Gisa Bauer

Grundwissen Konfessionskunde


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Henri de, 1896–1991, römisch-katholischer Kardinal, Jesuit formulierte dazu:

      Im Katholizismus eine ReligionReligion neben anderen, eine Lehre neben anderen zu sehen, hieße, sich über sein Wesen zu täuschen. Der Katholizismus ist die Religion. Er ist die Form, die die Menschheit annehmen soll, um endlich sie selbst zu werden. Er ist die einzige Wirklichkeit, die um zu sein, es nicht nötig hat, sich entgegenzusetzen. Die Kirche ist überall zu Hause, und jeder soll sich in der Kirche zu Hause fühlen können. (Lubac, 1970, 263).

      Die Messe als Herz der KircheDie Römisch-katholische Kirche ist mit ca. 1,3 Milliarden Gläubigen die größte der Welt. Ihr Herz schlägt in der Feier der Messe. Das Feiern der LiturgieLiturgie bildet die Identität der Kirche. Sie verbindet Gläubige in der ganzen Welt zu einer Gemeinschaft. Überall auf der Welt finden sie in der Messe ihre Kirche vor. Die Einheitlichkeit der Liturgie entspricht dabei dem Bewusstsein der Gläubigen, einer Weltkirche anzugehören, die in und aus verschiedenen Ortskirchen besteht. Dieses Bewusstsein findet seinen deutlichsten Ausdruck im hierarchischen Aufbau der Kirche, an deren Spitze der BischofBischof von Rom steht. Der Papst ist das Zeichen der Einheit dieser Kirche. Innerhalb dieser Hierarchie und Einheit findet sich eine erstaunliche Vielfalt an Lebensformen und theologischen Strömungen, die dazu führen, dass die Römisch-katholische Kirche kein monolithischer Block, sondern in sich bunt und vielfältig ist.

      Dieser scheinbare Gegensatz wird von dem französischen Schriftsteller Georges Bernanos$Bernanos, Georges, 1888–1948, Schriftsteller (1888–1948) exemplarisch ausgedrückt:

      Nichts scheint besser geregelt, strikter geordnet, hierarchisiert, angeglichen als das äußere Leben der Kirche. Aber ihr inneres Leben überbordet von unwahrscheinlichen Freiheiten, fast möchte man sagen, von göttlichen Extravaganzen des Heiligen Gottes. (Heyer, 1977, 495)

      3.1.1 Die Realisierung der ApostolizitätApostolizitätRealisierung der Apostolizität: Theologische Grundlagen

      Die Römisch-katholische Kirche versteht sich laut der Dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ (LG) des II. Vatikanischen KonzilsKonzil / KonziliarismusII. Vatikanisches Konzil von 1964 als Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen GeistesHeiliger Geist. Sie sieht dabei eine Analogie zur Zwei-Naturen-LehreZwei-Naturen-Lehre Christi (LG 8) und bestimmt ihr Wesen als MysteriumMysterien, da sie „eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (LG 8), bildet. Die Kirche versteht sich als ein Zeichen Gottes in der Welt, das die Verbindung der Glaubenden untereinander und mit Gott anzeigt und vermittelt. Sie ist darin – wieder analog gedacht – einem SakramentSakrament ähnlich. Allerdings lässt sie sich eher als Grundsakrament verstehen. In ihr findet sich die Fülle des Heils und die Fülle der Heilsmittel, der Sakramente im engeren Sinn. Die Kirche ist deshalb keine Kirche unter anderen, sondern Volk Gottes und der sichtbare Leib Christi, der in diese Welt hineinwächst (LG 3).

      Die Notwendigkeit der KircheDie Kirche ist notwendig, um das Heilsangebot Gottes in die Welt zu tragen. Sie hat den Auftrag, das EvangeliumEvangelium zu verkünden, damit alle Menschen die Möglichkeit haben, sich ihr anzuschließen. Wer sich wissentlich und willentlich entschließt, ihr nicht angehören zu wollen, geht nach römisch-katholischem Verständnis verloren. Nur diejenigen, die „der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert“ sind, die ihre „Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind“ (LG 14), können vollkommen darauf vertrauen, dass ihnen Heil zuteilwerden wird.

      Die hohe Bedeutung der Kirche wird in dieser Bestimmung sichtbar. Die Kirche ist selbst Gegenstand des Glaubens. Darum ist auch ihre irdische Gestalt, ihre Organisation nicht beliebig. Sie ist die „mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi,Die Kirche als Gegenstand des Glaubens die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche.“ (LG 8) Das II. Vatikanische KonzilKonzil / Konziliarismus formulierte die Selbstwahrnehmung der Römisch-katholischen Kirche: Sie ist „die einzige Kirche Christi, die wir im GlaubensbekenntnisGlaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen.“ (LG 8) Ihre Gestalt ist nicht beliebig, sondern „sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen, ihm und den übrigen ApostelnApostel hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut.“ (LG 8) Die wahre Kirche Jesu ChristiJesus Christus ist demnach „in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet.“ Sie „ist verwirklicht (subsistit) in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird.“ (LG 8) Diese Bestimmung schließt allerdings nicht aus, so das Konzil weiter, dass „außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen.“ (LG 8) Hier öffnet sich die Römisch-katholische Kirche also den anderen Kirchen der Welt und erkennt deren Existenzberechtigung an. Weiter zu interpretieren bleibt nur, inwiefern die „Elemente der Heiligung und Wahrheit“ auf eine katholische Einheit drängen. Ist hier eine „römisch-katholische“ Einheit oder eine „katholische“, also allgemeine Einheit gemeint? Grundsätzlich ist diese Bestimmung aber ökumenisch anschlussfähig und die Römisch-katholische Kirche gibt damit zu erkennen, dass keine totale Identifikation des Leibes Christi mit der Römisch-katholischen Kirche gemeint ist. Vielmehr lässt das Konzil erkennen, dass Kirche-Sein in verschiedener Abstufung vorkommen kann und deshalb auch andere Konfessionen Spuren des Kirchlichen aufweisen.

      Die Leitung der KircheDer bleibende Auftrag zur Leitung der Kirche wird realisiert, indem die ApostelApostel Nachfolger bestimmt haben bzw. die Kirche Nachfolger der Apostel erkannt und benannt hat. Die Kirche hat die volle ApostolizitätApostolizität bewahrt, weil sie sich historisch auf die Apostel Jesu zurückbezieht, die Jesus selbst zur Leitung seiner Kirche eingesetzt hat. Die Bischöfe sind Nachfolger der Apostel und achten auf den Verbleib der Kirche bei ihrem apostolischen Ursprung. Diese personelle apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession garantiert die bleibende Botschaft des EvangeliumsEvangelium. Ebenso wichtig ist die Gemeinschaft der Bischöfe untereinander. Es ist nicht nur die ununterbrochene Kette von Handauflegungen, um die es hier geht, sondern vordringlich um die Aufnahme jedes BischofsBischof in die Gesamtheit des Episkopats.

      Das AmtAmt des BischofsBischof ist notwendig für die Existenz der Kirche und beruht letztlich auf göttlicher Einsetzung durch Jesus. „Wo der Bischof ist, da ist die Kirche“ (ubi episcopus, ibi ecclesia), legte bereits Cyprian$Cyprian von Karthago, gest. 258, Bischof, Kirchenvater von Karthago (gest. 258) fest.

      Die Römisch-katholische Kirche ist ihrer Struktur nach eine bischöflich orientierte Kirche. Trotzdem haben auch die „Laien“ ihre Funktion in der Kirche. Als „Laie“ wird dabei jeder Gläubige verstanden, „mit Ausnahme der Glieder des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes.“ (LG 31) Die Laien sind dazu aufgerufen, „dafür zu wirken, dass der göttliche Heilsratschluss mehr und mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche.“ (LG 33)

      Der Stand der Amtsträger, der KlerusKlerus, ist von den Laien qualitativ verschieden:

      Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der SakramenteSakrament, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe. (LG 10)

      Die geistliche Ordnung der KircheDer BischofBischof steht an der Spitze des geistlichen Amtes, das in sich dreigeteilt ist. Durch Handauflegung und Gebet wird der Bischof bei seiner WeiheWeihe zum Dienst der Verkündigung, zur Verwaltung der SakramenteSakrament und der Leitung seiner Diözese berufen und in die personell verstandene apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession eingegliedert. Weil er in seiner Person Christus in der Gemeinde verkörpert (LG 22), ist sein AmtAmt sakramentaler