen Bischöfe, Die bildende Kraft des Religionsunterrichts. Zur Konfessionalität des katholischen Religionsunterrichts. Hg. vom Sekretariat deutschen Bischofskonferenz. Bonn 1996.

       b) empirischen Untersuchungen wie z.B.

      •Feige, Andreas/Dressler, Bernhard/Lukatis, Wolfgang/Schöll, Albrecht (Hg.), „Religion“ bei ReligionslehrerInnen. Religionspädagogische Zielvorstellungen und religiöses Selbstverständnis in empirisch-soziologischen Zugängen. Münster 2000.

      •Lück, Christhard, Beruf Religionslehrer. Selbstverständnis – Kirchenbindung – Zielorientierung. Leipzig 2003.

      •Gramzow, Christoph, Gottesvorstellungen von Religionslehrerinnen und Religionslehrern. Eine empirische Untersuchung zu subjektiven Gottesbildern und Gottesbeziehungen von Lehrenden sowie zum Umgang mit der Gottesthematik im Religionsunterricht. Hamburg 2004.

      •Liebold, Heide, Religions- und Ethiklehrkräfte in Ostdeutschland. Eine empirische Studie zum beruflichen Selbstverständnis. Münster 2004.

      •Ziebertz, Hans Georg/Riegel, Ulrich (Hg.), How Teachers in Europe teach Religion. An international empirical Study in 16 countries. Münster 2009.

      Literatur zur Weiterarbeit

      Kirchenamt der EKD (Hg.), Theologisch-Religionspädagogische Kompetenz. Professionelle Kompetenzen und Standards für die Religionslehrerausbildung. Empfehlungen der Gemischten Kommission zur Reform des Theologiestudiums. EKD-Texte 96. Hannover 2009 (Online unter: http://www.ekd.de/download/ekd_texte_96.pdf; Zugriff am 12.08.2014)

      Obst, Gabriele, Religion zeigen – eine Aufgabe des evangelischen Religionsunterrichts? Zwischenruf zu einem aktuellen religionspädagogischen Paradigma. Theo-Web 6 (2007), Heft 2, 104-123.

      1Vgl. Obst, 2007, 116.

      2Vgl. die Denkschriften der EKD zum RU und zum Bildungsverständnis: Kirchenamt, 1994, 2003, 2014.

      3Vgl. Burrichter, 2012, 52.

      4Davon abgrenzend Kraft, 2011.

      5Vgl. Zimmermann, 2012b, 123.

      6Vgl. Feige/Dressler/Lukatis/Schöll, 2001, 34.

      7Leonhard/Klie, 2006; 14f.; Rupp, 2011.

      8Link-Wieczorek, 2003, 132ff.

      9Burrichter, 2012, 56 in Bezug auf die Schrift „Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen“; Die deutschen Bischöfe, 2005.

      10Burrichter, 2012, 58.

      11Kirchenamt der EKD, 2009, 24.

      12Kirchenamt der EKD, 2009, 28.

      13Baumert/Kunter, 2006, Abb. 482.

      14Kunter/Baumert, 2006, 481.

      15Baumert/Kunter, 2006, 497.

      16Baumert/Kunter, 2006, 498.

      17Zum Begriff vgl. Groeben/Wahl/Schlee/Scheele, 1988.

      18Baumert/Kunter, 2006, 499.

      19Dick, 2000, 237.

      Schule und Unterricht kennen Sie als Studierende noch vornehmlich aus der Perspektive als Schülerin oder Schüler. Mit dem Wechsel der Perspektive zur Lehrtätigkeit ändern sich die Herausforderungen. Fast alles, was zunächst bekannt erscheint, wird erheblich komplexer und unstrukturierter; gerade als Novize fühlt man sich oft durch die Wucht der Aufgaben, die gleichzeitig zu erledigen sind, erschlagen. Da ist zuerst einmal das stählerne Korsett des Stundenplans. Um exakt 7:50 Uhr warten 29 Schülerinnen und Schüler der Klasse 6a auf den Beginn des Unterrichts – einfach mal eine Stunde ausfallen