Gisa Bauer

Grundwissen Konfessionskunde


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um 350/360-um 419, Prediger, Theologe, Laienmönch war von dem moralisch zweifelhaften Lebensstil der römischen Bischöfe beunruhigt und hielt ihnen vor, billige GnadeGnade zu predigen und die Moral zu missachten. Ihm lag daran, die persönliche Schuld des Menschen aufzuweisen. Deshalb wandte er sich gegen die Annahme, dass es eine erbliche Übertragung der Sünde gebe, die an den Fortpflanzungsprozess gebunden sei. Sünde sei vielmehr eine freiwillige Nachahmung der Übertretung Adams, keine angeborene Schuld. Augustin argumentierte gegen diese Position und vertrat die Ansicht, dass in der NaturNatur des Menschen die Erbsünde angelegt wäre. Der Mensch sei von Geburt nur durch die Gnade Gottes fähig, das Gute zu tun. Die Gnade aber gewähre von Gott bestimmten Menschen den Weg zum Heil. Der Mensch bedürfe der Gnade Gottes unbedingt. Sie sei eine Kraft, die für ihn unwiderstehlich sei. Augustin betonte mit dieser Lehre, dass der Mensch von Anfang an auf Gottes Gnade angewiesen sei. Kein menschlicher Wille könne die Erlösung des Menschen unabhängig von Gott herbeiführen. Nur durch das Wirken des Geistes könne der Mensch seinen Willen auf ein moralisch gutes Leben ausrichten.

      Besonderheiten der Entwicklungen im Mittelalter

      Der BischofBischof von Rom blieb in der Zeit der Völkerwanderung, des Zusammenbruchs des römischen Reichs und des Übergangs von der Antike zum Mittelalter eine Konstante. Als Papst versuchte er, seinen Primatsanspruch auf das ganze Reich auszudehnen.

      Während die östliche TraditionTradition eine Harmonie, die SymphoniaSymphonia, zwischen Staat und Kirche herzustellen suchte [→ Orthodoxe Kirchen], kontrastrierte Papst Gelasius$Gelasius, Pontifikat 492–496, römischer Bischof, römisch-katholischer Papst I. (Pontifikat: 492–496) die weltliche Macht durch die kirchliche und wies der kirchlichen eine größere Macht zu.

      Der wichtigste Papst dieser Zeit war Gregor I. (der Große; Pontifikat: 590–604)$Gregor I. (der Große), Pontifikat 590–604, römisch-katholischer Papst, der als Mönch Papst wurde und dem es gelang, das Ideal des Hirten seiner Gemeinde zu verkörpern. Er verlangte von den Klerikern, dass sie ihr Leben als christliches Vorbild führen sollten. Die Bischöfe rief er zur Solidarität untereinander auf. Für die Stadt Rom war er bedeutend, da er nach dem Untergang des Reichs mit sozialen Leistungen die Not der Bevölkerung zu lindern versuchte. Außerdem unternahm er vermehrt missionarische Anstrengungen, z.B. unter den Goten und den Angelsachsen.

      Entfremdung zwischen Ost und WestIm Frühmittelalter verschlechterten sich die Beziehungen zwischen der West- und Ostkirche des Reichs. Der Einfluss Ostroms wurde schwächer und die Päpste begannen, sich mit großem Selbstbewusstsein in die Belange der östlichen Kirche einzumischen. So widersetzte sich Papst Gregor II. (Pontifikat: 715–731)$Gregor II., Pontifikat 715–731, römisch-katholischer Papst den Steuerpflichten, die ihm vom oströmischen Kaiser auferlegt waren und widersprach ihm im Bilderstreit.

      Er weihte den Angelsachsen Wynfreth$Bonifatius (Wynfreth), 653–755, Missionar, römisch-katholischer Bischof von Mainz und Utrecht (673–755) zu BischofBischof Bonifatius und gab ihm missionarische Vollmachten in Mitteleuropa. Bonifatius war direkt dem Papst unterstellt und wurde zum Bischof geweiht, ohne dass er ein Bistum erhielt. Er erhielt vielmehr die Aufgabe, Volksstämme wie die Friesen oder die Hessen zu missionieren. Bonifatius ging rigoros gegen heidnische Götter vor und ließ z.B. 723 in der Nähe von Geismar im heutigen Hessen eine dem Gott Donar (Thor) geweihte Eiche, ein germanisches Heiligtum, fällen, um die Ohnmacht der germanischen Götter zu beweisen. 732 wurde Bonifatius zum ErzbischofBischofErzbischof erhoben und zum Legaten für Germanien bestellt. Der Missionar wurde damit zum Organisator einer neuen Kirchenprovinz. Er gründete Klöster und unterstellte sie der Mönchsregel Benedikts von Nursia$Benedikt von Nursia, 480–547, römisch-katholischer Ordensgründer (480–547), der 529 die Abtei Montecassino gegründet hatte, die Keimzelle des Benediktinerordens. Das Wirken des Bonifatius markierte den Weg des PapsttumsPapsttum in den Westen.

      Papst Gregor III. (Pontifikat: 731–741)$Gregor III., Pontifikat 731–741, römisch-katholischer Papst wandte sich endgültig vom Osten ab und suchte weltliche Unterstützung bei Karl Martell$Karl Martell, um 690–741, fränkischer Hausmeier, Begründer der Dynastie der Karolinger (um 690–741), dem karolingischen Hausmeier. Das PapsttumPapsttum wurde vom Frankenreich abhängig.

      Die Zeit der KarolingerDas PapsttumPapsttum geriet im Mittelalter immer mehr in Auseinandersetzung mit den weltlichen Königen, da es neben seinen geistlichen Aufgaben auch politisch agierte.

      Pippin III.$Pippin III., 714–768, fränkischer Hausmeier, König der Franken (714–768), der Sohn Karl Martells, ließ sich von der römischen Kirche zum König krönen. Sein Königtum wurde damit eine Herrschaft von Gottes Gnaden (lat.: dei gratia). Die Würde des Königs wurde also nicht durch seine königliche Abstammung begründet, sondern das AmtAmt wurde verliehen. Aufgrund seines Selbstverständnisses als „unmittelbar zu Gott“ fühlte sich der König auch für die Kirche verantwortlich. Kirche und weltliche Herrschaft rückten eng zusammen.

      Die Krönung Karls des Großen$Karl der Große, 747–814, König des Fränkischen Reichs, 800–814 römisch-deutscher Kaiser (747–814), des bedeutendsten Herrschers der Karolinger, durch Papst Leo III.$Leo III., Pontifikat 795–816, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 795–816) an Weihnachten 800 in Rom war deutlicher Ausdruck dieser engen Verbindung. Das neue Kaisertum war an Rom gebunden. Der Papst konnte die Kaiserwürde verleihen.

      Darüber hinaus war die Absage an das oströmische Reich manifestiert. Der Papst hatte einen „eigenen“ Kaiser kreiert. Für Kaiser Karl$Karl der Große, 747–814, König des Fränkischen Reichs, 800–814 römisch-deutscher Kaiser war die Aufgaben- und Machtverteilung zwischen ihm und dem Papst eindeutig: Dem Kaiser oblag es, das Reich und die Kirche nach außen zu verteidigen und nach innen zu festigen. Der Papst wiederum hatte die Aufgabe, den Kaiser in seinen Aufgaben zu unterstützen.

      Der KirchenstaatUm sich gegen den in Italien einfallenden Volksstamm der Langobarden zu schützen, bat Papst Stephan II.$Stephan II., Pontifikat 752–757, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 752–757) 754 Pippin III.$Pippin III., 714–768, fränkischer Hausmeier, König der Franken (714–768), Sohn Karl Martells, erster karolingischer König und Vater Karls des Großen, um Schutz. Pippin III. gewährte ihm seine Hilfe und versprach dem Papst die Rückgabe der von den Langobarden eroberten Gebiete. Diese Gebiete vermachte Pippin in der sogenannten Pippinischen Schenkung dem Papst und schuf damit die Grundlage des Kirchenstaates, dem weltlichen Hoheitsgebiet der Päpste. Der Papst verlieh Pippin mit dem Titel Patricius Romanorum die Herrschaft über dieses Gebiet.

      Stephan II.$Stephan II., Pontifikat 752–757, römisch-katholischer Papst festigte die weltliche Macht über dieses Territorium, indem er ein Dokument vorlegte, das angeblich von Kaiser Konstantin$Konstantin (der Große), 270/288–337, 306–337 Kaiser des Römischen Reichs, seit 324 als Alleinherrscher (270/288–337; Kaiser: 306–337) stammte, aber gefälscht war: die Konstantinische Schenkung. In dieser Urkunde vererbte Konstantin sein halbes Reich dem Papst und erhob diesen zu einem zweiten Kaiser neben ihm. Angeblich habe er diese Schenkung verfügt, weil Papst Silvester$Silvester, Pontifikat 314–355, römischer Bischof (Pontifikat: 314–355) ihn von einer unheilbaren Krankheit geheilt und getauft habe. Der Papst begründete seinen weltlichen Rechtsanspruch mit dem Erbe des Kaisers, also dezidiert nicht theologisch. Obwohl bereits früh Zweifel an der Echtheit der Konstantinischen Schenkung aufkamen, wurde sie erst im 15. Jahrhundert endgültig als Fälschung entlarvt.

      Dem Papst wurden im frühen 9. Jahrhundert kaiserliche Rechte übertragen, und die Bindung des Kaisertums an Rom erfuhr seine, wenn auch auf einer Fälschung beruhende Begründung. Der Papst konnte, wenn er es machtpolitisch durchzusetzen vermochte, das Recht beanspruchen, den Titel des Kaisers zu vergeben und auch wieder abzuerkennen. Dieser prinzipielle Anspruch mündete in den Investiturstreit des 11. und 12. Jahrhunderts.

      Zunächst aber waren die Päpste gegenüber den Kaisern zu schwach, um ihren politischen Anspruch durchsetzen zu können. Kirche und PapsttumPapsttum erlebten Ende des 9. Jahrhunderts und im 10. Jahrhundert einen kirchenpolitischen wie moralischen Niedergang.

      Die Cluniazensische