Christoph Barmeyer

Konstruktives Interkulturelles Management


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Es liegt also in der Verantwortung Einzelner, im Dienste der Gesellschaft zu handeln. Damit werden individuelle Bedürfnisse bereits automatisch berücksichtigtSpezifität – DiffusitätGrad, zu dem Verantwortung spezifisch zugewiesen oder diffus akzeptiert wird.Akteure analysieren zuerst die Elemente einzeln und setzen sie dann zusammen. Das Ganze ist die Summe seiner Teile. Das Leben der Menschen ist dementsprechend geteilt und es kann jeweils nur auf eine einzige Komponente eingegangen werden. Interaktionen zwischen Menschen sind klar definiert. Individuen konzentrieren sich auf Fakten, Standards und VerträgeEine diffus orientierte Kultur beginnt mit dem Ganzen und sieht einzelne Elemente aus der Perspektive des Ganzen. Alle Elemente sind miteinander verknüpft. Beziehungen zwischen Elementen sind wichtiger als einzelne ElementeNeutralität – AffektivitätGrad, zu dem Individuen ihre Emotionen zeigen.Menschen wird beigebracht, ihre Gefühle nicht offen zur Schau zu stellen. Der Grad, in dem sich Gefühle manifestieren, ist daher minimal. Emotionen werden kontrolliert, wenn sie auftretenIn einer affektiven Kultur zeigen Menschen ihre Emotionen, und es wird nicht als notwendig erachtet, Gefühle zu verbergenLeistung – HerkunftGrad, zu dem sich Einzelpersonen beweisen müssen, um einen gewissen Status zu erhalten, im Gegensatz zu einem Status, der einfach zugeschrieben wird.Menschen leiten ihren Status von dem ab, was sie selbst erreicht haben. Erreichter Status muss immer wieder nachgewiesen werden und der Status wird dementsprechend vergebenMenschen leiten ihren Status von Geburt, Alter, Geschlecht oder Reichtum ab. Hier beruht der Status nicht auf Leistung, sondern auf dem Wesen der PersonInterne Kontrolle – Externe KontrolleGrad, zu dem Individuen glauben, dass die Umwelt kontrolliert werden kann, anstatt zu glauben, dass die Umwelt sie kontrolliert.Menschen haben eine mechanistische Sicht der Natur; Natur ist komplex, kann aber mit dem richtigen Fachwissen gesteuert werden. Menschen glauben, dass sie die Natur beherrschen könnenMenschen haben einen organischen Blick auf die Natur. Menschen werden als eine der Naturgewalten betrachtet und sollte deshalb in Harmonie mit der Umwelt leben. Menschen passen sich daher den äußeren Gegebenheiten anSerialität – ParallelitätGrad, zu dem Individuen Dinge nacheinander tun, im Gegensatz zu mehreren Dingen auf einmal.In einer sequentiellen Kultur strukturieren Menschen die Zeit sequentiell und tun Dinge nacheinanderIn einer parallelen, synchronen Zeitkultur tun Menschen mehrere Dinge gleichzeitig, weil sie glauben, dass Zeit flexibel und immateriell ist

      In Forschung und Praxis werden die einzelnen Kulturdimensionen anhand von kulturtypischen Beispielen oder auch kritischen Interaktionssituationen illustriert und konkretisiert. Wissenschaftlich findet sich eine häufige Nutzung der Kulturdimensionen durch das von Kogut und Singh (1988) entwickelte Konzept der kulturellen Distanz. Ausgehend von der These, dass kulturelle Faktoren einen Einfluss auf Managemententscheidungen bezüglich des Eintrittsmodus in einen fremden Markt (Akquisition, Joint Venture) haben, entwickeln Kogut und Singh einen Index zur Messung kultureller Distanz. Kulturelle Distanz beschreibt dabei die »psychische« Distanz, die gegenüber einer anderen Kultur wahrgenommen wird, d. h. »the degree to which a firm is uncertain of the characteristics of a foreign market« (Kogut/Singh 1988, 413). Nach Kogut und Singhs Modell wird die relative kulturelle Distanz zweier Länder anhand der Abweichung der jeweiligen Indexwerte von Hofstedes Dimensionen Unsicherheitsvermeidung, Individualismus, Machtdistanz und Maskulinität gemessen.

      Nicht nur in der Wissenschaft, auch in der interkulturellen Praxis (Training und Beratung) wird das Konzept der kulturellen Distanz und Nähe anhand der Kulturdimensionen mithilfe von geschlossenen Fragebögen im internationalen Personalmanagement genutzt. Dabei wird mit Gegensätzen gearbeitet. Somit lassen sich Profile erstellen, bei denen etwa das persönliche Profil eines Mitarbeiters aus Kultur A dem Profil der Landeskultur B gegenübergestellt wird. In einem Artikel des Jahres 2001 stellt Shenkar fest, dass nur wenige Konzepte in der internationalen Managementliteratur eine so breite Akzeptanz gefunden haben, wie die kulturelle Distanz. Jedoch gibt es einige konzeptionelle Vorbehalte gegenüber diesem Konzept, wie die »Illusion der Symmetrie«, die »Illusion der Linearität« oder die »Illusion der Stabilität« (Shenkar 2001, 520–521).

      Kulturstandards

      Kulturstandards – als deutscher Beitrag zur interkulturellen Forschung und Praxis – sind ein emischer Ansatz zur Beschreibung und Kontrastierung von Kulturen. Sie wurden von dem deutschen Sozialpsychologen Alexander Thomas (2003a) entwickelt und dienen, ähnlich wie Kulturdimensionen der Beschreibung kultureller Systeme sowie der Analyse interkultureller Begegnungssituationen. Kulturstandards sind »[…] Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns, die von vielen Mitgliedern eines sozialen Systems als normal, typisch und verbindlich angesehen werden« (Thomas 2003a, 25).

      Kulturstandards stellen als Orientierungsmaßstäbe kulturelle Selbstverständlichkeiten und Leitlinien sozialen Handelns dar. In Anlehnung an einen Standard, der definiert, wie Objekte beschaffen sein oder Prozesse ablaufen sollten, legt ein Kulturstandard den Maßstab dafür fest, wie sich Mitglieder einer bestimmten Kultur tendenziell verhalten, also wie Objekte, Personen und Ereignisabläufe wahrgenommen, bewertet und behandelt werden (Kammhuber/Schroll-Machl 2007). Eigenkulturelles und anderskulturelles Verhalten wird aufgrund dieser Kulturstandards gesteuert, reguliert und beurteilt. Die einem System inhärenten Kulturstandards sind in der eigenen Gesellschaft angemessen, normal, akzeptabel, funktional und zielführend.

      Ihre Zweckmäßigkeit verdanken sie der Art ihrer Herausbildung: Spezifische geistesgeschichtliche Traditionen verdichten sich zu kollektiven Grundannahmen über das menschliche Dasein, auf deren Basis sich wiederum bestimmte Reaktionsmuster als taugliche Prinzipien im Umgang mit kollektiven Erfahrungen etablieren (Kühnel 2014). Ermittelt werden Kulturstandards auf der Basis von historischen, soziologischen und psychologischen Erhebungen (Thomas 2003a, 2011). Letztere werden in interkulturellen Interaktionen erhoben, die das Verhalten bei sozialen Ereignissen (Treffen, Feste), in sozialen Rollen (Frau/Mann, Vorgesetzter) oder in sozialen Situationen (Kommunikationsstile, Entscheidungen fällen, Konflikte lösen) betreffen. Dabei findet eine Kontrastierung von Eigen- und Fremdkultur statt. Anders als die relativ allgemeinen, ethischen Kulturdimensionen, die alle Gesellschaften in unterschiedlicher Ausprägung betreffen (Zeit, Regeln, Hierarchie) sind Kulturstandards eher als spezifische, emische Kulturdimensionen zu verstehen, die nur in bestimmten Gesellschaften auftreten (Barmeyer 2011c). Thomas (2003a, 28) unterscheidet drei verschiedene Arten von Kulturstandards:

      1.Zentrale Kulturstandards sind unabhängig von Problemstellungen und Handlungsfeldern gültig. Sie betreffen kulturspezifische Orientierungen, die für ein Land oder einen Kulturraum charakteristisch sind. Sie sind vor allem für die Steuerung zwischenmenschlicher Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsprozesse von Bedeutung. Für Deutschland führt Thomas hier z. B. die Sach- und Regelorientierung sowie Direktheit an, für China z. B. »Gesicht wahren«, Hierarchieorientierung sowie soziale Harmonie. Tab. 25 zeigt exemplarisch brasilianische Kulturstandards.

      2.Bereichsspezifische Kulturstandards sind kontext- und aufgabengebunden und wirken erst in einem spezifischen Handlungsfeld, etwa bei Prozessen in Gruppen, Teams oder Abteilungen wie Forschung & Entwicklung, Vertrieb oder Personal. Folglich besitzen sie nur für bestimmte Handlungsfelder eine Regulationsfunktion. Thomas nennt als Beispiel für einen bereichsspezifischen Kulturstandard die unterschiedliche Herangehensweise bei komplexen Problemlösungen in Arbeitsgruppen.

      3.Kontextuelle Kulturstandards sind kulturspezifische Basisorientierungen, die Vertretern einer Kultur in einer gewissen Situation einen Handlungszwang auferlegen, z. B. die Beachtung des Senioritätsprinzips in ostasiatischen Gesellschaften, die dazu führt, dass jüngere Personen in Interaktion mit älteren Menschen ihr Verhalten (in Form von Respekt oder Höflichkeit) der älteren Person anpassen. Ebenso finden sich auch unterschiedliche Verhaltensweisen, je nachdem ob es sich um berufliche oder private Kontexte handelt. Als kontextueller Kulturstandard gilt nach Thomas die Senioritätsorientierung in China, welche bei einem Auftreten das gesamte Handlungsfeld und die Wahrnehmung, Interpretation und Handlung bestimmt.

PersonenorientierungVertrauensbasis