Klassifizieren, Messen und Deuten von Unterschieden und Gemeinsamkeiten betriebswirtschaftlich bedeutsamer Phänomene (Perridon, L., 1981). Übertragen auf kulturvergleichende Forschung bedeutet dies, dass Unterschiede und Gemeinsamkeiten bezüglich Grundannahmen, Werten, Normen und Verhaltensweisen zwischen zwei oder mehreren Ländern identifiziert, verstanden, beschrieben, erklärt und möglicherweise bewertet werden (Schmid, S., 1996).
Die kulturvergleichende Managementforschung verfolgt die nachstehenden Erkenntnisziele (v. Keller, E., 1989; v. Keller, E., 1982):
(1) Deskriptiv-klassifikatorische Ziele
Hierunter versteht man die Beschreibung, die Erfassung, den Vergleich und die Klassifikation verschiedener Kulturen. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Managementprozessen, Normen und Wertvorstellungen werden identifiziert. Relativ homogene kulturelle Cluster werden abgeleitet.
(2) Heuristische Ziele
Die Ergebnisse aus dem ersten Erkenntnisschritt (Beschreibung, Vergleich, Klassifikation) bilden die Grundlage für die Entdeckung und Generierung von Hypothesen und Theorien über den Zusammenhang zwischen Managementvorgängen und kulturellen Faktoren. Man [136]versucht also, die beschriebenen Phänomene zu erklären bzw. transkulturelle Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.
(3) Falsifikatorische Ziele
Hier wird die Gültigkeit von Theorien, Hypothesen und Erklärungsmodellen in fremden Kulturen an der Realität überprüft (Kontrollfunktion). Der Kulturvergleich ermöglicht so in den Sozialwissenschaften das Testen von Theorien unter veränderten kulturellen Rahmenbedingungen und erfüllt somit die Funktion des in den Naturwissenschaften üblichen Experiments. Die Problematik beim Kulturvergleich besteht allerdings in der Isolierung der verursachenden Faktoren, da es kaum möglich ist, zwei völlig gleiche Objekte unter verschiedenen (kulturellen) Bedingungen zu analysieren, wie dies im idealen kontrollierten Experiment der Fall ist. Lassen sich bestimmte Gesetzeshypothesen in einer anderen Kultur nicht nachweisen, dann ist eine Aufdeckung der verursachenden kulturellen Hintergrundvariablen notwendig. Dies führt damit eventuell zur Entdeckung und Generierung neuer Hypothesen.
Kulturvergleichende Managementforschung darf jedoch, ebenso wie die Kultur selbst, nicht als statisches Konstrukt verstanden werden. Vielmehr war sie im Zeitablauf einem kontinuierlichen Veränderungsprozess unterworfen, in dessen einzelnen Phasen unterschiedliche Fragestellungen und Zielsetzungen relevant waren. Eine Übersicht über den Entwicklungsprozess lässt sich Abbildung 70 entnehmen.
Abbildung 70: Die Entwicklung der Kulturforschung im Management
Quelle: Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Schmid, S., 1996
Die kulturvergleichende Managementforschung ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet. Aus verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen müssen Erkenntnisse problemorientiert integriert und zusammenhängend verarbeitet werden. Zahlreiche Beiträge haben sich mit dem Transfer von Managementtechniken in fremde Kulturen beschäftigt. Dabei haben sich im Wesentlichen drei kontroverse Positionen entwickelt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011; Osterloh, M., 1994; Ralston, D.A., et al., 1993; Klimecki, R.G./Probst, G.J.B., 1993; Bittner, A./Reisch, B., 1993; Brooke, M.Z., 1992; Black, J.S./Porter, L.W., 1991; Takahashi, Y., 1989):
[137]Die Universalisten („universal approach“) behaupten, dass Managementprinzipien unabhängig von den kulturellen Umweltfaktoren allgemeine Gültigkeit besitzen. Das – meist in den USA entwickelte – Management-Know-how sei universell und könne daher leicht von einer Kultur in eine andere übertragen werden.
Die ökonomischen Relativisten sind der Auffassung („culture free“-These), dass mit der fortschreitenden wirtschaftlichen Entwicklung, Industrialisierung und Technologisierung beinahe zwangsläufig eine Homogenisierung und Konvergenz der Managementprinzipien stattfindet. Die Logik der Industrialisierung generiert wirtschaftliche und technologische Imperative und Notwendigkeiten, die kulturelle Unterschiede mit der Zeit verschwinden lassen. Kulturvergleichende Managementstudien dienen hier der Suche nach Ähnlichkeiten bzw. werden teilweise langfristig gar als hinfällig betrachtet. Diese „culture-free“-These behauptet allerdings nicht, dass das Management und die Organisationsstrukturen von kulturellen Einflüssen unabhängig sind, sondern dass die Beziehungen zwischen den nichtkulturellen Kontextvariablen (Stand der industriellen Entwicklung, Größe der Unternehmung usw.) und der Organisationsstruktur jeweils von einer Gesellschaft zur anderen stabil sind. Kulturvergleichende Managementstudien unter annähernd gleichen Kontextbedingungen (gleicher ökonomischer Entwicklungsstand der Länder, gleiche Unternehmensgröße) konnten aber dennoch Managementunterschiede feststellen, die dann auf kulturelle Faktoren zurückgeführt werden müssen.
Die Kulturisten heben die Kulturabhängigkeit („culture-bound“-These) aller Managementkonzepte und -instrumente hervor. Unterschiedliche kulturelle Ausgangsbedingungen erfordern ein angepasstes Managementverhalten. Als Folge davon kann das Management-Know-how nicht problemlos von einer Kultur auf eine andere übertragen werden.
Berücksichtigt werden muss, dass die eher technischen Komponenten des Management-Know-how wie Investitions- und Budgetanalyse, Kostenrechnung und Controlling leichter übertragbar sind als die personen- und verhaltensbezogenen Teile wie z.B. Führungs-, Entscheidungs-, Motivations- und Kommunikationsstrukturen (v. Dijck, J.J., 1990; v. Keller, E., 1982). In einer Analyse über kulturvergleichende Managementstudien wurde festgestellt, dass Untersuchungen, die sich auf Makrovariablen (Technologie, Organisationsstrukturen usw.) konzentrieren, Konvergenztendenzen nachgewiesen haben, während Studien auf Mikroebene (Verhalten von Organisationsmitgliedern) eine Divergenz aufweisen (Adler, N.J./Doktor, R./Redding, S.G., 1986). Dieses Ergebnis relativiert die Universalisten-Kulturisten-Kontroverse und zeigt, dass der Einfluss der Kultur auch vom Untersuchungsgegenstand abhängt.
Bezüglich der zahlreichen kulturvergleichenden Managementuntersuchungen lassen sich grundsätzlich zwei Forschungsmethoden (Cleff, T., 1996; Schmid, S., 1996; v. Keller, E., 1989; Nath, R., 1986; v. Keller, E., 1982) unterscheiden.
In empirisch-quantitativen Untersuchungen wird davon ausgegangen, dass Kultur messbar ist und anhand einzelner kultureller Dimensionen und Skalen verglichen werden kann. [138]Mit Hilfe „harter“ Erhebungs- und Analysemethoden (schriftliche standardisierte Befragungsinstrumente, Interviews und Tests; multivariate Verfahren; Massenerhebungen/ Surveys) werden quantitative Daten generiert, die der Überprüfung bestimmter Hypothesen und der Suche nach Gesetzmäßigkeiten dienen sollen.
Demgegenüber versuchen qualitative Fallstudien, Informationen über verschiedene Kulturen zu verarbeiten. Zu den „weichen“ Forschungsmethoden zählen unstrukturierte Interviews, einführende Symptomdeutungen, die teilnehmende Beobachtung, Aktionsforschung, Literatur- und Sprachanalyse sowie die Analyse historischer Ursachen und Parallelen. Auch anekdotisches Material und persönliche Erfahrungen werden miteinbezogen.
In grober Anlehnung an das Konzept von Perlmutter teilt Adler die kulturvergleichende Managementforschung in sechs Ansätze ein (Adler, N.J., 2002; Cleff, T., 1996; Kumar, B.N., 1988; Ronen, S., 1986; vgl. auch Nath, R., 1986; Adler, N.J., 1983a):
1 Parochiale Untersuchungen sind „single-culture“-Studien und werden von Forschern aus dem jeweiligen Land durchgeführt. Implizit wird angenommen, dass die Forschungsergebnisse universelle Gültigkeit haben.
2 Die ethnozentrische Forschung geht implizit von der Überlegenheit der heimischen Managementmethoden aus und versucht, die Frage zu beantworten, wie eigene Theorien auch in anderen Kulturen angewendet werden können. Im Gegensatz zum parochialen Ansatz wird die Universalität der eigenen Konzepte jedoch erst gesucht und nicht nur vorausgesetzt. Die Suche nach Ähnlichkeiten soll zur interkulturellen Validität der