Gisa Bauer

Grundwissen Konfessionskunde


Скачать книгу

zu DogmenDogma erhoben. Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch wurde zum ersten Kirchenlehrer seit der Antike ernannt. Theologisch bearbeitete das Konzil die von der Reformation aufgeworfenen Fragen. Als Grundlage der Diskussionen wurde die VulgataVulgata zum authentischen Text der BibelBibel erklärt und der KanonKanon der Bibel endgültig festgelegt. Gegenüber der Reformation betonte das Konzil, dass nur die Kirche selbst die Bibel auslegen dürfe. So heißt es im Originaltext:

      Außerdem beschließt es [das KonzilKonzil / Konziliarismus], um leichtfertige Geister zu zügeln, daß niemand wagen soll, auf eigene Klugheit gestützt in Fragen des Glaubens und der Sitten, soweit sie zum Gebäude christlicher Lehre gehören, die heilige Schrift nach den eigenen Ansichten zu verdrehen und diese selbe heilige Schrift gegen jenen Sinn, den die heilige Mutter Kirche festgehalten hat und festhält, deren Aufgabe es ist, über den wahren Sinn und die Auslegung der heiligen Schriften zu urteilen, oder auch gegen die einmütige Übereinstimmung der Väter auszulegen, auch wenn diese Auslegungen zu gar keiner Zeit für die Veröffentlichung bestimmt sein sollten. (DH 1507)

      Damit immunisierte sich die Kirche gegen Auslegungen der Schrift, die gegen sie ins Feld geführt werden könnten.

      Das KonzilKonzil / Konziliarismus erkannte im Hinblick auf die reformatorische RechtfertigungslehreRechtfertigung / Rechtfertigungslehre und ihrem Kerngedanken allein aus GnadeGnade an, dass die göttliche Gnade in Gestalt der Verkündigung des EvangeliumsEvangelium den rechtfertigenden Prozess in Gang setze. Allerdings habe der Mensch dieser zuzustimmen und wirke insofern an dem Heilsgeschehen mit. Allein aus Gnaden geschieht sie in katholischer Sicht nicht.

      Auch der Glaube allein ist für die Heilsgewinnung nicht ausreichend. Nur innerhalb der Kirche und mit ihrer Hilfe kann Heil gewonnen werden. Kirche und SakramenteSakrament sind heilsnotwendige Institutionen. Die Siebenzahl der Sakramente und ihre Wirkung aufgrund des äußeren Vollzuges wurden festgeschrieben (ex opere operato).

      Katholische IdentitätDas KonzilKonzil / Konziliarismus schuf eine einheitliche LiturgieLiturgie: das Missale RomanumMissale Romanum, den sogenannten Tridentinischen Ritus von 1570, eine gemeinsame Lehrgrundlage durch einen römischen Katechismus. Die Ämterhäufung im Bischofsamt wurde verboten. Die Gründung von Priesterseminaren zur besseren Ausbildung der Geistlichen wurde angeregt, das Ablasswesen reformiert und gegen die reformatorische Kritik die Heiligenverehrung verteidigt.

      Aufgrund einer Vielzahl weiterer Dekrete schuf das KonzilKonzil / Konziliarismus die theologische Basis der Gegenreformation und gab der Kirche das nötige Selbstbewusstsein, um sich den neuen, reformatorischen Lehren nicht nur militärisch und politisch entgegenzustellen, sondern auch theologisch. Das Konzil von TrientKonzil / KonziliarismusKonzil von Trient bildete die Basis für die weltweite Mission der Kirche und definierte für lange Zeit die „katholische“ Identität.

      Vom Tridentinum zum I. Vatikanischen KonzilKonzil / KonziliarismusI. Vatikanisches KonzilDas PapsttumPapsttum ging innerkirchlich gestärkt aus der Reformation hervor, allerdings war sein Verhältnis zu den weltlichen Herrschern stets aufs Neue spannungsreich. In Frankreich und Österreich kam es durch Gallikanismus (staatliches System in Frankreich, das die Römisch-katholische Kirche von Rom unabhängig machen wollte) und Josephinismus (Versuch, die AutoritätAutorität der Kirche für die habsburgische Monarchie zu nutzen) zu je eigenen Auseinandersetzungen zwischen König und Papsttum in den jeweiligen Herrschaftsgebieten.

      Neben den Fragen nationaler Verankerungen des Katholizismus in Europa entwickelte sich im Zuge der Mission eine Fülle von Inkulturationen des Katholizismus auf der ganzen Welt. Die im 18. und 19. Jahrhundert entstandenen Vorstellungen des Katholischen prägten die Länder der südlichen Hemisphäre. Da diese die größten Wachstumsraten innerhalb der Weltkirche aufweisen, bestimmen sie auch gegenwärtig das Bild der gesamten katholischen Kirche.

      Die Bedeutung des PapsttumsPapsttum als dem wichtigsten Bezugspunkt des Katholizismus nahm zu. Das kam nicht zuletzt in den DogmenDogma zum Ausdruck, die das I. Vatikanische KonzilKonzil / Konziliarismus 1869/70 verabschiedete. Das Papsttum wurde mit einer umfassenden geistlichen Machtfülle ausgestattet. Dadurch konnte es die Einbuße seiner weltlichen Macht angesichts der Bedrohung des Kirchenstaates durch die Einigung Italiens, der Gründung des italienischen Königshauses und der Eroberung Roms 1870 durch Giuseppe Garibaldi$Garibaldi, Giuseppe, 1807–1882, italienischer Guerillakämpfer, Nationalheld (1807–1882) kompensieren. Papst Pius IX.$Pius IX., Pontifikat 1846–1878, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1846–1878) fühlte sich seit Verlust des Kirchenstaates 1870 als „Gefangener im Vatikan“.

      Gleichzeitig brachte das 19. Jahrhundert eine Stärkung des PapsttumsPapsttum mit sich, da es in der Bedrängnis durch die politischen, sozialen und geistigen Umwälzungen zur Orientierung für viele Katholiken wurde. Es entstand der UltramontanismusUltramontanismus (lat.: ultra mons = ‚der Blick über die Alpen auf Rom‘).

      Für das PapsttumPapsttum wurde der Kampf gegen den ModernismusModernismus, eine HäresieHäresie in den Augen der Kirche, zum Stellvertreterkrieg gegen eine Welt, die zunehmend ohne Kirche und Christentum auskam.

      Bereits 1864 hatte Pius IX$Pius IX., Pontifikat 1846–1878, römisch-katholischer Papst., dem die politischen Freiheitsbestrebungen seiner Zeit fremd waren, in der Enzyklika „Quanta Cura“ Forderungen der modernen Gesellschaft, wie Religionsfreiheit oder die grundsätzliche Trennung von Kirche und Staat, verurteilt. Im „Syllabus errorum“ (1864) verurteilte der Papst weitere „Irrtümer“ der Moderne, wie Pantheismus und Rationalismus, Sozialismus, Freimaurerei, Protestantismus und Pressefreiheit oder die Aufwertung der Vernunft, die sich selbst Gesetz sei. Außerdem unterstrich er, dass nur in der römisch-katholischen Kirche das Heil zu finden sei.

      Mit dem Antimodernismus hatte Pius IX.$Pius IX., Pontifikat 1846–1878, römisch-katholischer Papst die Weichen für den Weg des Katholizismus in die Moderne gestellt, der erst im II. Vatikanischen KonzilKonzil / KonziliarismusII. Vatikanisches Konzil eine Neujustierung erfuhr.

      Das I. Vatikanische KonzilKonzil / KonziliarismusDas 1869/70 einberufene I. Vatikanische KonzilKonzil / Konziliarismus sollte ebenfalls dem Abwehrkampf gegen die Moderne dienen. Begrüßt wurde es v.a. von den konservativenKonservativ Strömungen, die eine Bestätigung des Syllabus und eine Verstärkung des UltramontanismusUltramontanismus anstrebten. Die Mehrheit der rund 700 Teilnehmer des Konzils war für die Verabschiedung der Unfehlbarkeitslehre, die Ergebnis des Konzils wurde, und meinte, wenn der Papst „als Lehrer aller Christen“ ex cathedra eine Glaubensüberzeugung zum DogmaDogma erklärt, gilt diese als verbindlich und irrtumsfrei. Es können jedoch nur solche Glaubensüberzeugungen zum Dogma erklärt werden, die nicht im Widerspruch zur BibelBibel und zur apostolischen TraditionTradition stehen, wie sie in der katholischen Kirche geglaubt werden.

      Antimodernismus1910 stärkte Papst Pius X.$Pius X., Pontifikat 1903–1914, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1903–1914) die antimoderne Haltung der Kirche, indem er alle Geistliche auf den AntimodernisteneidAntimodernisteneid verpflichtete. Pius X. legte so Grundlinien katholischer Glaubenslehre fest: Jeder, der diesen Eid leistete, bekannte sich zur Wahrheit, wie sie die Kirche, konkret das päpstliche LehramtLehramt, festhält und überliefert. Die Irrtümer der Moderne standen für Pius X.$Pius X., Pontifikat 1903–1914, römisch-katholischer Papst ursächlich im Zusammenhang mit dem Aufkommen des Protestantismus. In der Enzyklika „Pascendi dominici gregis“ von 1907 hielt er fest: „Der Protestantismus war der erste Schritt; dann folgt der ModernismusModernismus; das Ende ist der Atheismus.“ (Neuner, 2009, 39)

      Durch die Einführung dieses Eides wurden diejenigen katholischen Kräfte unterdrückt, die sich um einen Ausgleich mit der modernen Welt bemühten, was den Katholizismus in eine Erstarrung führte.

      Im Zuge der Frontstellung gegen die Moderne unternahm die Kurie Anstrengungen zur innerkirchlichen Konsolidierung und widmete sich unter Papst Benedikt XV$Benedikt XV., Pontifikat 1914–1922, römisch-katholischer Papst. (Pontifikat: 1914–1922) der Vollendung und Inkraftsetzung des allgemeinen Kirchenrechts durch den Codex Iuris CanoniciCodex