Gisa Bauer

Grundwissen Konfessionskunde


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Berufung den Beginn der oberdeutschen Reformation dar.

      So entwickelten sich im frühen 16. Jahrhundert parallel zwei Hauptstränge der Reformation: Einmal durch das Wirken Zwinglis in Zürich, zum anderen unter Luthers$Luther, Martin, 1483–1546, evangelischer Theologe, Reformator, Namensgeber der Lutheraner Führung in Wittenberg. Aus diesen Zweigen der Reformation entwickelten sich die Lutherischen Kirchen und die Reformierten Kirchen.

      Wesentlich unterschieden sich beide bei der Interpretation des AbendmahlsAbendmahl, eines der beiden SakramenteSakrament der evangelischen Konfession. Während Luther die reale Präsenz Christi „in, mit und unter“ den Elementen vertrat, war für Zwingli$Zwingli, Huldrych, 1484–1531, evangelisch-reformierter Theologe, Reformator Christus im Abendmahl in der Erinnerung präsent.

      Die TäuferbewegungDie Zürcher Reformation war die Wiege einer weiteren BewegungBewegung(en), die auch als der „radikale Flügel der Reformation“ bezeichnet wird: die Täuferbewegung. Den Namen „Täufer“ erhielten die Anhänger dieser aus der Reformation hervorgegangenen Strömung, weil sie die TaufeTaufe als das Siegel der bewussten Bekehrung zum Christentum ansahen und deshalb die Kindertaufe ablehnten. Als WiedertäuferTaufeWiedertäufer (,Anabaptisten‘) erlitten sie grausame Verfolgungen. Aus ihrer Bewegung gingen unter der Führung des ehemaligen römisch-katholischen Priesters Menno Simons$Simons, Menno, 1496–1561, römisch-katholischer Priester, Theologe, führende Persönlichkeit der Täuferbewegung, Namensgeber der Mennoniten (1496–1561) Gemeindegründungen hervor, die sich als Mennoniten eine Struktur gaben. Weitere aus der Täuferbewegung hervorgegangene religiöse Gemeinschaften sind die in Nordamerika verbreiteten HuttererHutterer und die AmischenAmischen.

      Die Genfer ReformationNeben Huldrych Zwingli$Zwingli, Huldrych, 1484–1531, evangelisch-reformierter Theologe, Reformator ist Johannes Calvin (1509–1564) ein für die reformierten Kirchen bedeutender Reformator. Er gehörte der zweiten Generation der Reformatoren an und wirkte seit den späten 1530er Jahren in Genf. Da für ihn die Sorge um die Gestalt der Gemeinde und um die Übereinstimmung von Lehre und Leben im Mittelpunkt der theologischen Überlegungen stand, wollte er die Kirche nach der Ordnung des EvangeliumsEvangelium erneuern. Dazu gehörte eine strenge KirchenzuchtKirchenzucht, die kennzeichnend für den Calvinismus wurde, der sich in den folgenden Jahrzehnten erfolgreich in Europa, v.a. in Frankreich, England, Schottland und den Niederlanden, ausbreitete und in Nordamerika Fuß fasste. Einen direkten Einfluss hatte der Calvinismus sowohl auf den französischen Protestantismus, dessen Anhänger, die Hugenotten, von der Römisch-katholischen Kirche verfolgt wurden, als auch auf den sich der anglikanischen StaatskircheStaatskirche in England widersetzenden PuritanismusPuritanismus. Die presbyterianische Kirche von Schottland wurde ebenfalls stark vom Calvinismus beeinflusst. In Deutschland war der Calvinismus nur schwach vertreten, hatte aber Berührungspunkte mit dem PietismusPietismus, der über die ErweckungsbewegungErweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts in die Gemeinschaftsbewegung hineinwirkte.

      2.7 Die Entwicklungen im 16. und 17. Jahrhundert

      Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 und der den Dreißigjährigen Krieg abschließende Westfälische Friede von 1648 hielten u.a. fest, dass es keine Reichskirche mehr gab, sondern auf deren Territorium verschiedene Kirchen mit eigenem BekenntnisBekenntnis, d.h. dem des Fürsten. Zunächst waren das nur „lutherische“ und „katholische“, später auch „reformierte“ Kirchen. Weitere in dieser Zeit entstandene Glaubensgemeinschaften waren nicht geduldet.

      In England wurde die von Rom unabhängige Church of England, die ,Kirche von England‘, und damit die Anglikanische Kirche gegründet. Auf dem Kontinent waren die Altgläubigen [→ Römisch-katholische Kirche] herausgefordert, ihre Identität auf dem KonzilKonzil / Konziliarismus zu Trient (1545–1563) neu zu begründen. Dieses Konzil mit seinen Entscheidungen bildete eine, im konfessionellen Sinn, „katholische“ Identität aus. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Römisch-katholische Kirche eine aus der Reformation hervorgegangene Kirche.

      2.8 Konfessionelle Aufbrüche im 18. und 19. Jahrhundert

      GroßbritannienAus der Kirche von England erwuchsen im 18. Jahrhundert die Methodisten und verbreiteten sich in Großbritannien und den USA. Von ihnen wiederum leitete sich die Heilsarmee/Salvation Army ab, die Kirche des Nazareners sowie andere Glaubensgemeinschaften.

      Deutsches ReichIm 19. Jahrhundert verbanden sich auf deutschem Gebiet unter dem Eindruck von PietismusPietismus, Aufklärung und Rationalismus einige reformierte und einige lutherische Kirchen zu den unierten Kirchen.

      Die Römisch-katholische Kirche erlebte, dass die Dogmenentwicklung des 19. Jahrhunderts, speziell die Papstdogmen von 1870, nicht auf den Konsens der Gläubigen stieß und sich in Deutschland die Altkatholische Kirche bildete.

      Westeuropa und NordamerikaDie Erweckungs- und Heiligungsbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts wurde in verschiedenen Regionen und Ländern der Welt für aufkommende christliche Strömungen und Kirchenbildungen bedeutsam. Prediger, die sich Elemente verschiedener Glaubenssysteme bedienten, brachten neue Impulse in das religiöse Leben und gewannen v.a. für → Methodisten und Baptisten neue Mitglieder. Daneben entstanden Gemeinschaften wie die sich vom LandeskirchentumLandeskirchentum scharf abgrenzenden Freien Evangelischen Gemeinden und die Siebenten-Tags-Adventisten, die auf die baldige Wiederkehr ChristiWiederkehr ChristiParusie hofften. Von einer ähnlich endzeitlich geprägten Stimmung waren die katholisch-apostolischen Gemeinden ergriffen, aus denen sich im 19. Jahrhundert die Neuapostolische Kirche entwickelte.

      Die konfessionelle Entwicklung in der Neuzeit und neueren Geschichte war gekennzeichnet von einer gegenseitigen Beeinflussung der Kirchen und Glaubensgemeinschaften.

      Weiterführende Literatur

      Moeller, Bernd (2011), Geschichte des Christentums in Grundzügen, 10., völlig neu bearb. Aufl., Göttingen.

      Hauschild, Wolf-Dieter, Drecoll, Volker Henning (2016), Alte Kirche und Mittelalter, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte 1, 5., vollst. überarb. Aufl., Gütersloh.

      Hauschild, Wolf-Dieter (2001), Reformation und Neuzeit, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte 2, 2., durchges. Aufl., Gütersloh.

      Jung, Martin H. (2010), Kirchengeschichte, Göttingen.

      Wallmann, Johannes (2006), Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, 6., durchges. Aufl., Tübingen.

      3 Die personelle apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession

      3.1 Die Römisch-katholische Kirche

      Katholisch ist ein lateinisches bzw. griechisches Lehnwort und bedeutet ‚allgemein‘, ‚umfassend‘. In diesem Sinn versteht sich jede Kirche als katholisch. Der Mönch Vinzenz$Vinzenz von Lérins, gest. um 434/450, Mönch, Kirchenvater von Lérins (gest. um 434/450) formulierte im 5. Jahrhundert, was katholisch ist: „In eben jener katholischen Kirche selbst ist mit größter Sorgfalt dafür zu sorgen, dass wir halten, was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde. Denn das ist wirklich und wahrhaft katholisch, was, wie der Name und Grund der Sache erklären, alle insgesamt umfasst.“

      Dieses Selbstverständnis lebt in ganz besonderer Weise die Römisch-katholische Kirche. Der Zusatz römisch spezifiziert also die Bezeichnung katholisch und kennzeichnet