Christoph Barmeyer

Konstruktives Interkulturelles Management


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Floskeln wie »Schau doch mal bei mir zu Hause vorbei« – sind aber nicht wörtlich gemeint Gesicht wahren: indirekte Äußerung von KritikKontakt- und KommunikationsfreudigkeitInteresse, Mitmenschen kennenzulernen Small-TalkEmotionalitätschnelle Begeisterungsfähigkeit OptimismusHierarchieorientierungRespekt vor Hierarchiegrenzen Genaue Vorgabe und Kontrolle von ArbeitsaufträgenGegenwartsorientierungkurzfristige Planung, Pragmatismus opportunistische Lebenseinstellung ggü. Menschen, die nicht dem eigenen Familien- oder Freundeskreis angehörenFlexibilitätAnpassungsfähigkeit bei Planänderungen »o jeito«: Flexibler Umgang mit Regeln Ambiguitätstoleranz

      Selbstverständlich können die individuelle und gruppenspezifische Art und Weise im Umgang mit Kulturstandards zur Verhaltensregulation innerhalb gewisser Toleranzbereiche variieren: So gibt es Verhaltensweisen, die außerhalb der bereichsspezifischen Grenzen liegen und in der Regel von der sozialen Umwelt abgelehnt oder sanktioniert werden (Thomas 2003a). Allerdings werden Standardabweichungen bei bestimmten Personen oder Gruppen wie Stars, Sportler und Künstler bewusst toleriert oder sogar erwartet.

      Zu unterstreichen ist, dass Kulturstandards, ebenso wie Kulturdimensionen keinen Regelkanon zum erfolgreichen Umgang mit Personen anderer Kulturen darstellen. Sie werden vielmehr verstanden als Beschreibungsparameter, die durch individuelle Erfahrungen modifiziert werden können und sollten. Ein entscheidender Faktor innerhalb dieses Akkulturationsprozesses hierbei ist die Tatsache, dass die einzelnen Kulturstandards ihre handlungsleitende Wirkung nicht unabhängig voneinander entfalten, sondern dass es ihr spezifisches Zusammenspiel ist, wodurch soziale Interaktionen im Rahmen eines konzeptuellen Systems stabilisiert werden (Kühnel 2014).

      Kritische Würdigung

      Kulturdimensionen und Kulturstandards, insbesondere die von Geert Hofstede, finden seit Jahrzehnten eine breite Anwendung in Forschung und Praxis des (Interkulturellen) Managements, wie es Chapman (1997, 18) beschreibt: »Hofstede’s work became a dominant influence and set a fruitful agenda. There is perhaps no other contemporary framework in the general field of ›culture and business‹ that is so general, so broad, so alluring, and so inviting to argument and fruitful disagreement …«

      Die Anzahl der meist positivistischen Studien, die auf Hofstedes Dimensionen zurückgreifen – Hofstedes Werk erreicht zurzeit (2018) 145.923 Zitationen in Google Scholar –, überwiegen in der Organisations-, Management und Marketingforschung. Aber auch in vielen anderen Disziplinen gibt es Hunderte von Replikationsstudien (Beugelsdijk et al. 2015, 2017). Bird und Fang (2009) würdigen die Arbeit von Culture’s Consequences für die (Interkulturelle) Managementforschung folgendermaßen:

      »In 1980 Geert Hofstede published Culture’s Consequences and established a fundamental shift in how culture would be viewed, thereby ushering in an explosion of empirical investigations into cultural variation. Hofstede’s impact was at least fourfold: 1) he successfully narrowed the concept of culture down into simple and measurable components by adopting nation-state/national culture as the basic unit of analysis; 2) he established cultural values as a central force in shaping managerial behavior; 3) he helped sharpen our awareness of cultural differences; and 4) his notion of cultural value frameworks was adopted by others involved in large scale studies, e. g. the GLOBE project (Chokar et al., 2007). The impact of Hofstede’s paradigm is reflected in his second edition of Culture’s Consequences (2001), which identified over 1900 studies based on the original volume.« (Bird/Fang, 2009, 139)

      Jedoch sind Kulturdimensionen und Kulturstandards – insbesondere von Kulturwissenschaftlern und Wissenschaftlern, die sich an interpretativen oder kritischen Forschungsparadigmen orientieren – immer wieder wissenschaftlicher Kritik ausgesetzt, die den inhaltlichen Realitätsgehalt und die Aussagekraft der dichotomen polarisierenden Darstellungen in Frage stellen (McSweeney 2002; Fang 2006; Kirkman et al. 2006, 2017; Bolten 2007; Nakata 2009; Dreyer 2011; Dupuis 2014).

      Die zahlreichen Kritiken betreffend (Barmeyer 2011c), werden folgend drei besonders wichtige herausgegriffen:

      Erstens wenden sich Kritiken häufig nicht gegen die an sich plausiblen Kulturdimensionen; es ist einsichtig, dass Menschen unterschiedliche Einstellungen zu Raum, Zeit, Macht, Geschlechterrollen, Zukunft, Regeln etc. aufweisen. Kritisiert wird eher die Methodik oder die ›Fixierung‹ von Kultur durch Kennzahlen auf Länder: »In dem Maße, in dem Kultur reduziert wird, schwindet menschliche Autonomie und Gestaltungsfreiheit.« (Hansen 2003, 287). Worauf wiederum Chapman (1997, 18–19) erwidert: »Those who take country scores in the various dimensions as given realities, informing or confirming other research, do not typically inquire into the detail of the procedures through which specific empirical data were transmuted into generalization.«. In der Tat können Kulturdimensionen zu nicht zulässigen Abgrenzungen und zur Verstärkung von Stereotypen führen.

      Zweitens besteht durch die Fokussierung auf Nationalkultur die Gefahr, dass wichtige kulturelle Gruppierungen wie Geschlecht, Alter, Bereich, Profession etc. nicht berücksichtigt werden. Eine geäußerte Kritik betrifft die Zuordnung, Erklärung und damit Reduzierung menschlicher Denk- und Verhaltensweisen auf nationale Kulturdimensionen. Dabei lassen sich Kulturdimensionen genauso auf kulturelle Gruppierungen anwenden. Hofstede berücksichtigte in seiner Studie kulturelle Gruppierungen wie Geschlecht, Alter und Position, und stellte dabei auch statistisch heraus, dass die relativen Unterschiede zwischen Angehörigen nationalkultureller Gruppen bedeutsamer seien als etwa zwischen Mann und Frau einer bestimmten kulturellen Gruppe (Hofstede 1980, 53). So kam er bei der Dimension Machtdistanz zu dem Ergebnis, dass Führungskräfte in Frankreich, England und Deutschland eine niedrigere Machtdistanz aufweisen als Mitarbeiter und Arbeiter. Die Herleitung seiner Ergebnisse, die in seinen Büchern Culture’s Consequences (1980, 2001) genau dokumentiert und diskutiert sind, scheinen von seinen Kritikern überlesen und nicht rezipiert worden zu sein.

      Drittens betrifft eine weitere Kritik die inzwischen lange zurückliegende Erhebung der Arbeitswerte, gerade in Bezug auf die Entwicklung von Gesellschaften durch Modernisierung (Inglehart 1997) und damit die Veränderung von Kulturdimensionen, bzw. ihrer Indexwerte. Autoren wie Minkov (2011) oder Beugelsdijk und Kollegen (2015) bestätigen die Stabilität und Kontinuität von Hofstedes arbeitsbezogenen Wertorientierungen bezüglich gesellschaftlicher Modernisierung unter Zuhilfenahme der Werte der WVS. Beugelsdijk und Kollegen (2015) untersuchen, wie sich die Länderwerte im Zeitverlauf entwickelt haben, indem Hofstedes Dimensionen für zwei Geburtskohorten – also Gruppen von Menschen, die alle im gleichen Jahr geboren wurden – anhand von Daten der WVS repliziert wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass zeitgenössische Gesellschaften im Durchschnitt bei Individualismus und Genuss (Indulgence) gegenüber Zurückhaltung (Restraint) – eine höhere Punktzahl aufweisen und dass sie in Bezug auf Machtdistanz weniger Punkte erzielen als ältere Generationen. Die Forscher stellen fest, dass kultureller Wandel eher als relativ absolut sei, was bedeutet, dass sich die Länderwerte in Bezug auf die Hofstede-Dimensionen im Vergleich zu den Bewertungen anderer Länder nicht sonderlich stark verändert haben. Infolgedessen sind kulturelle Unterschiede zwischen Ländern (im Sinne kultureller Distanzen) im Allgemeinen stabil:

      »Our finding that country differences on the scores of the (replicated) Hofstede dimensions have on average not become smaller implies that managing cultural differences remains important. Even in an increasingly interconnected world, there is continued need for global managers to take cultural differences into account when deciding where to expand […] how to organize global outsourcing […], which entry mode strategy to follow […], or whether to pursue an integration, responsiveness, or export-orientation subsidiary strategy […], among others. Cultural differences are still substantial and managing them remains a key challenge for global strategy.« (Beugelsdijk et al. 2015, 237)

      Konstruktiver Umgang mit Kulturdimensionen

      Trotz aller Kritik können Kulturdimensionen als Orientierungshilfe in interkulturellen Kontexten dienen, sofern mit ihnen in Forschung und Praxis differenziert umgegangen wird (Barmeyer 2011c). Kulturdimensionen und Kulturstandards sollten nicht als verhaltens-determinierende Einengungen verstanden werden. Vielmehr schlagen sie typische Lösungen