Sektor im II. Quadranten ist dadurch gekennzeichnet, dass er im Gesamtraum unterdurchschnittlich, in der Region aber überdurchschnittlich wächst. Sektoren in Quadrant IV sind entsprechend durch unterdurchschnittliches Wachstum in der Region und überdurchschnittliches Wachstum im Gesamtraum gekennzeichnet. Eine daraus abgeleitete wirtschaftsgeographische Untersuchung könnte beispielsweise der Frage nachgehen, welche Prozesse dazu führen, dass ein Sektor in einer bestimmten Region schneller oder langsamer wächst als im Gesamtraum, um Schlussfolgerungen für eine verbesserte Förderpolitik zu ziehen.
Shift-Analyse. Die shift- bzw. shift-share-Analyse geht über die relative Wachstumsanalyse insofern hinaus, als sie versucht, die regional-sektoralen Wachstumsmuster innerhalb des Gesamtraums zu identifizieren und erste Anhaltspunkte zu ihrer Erklärung zu liefern (Lauschmann 1976, III. Teil). Hierbei wird ein systematischer Vergleich der Entwicklung der Produktionsstruktur zwischen den Regionen und dem Gesamtraum durchgeführt. So untersuchte z. B. Zelinsky (1958) in einer Studie über die Regionen der USA, wie sich die regionalen Verteilungen von Bevölkerung, Nettoproduktionswert und Beschäftigung verändert haben. Hierbei unterschied er zwischen tatsächlichen und fiktiven Größen, die sich ergeben hätten, wenn regionale Anteile unverändert geblieben wären. Die Berechnung fiktiver Größen ist allen Methoden der shift-Analyse gemeinsam. Dunn (1960) hat den Ansatz der shift-Analyse weiter ausgefeilt und eine sektorale Differenzierung in die Analyse eingeführt. Er berechnete zunächst einen Gesamteffekt TNS (total net shift) für eine einzelne Region, der die Differenz angibt zwischen der tatsächlichen und der erwarteten Beschäftigtenzahl, die resultiert hätte, wenn die Zahl der Beschäftigten im nationalen Durchschnitt gestiegen wäre. Davon ausgehend wird der Gesamteffekt in der shift-Analyse in zwei Teileffekte aufgesplittet: Der Struktureffekt NPS (net proportionality shift) misst den Teil des Gesamteffekts einer Region, der auf deren vom Gesamtraum abweichende Sektorstruktur zurückzuführen ist. Der Standorteffekt NDS (net differential shift) ist demgegenüber Ausdruck der regionalen Besonderheiten, die dazu geführt haben, dass die Sektoren einer Region schneller oder langsamer als im Gesamtraum gewachsen sind (Lauschmann 1976, III. Teil; Schätzl 1994, Kap. 3.1.2; Güssefeldt 1999, Kap. I).
(1) Gesamteffekt einer Region (TNSi). Bei der Ermittlung des Gesamteffekts wird zunächst die hypothetische Beschäftigtenzahl der Region i zum Zeitpunkt t ermittelt, die sich ergeben hätte, wenn die Region mit der Wachstumsrate des Gesamtraums gewachsen wäre.
Welches der übergeordnete Gesamtraum ist, hängt dabei von der Fragestellung ab. Häufig ist bei Regionen mittlerer Größe, wie z. B. Kreisen oder Arbeitsmarktregionen, die gesamte Volkswirtschaft der Bezugsraum. Ein Gesamteffekt (in absoluten Beschäftigten) größer Null bedeutet, dass die betreffende Region im Beobachtungszeitraum insgesamt schneller gewachsen ist als der Gesamtraum. Das Umgekehrte gilt bei einem Gesamteffekt kleiner Null.
(2) Standorteffekt einer Region (NDSi). Bei der Ermittlung des Standorteffekts wird zunächst eine hypothetische Beschäftigtenzahl für die Region i ermittelt, die sich zum Zeitpunkt t ergeben hätte, wenn jeder Sektor j mit der betreffenden Wachstumsrate im Gesamtraum gewachsen wäre.
Der Standorteffekt ergibt sich dann als Differenz zwischen der tatsächlichen Beschäftigtenzahl zum Zeitpunkt t und der hypothetischen.
Ein Standorteffekt größer (kleiner) Null bedeutet, dass der Beschäftigtenzuwachs in der Region größer (kleiner) war als der, der sich ergeben hätte, wenn alle Sektoren gleich schnell wie im Gesamtraum gewachsen wären. Dies wird auf nicht näher bestimmte Standortvorteile (-nachteile) zurückgeführt.
(3) Struktureffekt einer Region (NPSi). Bei der Berechnung des Struktureffekts einer Region wird zunächst ermittelt, welche Sektoren im Gesamtraum überdurchschnittlich und welche unterdurchschnittlich gewachsen sind. Hierzu werden die sektoralen Wachstumsfaktoren des Bezugsraums mit dem Gesamtwachstumsfaktor des Bezugsraums verglichen.
Anschließend werden die positiven und negativen Wachstumsabweichungen mit der Beschäftigtenanzahl der entsprechenden Sektoren in der Region zum Zeitpunkt 0 multipliziert und zu einem Regionswert über alle Sektoren aufaddiert.
Falls eine Region dieselbe Sektorstruktur wie der Gesamtraum besitzt, würden sich positive und negative Abweichungen genau zu Null aufaddieren. Wenn hingegen in einer Region wachsende Sektoren überrepräsentiert sind, werden positive Wachstumsdifferenzen höher gewichtet und es resultiert ein Struktureffekt größer Null. Umgekehrtes gilt, wenn schrumpfende Sektoren überrepräsentiert sind.
In dem dargestellten Differenzenverfahren der shift-Analyse errechnet sich der regionale Gesamteffekt additiv aus den beiden Einzeleffekten. In einer konkreten Untersuchung genügt es deshalb, den Gesamteffekt und den Standorteffekt direkt zu berechnen und den Struktureffekt als Differenz der beiden zu bestimmen.
Ein zu diesem Differenzenverfahren alternatives multiplikatives Verfahren basiert auf einer ähnlichen Aufspaltung und Argumentation (Gerfin 1964).
Kritik an der shift-Analyse. Wie schon bei den Parametern der Strukturanalyse sind auch die Ergebnisse der shift-Analyse extrem abhängig von der gewählten regionalen und sektoralen Untergliederung. Je nach Aggregationsniveau kann die shift-Analyse ihr Ziel leicht verfehlen (Lauschmann 1976, III. Teil; Schätzl 1994, Kap. 3.1.2). Bei der shift-Analyse ist zudem das Zeitintervall der Untersuchung von großer Bedeutung und muss sorgfältig ausgewählt werden. Ein Vergleich von shift-Analysen aus unterschiedlichen Untersuchungen und verschiedenen Zeitintervallen ist äußerst problematisch und kann zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führen. Ferner ist die Prognosequalität der shift-Analyse grundsätzlich infrage zu stellen. Letztlich ist die shift-Analyse nur eine Methode, um Strukturen und Strukturveränderungen zu beschreiben. Eine wirkliche Erklärung der dahinterstehenden Ursachen muss jedoch durch eine weiterführende Analyse erfolgen.
4.5Globale Verflechtungen
Klassische wirtschaftsgeographische Analysen sind vielfach auf lokale, regionale oder nationale Wirtschaftsabläufe und Beziehungen fokussiert. Dies ist auf der einen Seite verständlich, da ökonomische Probleme oft lokalisiert sind und ihren Folgen durch territorial begrenzte Politikansätze (z. B. Regionalpolitik) entgegengewirkt wird. Auf der anderen Seite zeigen sich immer deutlicher auch die Grenzen einer solchen Sichtweise, da ökonomische Prozesse international und global organisiert sind und deshalb Bedingungen und Trends in anderen Ländern nicht unbeachtet bleiben können (Haas und Neumair 2006; Giese et al. 2011). Durch die zunehmende Integration weltweiter ökonomischer Bedingungen und Strukturen sind die Produktionskonstellationen in ausgewählten Untersuchungsregionen und -ländern systematisch abhängig von Nachfragetrends, Technologieentwicklungen sowie politischen und institutionellen Bedingungen in anderen Ländern rund um den Globus. Wirtschaftliche Krisen, wie die globale Finanzkrise in den Jahren nach 2007, politische Spannungen, wie etwa in Nordafrika und im Nahen Osten, oder das britische Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (Brexit) haben oft auch über große Entfernungen hinweg unmittelbare Auswirkungen auf eine Untersuchungsregion. Im Folgenden werden vor diesem Hintergrund Konzepte der Globalisierung sowie grundlegende Dimensionen globaler Verflechtungen und Beziehungen aufgezeigt.
4.5.1Grundkonzeption der Globalisierung
Globalisierung ist weder Zustand noch Ursache, sondern ein Prozess der Transformation des Zusammenhangs zwischen Territorium und der Organisation sozio-ökonomischer Beziehungen (Waters 1995, Kap. 1). Dieser Zusammenhang ist das zentrale Element der sozial- und