Gisa Bauer

Grundwissen Konfessionskunde


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Jünger Jesu mit dem Glauben. Der Glaube der Kirche ist dem Geschehen der Offenbarung Gottes daher zwar nachgeordnet, gehört aber untrennbar als Wirkung der Selbstmitteilung Gottes zu dieser hinzu (DV 5).

      Die persönliche Begegnung mit Gott, die durch die Kirche vermittelt wird, steht dabei im Vordergrund. Die Kirche bezeugt und vermittelt die OffenbarungOffenbarung Gottes in Jesus ChristusJesus Christus. In ihr begegnet Gott dem Menschen. Die BibelBibel enthält als „Heilige Schrift“ die Offenbarung Gottes. Sie ist wesentlicher Inhalt der kirchlichen Überlieferung und dient dieser gleichzeitig als Quelle der OffenbarungOffenbarungQuelle(n) der Offenbarung. Die Bibel ist das Zeugnis des von Gott berufenen Volkes, in dessen Raum, also in der Kirche, die Bibel zugleich Antwort auf Gottes Offenbarung wie auch Richtschnur der Kirche ist. Als geschriebenes Wort ist sie die Fortsetzung der mündlichen Predigt der ApostelApostel. Sie bildet die Grundlage und Orientierung der weitergehenden Verkündigungstätigkeit der Kirche. Zusammen mit der kirchlichen Überlieferung bildet sie das Wort Gottes, das der Kirche überlassen ist.

      Das richtige Verständnis der Heiligen SchriftUm die Schrift richtig zu verstehen, muss man im römisch-katholischen Verständnis zunächst ihren inneren Zusammenhang beachten. Da das Heil des Menschen im Mittelpunkt der göttlichen OffenbarungOffenbarung steht, dient es auch als hermeneutisches Prinzip der Schriftauslegung. Die heilvolle Zuwendung Gottes zum Menschen gibt die Richtung der Auslegung jeder einzelnen Textstelle vor und führt zur „kanonischen Lektüre“, die alle Texte des Schriftkanons auf die Mitte des Christusgeschehens hin interpretiert. Deshalb bedarf das Schriftstudium letztlich des kirchlichen Kontextes, der den Rahmen des Verstehens setzt. Das KonzilKonzil / Konziliarismus erklärt dazu:

      Da die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden muß, in dem sie geschrieben wurde, erfordert die rechte Ermittlung des Sinnes der heiligen Texte, daß man mit nicht geringerer Sorgfalt auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift achtet, unter Berücksichtigung der lebendigen Überlieferung der Gesamtkirche und der Analogie des Glaubens. Aufgabe der Exegeten ist es, nach diesen Regeln auf eine tiefere Erfassung und Auslegung des Sinnes der Heiligen Schrift hinzuarbeiten, damit so gleichsam aufgrund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift. (DV 12)

      Aufgabe aller Bibelausleger ist, die Vorarbeit für die Auslegung durch das LehramtLehramt zu leisten, dem allein die verbindliche Erklärung des geschriebenen oder überlieferten Wortes Gottes zusteht. Seine Vollmacht übt es im Namen Jesu ChristiJesus Christus aus und dient dem Wort Gottes. Da es das Wort Gottes „aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen GeistesHeiliger Geist voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt“ (DV 10) lehrt es nichts, was nicht überliefert ist. Die „Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche“ sind gemäß des weisen Ratschlusses Gottes so miteinander verknüpft, „daß keines ohne die anderen besteht und daß alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen.“ (DV 10)

      Die Heilige Schrift und das LehramtLehramtDas LehramtLehramt nimmt für sich in Anspruch, die letztverbindliche Kompetenz und AutoritätAutorität zur Bibelauslegung zu besitzen. Gleichzeitig betont es, dass die BibelBibel nicht allein die Grundlage der Glaubenslehre sein könne, sondern der harmonischen Ergänzung durch die Überlieferung bedarf, die wiederum wesentlich vom Lehramt selbst nicht nur definiert, sondern auch produziert wird. Das Lehramt beugt sich zwar unter das Wort Gottes. Das allerdings wird nur durch das Lehramt selbst vorgelegt und soll als von Gott geoffenbart geglaubt werden. Dies ist nur in der Heiligen Kirche, d.h. der Römisch-katholischen Kirche, möglich. Zusammengefasst heißt das: „Alles, was die Art der Schrifterklärung betrifft, untersteht letztlich dem Urteil der Kirche, deren gottergebener Auftrag und Dienst es ist, das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen.“ (DV 12)

      Die Heilige Schrift ist zwar die einzige und oberste Instanz der Kirche, kann aber nur durch die Kirche selbst ausgelegt werden. Losgelöst von der kirchlichen Gemeinschaft kann die BibelBibel nicht richtig verstanden werden. Interpretationen, die nicht von der kirchlichen Lehre gedeckt werden, können deshalb nicht kritisch gegen die Kirche ins Feld geführt werden. Das KonzilKonzil / Konziliarismus von TrientKonzil / KonziliarismusKonzil von Trient verurteilte in diesem Sinne in seinem Dekret über die VulgataVulgata-Ausgabe der Bibel und die Auslegungsweise der Heiligen Schrift eine solche Vorgehensweise. Niemand solle es wagen, „auf eigene Klugheit gestützt in Fragen des Glaubens und der Sitten, soweit sie zum Gebäude christlicher Lehre gehören, die heilige Schrift nach den eigenen Ansichten zu verdrehen“. Besonders aber sei verboten, die Schrift „gegen jenen Sinn, den die heilige Mutter Kirche festgehalten hat und festhält […] oder auch gegen die einmütige Übereinstimmung der Väter auszulegen.“ Nur der Kirche obliege die Aufgabe, „über den wahren Sinn und die Auslegung der heiligen Schriften zu urteilen.“ (DH 1507) Damit wird im Grunde jede „private“ Bibellektüre verboten – was dann erst 1965 mit „Dei Verbum“ wieder aufgehoben wurde.

      Die Geschichte der Kirche bildet ihre TraditionTradition. Die Überlieferung des EvangeliumsEvangelium in der Kirche und durch sie gehört deshalb konstitutiv zur OffenbarungOffenbarung hinzu. Die TraditionTradition der KircheDie Überlieferung ist dabei als ein dynamischer Prozess zu verstehen: Die Kirche gewinnt durch den Heiligen GeistHeiliger Geist immer weitere Einsichten in das göttliche Wort und vervollständigt es somit.

      Als Garant für die richtige Überlieferung des EvangeliumsEvangelium gilt dabei die personell verstandene apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession. Die TraditionTradition wird im Laufe der Zeit aus der Lebenspraxis und Lehre der Kirche gebildet und als Vertiefung der Schrift angesehen. Die Heilige Schrift ist „Gottes Rede“, die Überlieferung gibt das Wort Gottes weiter. Es liegt also auf der Linie des dynamischen Verständnisses von OffenbarungOffenbarung, dass das Wort Gottes durch seine Vermittlung an Tiefe gewinnt und das LehramtLehramt immer wieder neu auf das Wort hören kann. Die Kirche bekommt ihre Lehren nicht nur aus der Schrift allein, sondern auch im dynamischen Prozess der Überlieferung (DV 9).

      Die Überlieferung der OffenbarungOffenbarungUm die OffenbarungOffenbarung Gottes sachgemäß zu überliefern, sind im römisch-katholischen Verständnis mehrere Faktoren nötig. Zunächst steht die gesamte Kirche, auch die Laien, in der Pflicht, durch den ihr verliehenen Glaubenssinn das EvangeliumEvangelium festzuhalten. In Gemeinschaft mit dem bischöflichen LehramtLehramt sollen die Laien durch ihr Hören und Sagen die Überlieferung der christlichen Botschaft pflegen und ausbreiten. Im Zweifelsfall spricht allerdings das Lehramt der Kirche. Dem BischofBischof als Nachfolger der ApostelApostel ist unmittelbar die Verantwortung aufgetragen, das Evangelium weiterzugeben und auszulegen, wobei die letztendliche Verantwortung beim Bischof von Rom liegt. Dass die Kirche durch ihn unfehlbar die Schrift aus- und Lehren vorlegen kann, verdankt sie dem Heiligen GeistHeiliger Geist. Durch ihn will Gott der Kirche beistehen und ihr ermöglichen, seinen Heilswillen für die Welt zu realisieren. Um potenzielle Unklarheiten der biblischen Botschaft zu vermeiden, ist die Kirche als göttliches Werkzeug mit der Gewissheit ausgerüstet, ihre Auslegung autoritativ verbreiten zu können. Heilswahrheiten können daher den Gläubigen zum Gehorsam vorgelegt werden. Daher ist die Unfehlbarkeit des Lehramtes in der römisch-katholischen Vorstellung keine Anmaßung, sondern logische Konsequenz der Gnadengabe Gottes an seine Kirche.

      Die AutoritätAutorität des Lehramtes in Glaubens- und SittenlehreDas LehramtLehramt besitzt nicht nur weitreichende Vollmachten in Bezug auf die Glaubenslehre, sondern untrennbar damit verwoben auch der Morallehre. Es hat die Aufgabe, den Gläubigen eine sichere Orientierung für deren Handeln an die Hand zu geben. Das ist gegenwärtig allerdings umstritten.

      Papst Johannes Paul II.$Johannes Paul II., Pontifikat 1978–2005, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1978–2005) diagnostizierte in der Enzyklika „Veritatis splendor“ (VS) von 1993 die Notwendigkeit, die Morallehre der Kirche zu festigen. Sie läuft

      im heutigen Kontext Gefahr […], verfälscht oder verneint zu werden. Es ist nämlich eine neue Situation gerade innerhalb der christlichen Gemeinschaft entstanden, die hinsichtlich der sittlichen Lehren der Kirche die Verbreitung vielfältiger Zweifel und Einwände menschlicher und psychologischer, sozialer und kultureller, religiöser und auch im eigentlichen