Randolf Schrank

Internationales Management


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       Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009

      Länder mit schwacher Unsicherheitsvermeidung haben geringe UVI-Werte und umgekehrt. Bei dieser Hofstede-Dimension sind selbst innerhalb einzelner Länderregionen beträchtliche Differenzen feststellbar. So weisen Griechenland und Portugal eine hohe Unsicherheitsvermeidung auf, während in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine [127]mittlere Einstufung vorzufinden ist. In Dänemark hingegen ist die Unsicherheitsvermeidung lediglich schwach ausgeprägt. Weitere bestehende kulturelle Differenzen innerhalb Europas analysieren im Detail auch Perlitz und Seger (Perlitz, M./Seger, F., 2004). In Gesellschaften mit einer hohen Unsicherheitsvermeidung müssen Unternehmensentscheidungen eindeutig und präzise sein. Konflikte und abweichende Verhaltensmuster werden weitestgehend vermieden. Unter Umständen können derartige Mechanismen dazu führen, dass Innovationen frühzeitig erstickt werden, da wenig Platz für kreative Problemlösungen bleibt (Kutschker, M./Schmid, S., 2011).

       (5) Langfrist-/Kurzfristorientierung

      Die fünfte – nachträglich hinzugefügte – Dimension wird als Langfrist- bzw. Kurzfristorientierung bezeichnet. Als Merkmale der langfristigen Orientierung von Kulturen sieht Hofstede eine große Ausdauer bzw. Beharrlichkeit im Verfolgen von Zielen, den Respekt vor am Status orientierten Rangordnungen, eine hohe Sparquote und Investitionstätigkeit sowie ein ausgeprägtes Schamgefühl.

      Eine besonders hohe Langfristorientierung zeigt sich der Studie zufolge, die allerdings lediglich in 23 Ländern durchgeführt wurde, vor allem in China, Hongkong, Taiwan und Japan, während Pakistan äußerst kurzfristig orientiert zu sein scheint. Deutschland nimmt dabei eine Mittelposition ein (vgl. Abbildung 62). Der in diesem Zusammenhang aufgeführte Zeitaspekt hat auch Konsequenzen für das Management. So werden in Kulturen mit einer langfristigen Orientierung häufig strategische Überlegungen gegenüber operativen und taktischen Fragen bevorzugt. Die Unternehmensplanung beschränkt sich folglich nicht auf die nächsten Monate oder unmittelbar folgenden Jahre.

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      Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen.

       Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J., 2009

       [128](6) Selbstverwirklichung versus Selbstbeschränkung

      Die sechste Dimension, Selbstverwirklichung versus -beschränkung (indulgence vs. restraint), wird erstmals in der dritten Auflage des Werkes von Hofstede im Jahr 2010 beschrieben. Die Autoren definieren diese Dimension als „(…) a tendency to allow relatively free gratification of basic and natural human desires related to enjoying life and having fun. Its opposite pole, restraint, reflects a conviction that such gratification needs to be curbed and regulated by strict social norms“ (Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010).

      Der Fokus liegt auf dem subjektiven Wohlbefinden („level of happiness“) einer Gesellschaft bzw. den Angehörigen eines Kulturkreises. Dies drückt sich beispielweise im Freizeitbedürfnis und der Selbstbestimmtheit über das eigene Leben aus. Auch die Bedeutung, eigene Gedanken frei äußern zu können, wird in dieser Kulturdimension beschrieben. Menschen in einer selbstbeschränkten Kultur empfinden ein geringeres Bedürfnis zur freien Meinungsäußerung. Außerdem neigen sie zur Introvertiertheit, Pessimismus und Zynismus. Angehörige eines Kulturkreises, der stärker durch Genuss und Selbstverwirklichung charakterisiert ist, sind tendenziell extrovertierter, optimistischer und erinnern sich eher an die glücklichen Momente in ihrem Leben (Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010).

      Länder mit einem niedrigen Indexwert sind durch hohe Selbstbeschränkung gekennzeichnet, wohingegen Länder mit einem hohen Indexwert zu Genuss und Selbstverwirklichung tendieren. Die meisten zentral- und südamerikanischen Länder wie Venezuela, Mexiko, Argentinien und Brasilien weisen hohe Indexwerte auf. Aber auch westliche Industrieländer wie Schweden, Großbritannien und die USA zeigen durch hohe Indexwerte die kulturelle Bedeutung von Genuss und Selbstverwirklichung. Im Gegensatz dazu besitzen osteuropäische, arabische und asiatische Länder durch niedrige Indexwerte eine Kultur der Selbstbeschränkung. Deutschland ist mit einem mittleren Indexwert bei 92 untersuchten Ländern auf Position 52 angesiedelt (vgl. Die Angaben basieren auf den Faktorwerten von drei Items, die im Rahmen der World Values Survey ermittelt wurden.

      Abbildung 63).

      Die Ausprägung der Dimension hat auch Auswirkungen auf das Management. In Kulturen, die durch Selbstverwirklichung charakterisiert sind, wie beispielsweise den USA ist ein freundliches und optimistisches Auftreten (z.B. lächelndes Servicepersonal) im Geschäftsalltag die Normalität. Im Gegensatz dazu wird in einer selbstbeschränkten Kultur (z.B. Russland) eine ernste Mimik als Seriosität verstanden. Da es sich in der wissenschaftlichen Diskussion um eine neue Dimension handelt, wird auch von Hofstede und Kollegen darauf hingewiesen, dass zusätzliche Forschungsarbeiten zum genaueren Verständnis notwendig sind (Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010).

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      Die Angaben basieren auf den Faktorwerten von drei Items, die im Rahmen der World Values Survey ermittelt wurden.

       Quelle: Hofstede, G./Hofstede, G.J./Minkov, M., 2010

      Trotz der häufig geäußerten Kritik an Hofstedes Studie, die sich u.a. auf die von ihm definierten Dimensionen sowie die Gleichsetzung von Kulturen und Ländern bezieht, gilt seine Untersuchung nach wie vor als die umfangreichste, sowohl was die Zahl der berücksichtigten Länder als auch die Zahl der Befragten betrifft. Da eine Reihe von Folgeuntersuchungen seine Dimensionen und Einschätzungen in weiten Teilen bestätigen konnte – auch die Ähnlichkeit mit den bereits aufgeführten Dimensionen von Trompenaars ist erkennbar –, ist seine Studie auch heute noch prägend für die Kulturforschung und wird als Grundlage der meisten kulturvergleichenden Studien genutzt (z.B. Perlitz, M./Seger, F., 2004; Weiser, A., 2004; Schmid, S., 1996; Hickson, D.J./Pugh, D.S., 1995). Abbildung 64 zeigt die Kulturdimensionen im Überblick.

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       Quelle: Hofstede, G./Hofstede G.J., 2009

      Die GLOBE-Studie (Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness Research Program) begann Anfang der 1990er Jahre und befindet sich in der Validierungsphase (Lotter, 2010). Die Untersuchung wurde in 62 Ländern in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren durchgeführt. Der Schwerpunkt der Studie liegt in der Entwicklung einer Kulturtheorie, die den Fokus auf Kulturräume legt und nicht nur Länderstrukturen betrachtet. So wurden Deutschland, Österreich, die Niederlande sowie die deutschsprachige Schweiz in einem Cluster zusammengefasst.

      Zusätzlich existieren noch neun zusätzliche Cluster, wobei Europa mit insgesamt fünf Clustern die höchste kulturelle Diversität aufweist. Diese Kulturcluster werden von insgesamt neun Kulturdimensionen abgeleitet und sind eng an Hofstedes Dimensionen angelehnt. Machtdistanz sowie Unsicherheitsvermeidung entsprechen klar