Strömungen Interkultureller Managementforschung identifizieren:
1.Cross-National Comparison: Vergleicht vor allem Nationalkulturen mit kulturübergreifenden, universalen Dimensionen und ist von einem naturwissenschaftlich-positivistischen Paradigma geprägt.
2.Intercultural Interaction: Begreift Kultur als geteiltes Bedeutungssystem und untersucht konkrete interpersonale Interaktionssituationen. Diese Strömung beruht auf einem interpretativ-konstruktivistischen Paradigma.
3.Multiple Cultures: Berücksichtigt aufgrund zunehmend dynamischer Lebenswirklichkeit vielfältige soziale Milieus und kulturelle Identitäten von Individuen. Auch die Multiple Cultures basieren auf einem interpretativ-konstrukti-vistischen Paradigma.
Abb. 3 verdeutlicht die Positionierung der Strömungen in den paradigmatischen Feldern und ihre relativen Anteile an der gesamten Forschung:
–Im funktionalistischen Paradigma können dem Cross-National-Comparison-Ansatz (1) dabei unter anderem Werke von Hofstede (1980) und House et al. (2004) zugeordnet werden, und dem Intercultural Interaction-Ansatz (2) beispielsweise die Arbeit von Salk (1997).
–Im interpretativen Paradigma können Werke von Geertz (1973), Czarniawska (1986) oder Brannen und Salk (2000), vor allem aus dem Intercultural Interaction-Ansatz (1) verortet werden, aber auch von Hall (1959) aus der Perspektive des Cross-National-Comparison-Ansatzes (1).
–Van Maanen (1988) sowie Clifford und Marcus (1986) repräsentieren schließlich Intercultural-Interaction-Ansätze (2) im radikal-humanistischen Paradigma.
–Dem strukturalistischen Paradigma sei hingegen kein Ansatz zuzuordnen. Primecz et al. (2009) betonen an dieser Stelle – abgesehen von einigen Ausnahmen – die Abwesenheit expliziter Beschäftigung mit Machtverhältnissen und (post-)kolonialen Strukturen in interkulturellen Begebenheiten und rufen zu kritischer Forschung auf.
Abb. 3: Interkulturelle Managementforschung in paradigmatischen Feldern (Primecz et al. (2009, 270). 1 = Cross-National Comparison, 2 = Intercultural Interaction, 3 = Multiple Cultures
Basierend auf dem Befund von Boyacigiller et al. (2004) und nach Einschätzung von Primecz, Romani und Sackmann (2009) nimmt der Cross-National-Comparison-Ansatz in der Interkulturellen Managementforschung eine dominante Stellung ein. Andere »jüngere« Paradigmen in diesem Bereich sind daher entsprechend weniger vertreten. Grundlegende Werke – speziell in der Forschung mit dem Schwerpunkt auf Cross-National Comparison – basieren oft auf dem funktionalistischen Paradigma (Hofstede 1980; Schwartz 2006). Mit Blick auf Halls oder Hofstedes anwendungsorientierte Forschungsarbeiten zu Kulturdimensionen lässt sich deren Nähe zu einem klar erfassbaren und universell anwendbaren Forschungsansatz herausstellen. Es war gewissermaßen das erklärte Ziel dieser grundlegenden und wegweisenden Arbeiten, die Komplexität, die die Konzepte »Kultur« und »Interkulturalität« mit sich bringen, zu reduzieren und die Ergebnisse greifbar zu machen. Kritische und postmoderne Arbeiten hinterfragen diese Modelle, bringen aber in der Regel kein eigenes Modell hervor, das die interkulturelle Realität ähnlich vereinfacht und praktische Implikationen erlauben würde, da die vereinfachende Modelldarstellung auch den Grundsätzen dieser Paradigmen widerspricht. In der Praxis des Interkulturellen Managements und der konstruktiven Gestaltung bedarf es aber gerade solcher komplexitätsreduzierenden Modelle, wie sie häufig in positivistischen Ansätzen entwickelt werden.
Dennoch wird neben dem Lob um Vereinfachung auch Kritik an der bisher dominierenden, eher makroanalytisch und quantitativ orientierten Interkulturellen Managementforschung deutlich: Anstatt konkretes Verhalten in interkulturellen Kontaktsituationen zu erklären, werden eher statisch-abstrakte Generalisierungen betont (Boyacigiller et al. 2004). Hieraus lässt sich folgende Empfehlung ableiten: Die Interkulturelle Managementforschung könnte sich zukünftig mehr an einem subjektivistisch-konstruktivistischen Paradigma orientieren. Ebenso könnten die Mikro- und Mesoebene untersucht werden, auch um die emische Innenperspektive zu betonen sowie ethnorelativistisch und ethnographisch zu arbeiten.
Romani (2008) schlägt in Anlehnung an Deetz (1996) sowie Burrell und Morgan (1979) eine andere Systematisierung mit klarem paradigmatischen Bezug zum Interkulturellen Management vor (Abb. 4).
Der normative, positivistische Ansatz ist vornehmlich in der naturwissenschaftlichen Herangehensweise vertreten. Dieser Bereich befindet sich an der Schnittstelle A-priori/Consensus und zielt auf Identifizierung von Verhaltensmustern und Darstellung von Regelmäßigkeiten sowie prädiktive Modelle ab (Donaldson 2003). Positivistisch orientierte Wissenschaftler im Interkulturellen Management untersuchen den Einfluss nationaler Kulturen und deren Variablen auf Managementpraktiken oder Führungsstile (z. B. Hofstede 1980; House et al. 2004).
Der kritische Ansatz thematisiert verdeckte Machtstrukturen und untersucht deren Einfluss auf die Wirklichkeitskonstruktion (Willmott 1993) an den Achsen A-priori/Dissensus. Wirklichkeit, so die Argumentation, entsteht durch Beziehungen und Interaktionen zwischen verschiedenen sozialen und kulturellen Akteuren und Gruppen und ist in der Regel das Ergebnis unterschiedlicher Interessen.
Abb. 4: Systematisierung ausgewählter Forschungsarbeiten zum Interkulturellen Management (Romani 2008, 37)
Viele Forscher des kritischen Ansatzes sehen sich als Aktivisten und weniger als Berichterstatter. Im Interkulturellen Management untersuchen kritische Studien, wie etwa postkoloniale Machtstrukturen die Managementtheorie und -praxis beeinflussen (Westwood/Jack 2008; Pilhofer 2011; Mahadevan 2017) und wie dies etwa auf die Zusammenarbeit von Expatriates und Mitarbeitern des Gastlandes wirkt (z. B. Fougères/Moulettes 2012).
Der postmoderne Ansatz – Deetz bezeichnet ihn als dialogisch – befindet sich an den Achsen Emergent/Dissensus. Die Postmoderne versteht Realität als durch gesellschaftliche Dynamiken und Sprache konstituiert, wobei die soziale Realität als ein nicht-statisches, fließendes und sich veränderndes Phänomen betrachtet wird. Somit ist die Suche und Feststellung von Regelmäßigkeiten obsolet. Postmoderne Studien des Interkulturellen Managements beschätigen sich beispielsweise mit der Fragestellung, wie Bedeutungszuschreibungen zu Kulturen (Organisationskulturen, Bereichskulturen, Berufskulturen, Genderstudien etc.) Machtungleichheiten reproduzieren können (z. B. Prasad 2009; Ybema/Bruyn 2009).
Der interpretativ arbeitende Ansatz steht an der Schnittstelle Emergent/Consensus und ist hauptsächlich von der kulturanthropologischen Forschung beeinflusst. Statt Prädiktion rückt das Verständnis kultureller Wahrnehmung der Einzelperson und seiner Handlungen in den Vordergrund (Weick 1995; Hatch/Yanow 2003). In dieser Hinsicht ist der interpretative Ansatz mit Triandis’ (1995) Konzept der »subjektiven Kultur« vergleichbar. Der Fokus interpretativer Forschung ist lokal und spezifisch, wobei häufig die Ebene des Individuums dominiert und nicht die Ebene sozialer Strukturen wie Institutionen. Interpretativ ausgerichtete Interkulturelle Managementforschung behandelt Fragen der Existenz unterschiedlicher (kultureller) Bedeutungssysteme und deren Einfluss auf das Verständnis von Arbeit (D’Iribarne 1989, 2009a; Redding 2005).
Wissenschaftliche Paradigmen wirken als implizite Haltungen auf die Einordnung und Bewertung des Interkulturellen Managements. Tab. 28 illustriert idealtypisch die Konsequenzen der Paradigmen anhand der zentralen Elemente auf Kultur, Interkulturalität und Interkulturelles Management.
Paradigma | Kultur | Interkulturalität | Interkulturelles Management |
Funktionalistisch | Statische, klar abgegrenzte »Eigenschaften« und Dimensionen, die meist dekontextualisiert betrachtet werden | Im Hintergrund als Bewusstsein über kulturelle Differenzen vorhanden | Kultur ist Ressource, die koordiniert und kontrolliert werden kann |
Interpretativ | Kontextuell und individuelle abhängige Variable | Interaktionsprozess, bei dem Bedeutungen erschaffen und ausgetauscht werden | Kultur ist sinngebender Kontext, dem Managementprozesse unterliegen |
Kritisch | Kultur
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