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Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin


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realitätsnahen Kontexten abzielen. Dennoch könnten die Überlegungen und Beispiele gelegentlich so wirken, als sei die Beschäftigung mit sprachlichen, grammatischen Aspekten „quite haphazard and unsystematic“, „a mere appendix“ oder sogar „superfluous“ (Niemeier, 2017, S. 35). Hauptsächlich dürfte dies daran liegen, dass meist keine oder nur wenig Diskussion darüber erfolgt, wie neue Strukturen im task cycle eingeführt bzw. erworben werden können, sondern dass implizit davon ausgegangen wird, dass die Lernenden formale Aspekte grammatischer Mittel entweder bereits beherrschen bzw. quasi nebenbei erwerben oder dass zumindest unklar bleibt, wann explizite Spracharbeit stattfinden soll.

      Das Bewusstsein für diese Problematik dürfte ein Grund sein, warum in der deutschen Debatte sprachlichen Aspekten bei der Aufgabenerfüllung tendenziell mehr Gewicht eingeräumt wird als in der internationalen Literatur. So wird wiederholt angesprochen, ob bzw. dass und wann ein expliziter Fokus auf Grammatik Teil einer Aufgabe sein soll (z. B. Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth, 2011, S. 220-223). Die stärkere Berücksichtigung expliziter Spracharbeit mag auch erklären, warum in der deutschen Fremdsprachendidaktik Aufgabenorientierung adaptiert wird: So wird der Ansatz des „task-supported language learning“ vertreten (Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth, 2011, S. 16); es werden Übungen, gelenktere „Lernaufgaben I“ bzw. auf situative, freie Interaktion abzielende „Lernaufgaben II“ unterschieden (vgl. Leupold, 2008), oder es wird von „the two learning targets, i. e., the communicative one and the grammatical one“ (Niemeier, 2017, S. 37) gesprochen. In diesen abwägenden Positionen, die beide Aspekte beachten wollen, spiegelt sich wohl die Erkenntnis, dass beides verbunden werden sollte.

      Damit diese wichtige Feststellung auch in der Praxis Wirkung entfalten kann, sind allerdings überzeugende Ausarbeitungen von Aufgaben nötig. Wenn aber – wie immer noch in manchen Lehrwerken – kein direkter Bezug zwischen Grammatik und Aufgabenerfüllung hergestellt wird, ist die Überzeugungskraft der Vorgehensweise eingeschränkt. Dasselbe trifft zu, wenn Aufgabenvorschläge auf idealisierenden Annahmen zum Ablauf verschiedener Phasen beruhen:

      Whereas the pre-task phase sets the stage for the communicative topic […] and already makes the learners subconsciously and passively familiar with the grammatical phenomenon […], the task itself stays within the communicative domain but demands the learners’ active use of the grammatical construction […] and the language focus acquaints the learners in a structured and inductive way with the form as well as with the meaning of the grammatical construction they already used during the task, ideally followed by a transfer to another word field or topic. (Niemeier, 2017, S. 37)

      Wenn das Beispiel für die Verbmorphologie bei der 3. Person Singular des Präsens (-s) sich darauf fokussiert, dass möglichst viele korrekte, aber extrem eng vorgegebene Sätze zu Vorlieben und Abneigungen in Bezug auf Pizzazutaten gebildet werden sollen (vgl. Niemeier, 2017, S. 88-91), dann ist zwar die Thematik schüler/innennah, so dass vielleicht ein Kommunikationsbedürfnis der Lernenden angesprochen wird. Die Durchführung erinnert aber an pattern drills der vorkommunikativen Zeit, auch wenn darüber hinaus eine Bewusstmachung der korrekten Struktur vorgesehen wird. Dies kann dann neben der völlig freien, ungehemmten Kommunikation ohne Fokus auf Korrektheit wie der andere Pol wirken, nämlich wie eine Rückkehr zu althergebrachten Verfahren, bei denen die Situation lediglich Vorwand für einen Fokus auf die korrekte Form ist.

      4.3 Ein Revival der Beschäftigung mit dem Üben

      In diesem Gesamtkontext ist es sehr wichtig, dass die Fremdsprachendidaktik sich der lange vernachlässigten Frage der Definition und der Rolle des Übens bzw. von Übungen beim Fremdsprachenlehren und -lernen in den letzten Jahren wieder vermehrt zugewandt hat. Besonders deutlich zeigt sich das darin, dass dieses Thema 2016 im Fokus der Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts stand (vgl. Burwitz-Melzer et al., 2016), wobei auf die Vielzahl der Aspekte hier nicht eingegangen werden kann. Besonders bedeutend erscheint allerdings im Rahmen der Kompetenzorientierung als Leitparadigma und somit auch für die Praxis der Unterrichtsplanung und -gestaltung die in vielen Beiträgen getroffene Feststellung, dass Üben als Zwischenschritt zum Fremdsprachenlernen und auch zum kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht gehören kann und muss. Klar tritt in vielen Beiträgen zutage, dass eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von unterrichtlichen Lern- und außerschulischen Verwendungssituationen nötig ist, das unausgesprochen vielen Grundannahmen zum kompetenzorientierten Unterricht ebenso wie zum Üben zugrundeliegt (vgl. auch Klippel & Caspari, 2013) und das auch die Frage des Transfers miteinschließt. Noch deutlicher wird formuliert, dass es verschiedene Vorstellungen vom Üben gibt, so dass noch eine genauere Bestimmung von Konzepten und Begriffen wie „Aufgabe“, „Übung“, „Kompetenz“, „Erwerb“, „Lernen“ oder „Anwendung“ wichtig erscheint. Casparis Fazit schneidet viele Aspekte anderer Beiträge an:

      Auch beim kompetenz- bzw. aufgabenorientierten Lernen müssen Schüler/innen üben, um sich sprachlich zu verbessern. Aber anders als im PPP-Ansatz tun sie es fokussiert und systematisch auf ein ihnen von Anfang an bekanntes, vergleichsweise enges kommunikatives Ziel hin. Und da in beiden Ansätzen die Bewusstheit, welche Ziele ein Übungsangebot verfolgt und welche Funktion ihm daher im Lernprozess zukommt, den Lernerfolg erhöhen sowie differenziertes Lernen und den Erwerb von Lernerautonomie unterstützen dürfte, sollte das konkrete Übungsziel m. E. bei jedem Übungsangebot, auch jeder einzelnen Übung in Lehrwerkeinheiten, angegeben werden. (Caspari, 2016, S. 48)

      5. Das Vermittlungsangebot einer multiperspektivischen Sicht auf Grammatik

      In diesem letzten Zitat wird deutlich, dass eine Vielfalt an Aspekten mitspielt, wenn man sich über das Verhältnis von Grammatik und Kommunikation im Fremdsprachenunterricht äußert. Wichtig wären hierbei auch die Meinungen der Lehrkräfte und noch viel interessanter die Sicht der Lernenden nicht nur auf bestimmte Übungen oder Aufgaben, sondern auch auf die Bedeutung, die sie selbst Grammatik und ihrer Bewusstmachung zuschreiben (vgl. Gnutzmann & Bohnensteffen, 2012). Wünschenswert ist auch eine größere Anzahl an empirischen Studien zur Wirksamkeit bestimmter Verfahren der Grammatikarbeit oder zum Interface von Grammatikwissen und Sprachkönnen. Ohne Anhänger von processability- oder teachability-Theorien sein zu müssen, könnte eine Orientierung an dem, was Lernende sich im Bereich der Grammatik wünschen und gleichzeitig auch leisten können, die Debatte entspannen, indem die grammatische Progression der Lehrwerke als ein Angebot unter vielen wahrgenommen wird. Ein anderes Angebot ist es, im Sinne der Lexikogrammatik Grammatik und die deutlich weniger kontroverse – wenn auch noch weniger in der Fremdsprachendidaktik beachtete – Lexik zu integrieren.

      Grammatik im Spannungsfeld von Korrektheit der Form und Relevanz für die Bewältigung von Kommunikationssituationen und Kommunikation im aktuellen Rahmen des Paradigmas der Kompetenzorientierung – dabei handelt es sich um ein Verhältnis, das immer noch offen ist. Vielleicht lässt sich diese Beziehung auch nicht endgültig klären. Zugrunde liegt ihr die Debatte über die Ziele des Fremdsprachenunterrichts, die trotz oder gerade wegen der gegenwärtig starken Setzung eines bestimmten Ansatzes nicht beendet ist und nicht vergessen werden darf. Auch wenn das Thema Grammatik wie schon in den vergangenen Jahrzehnten nicht zentral in der Fremdsprachendidaktik ist, so lassen die in den letzten Jahren etwas zahlreicheren Publikationen zu den sprachlichen Mitteln (vgl. u. a. Bürgel & Reimann, 2017) doch auf eine theoretisch fundierte und gleichzeitig praktikable Annäherung und Aushandlung zwischen Grammatik und Kommunikation hoffen. Für die alltägliche Unterrichtspraxis zentral und relevant ist dieses Verhältnis auf jeden Fall.

      Literatur

      Barkowski, Hans (2006). Grammatical competence and the concept of progression in the light of research on language acquisition and the working brain. In Theo Harden, Arnd Witte & Dirk Köhler (Hrsg.) The concept of progression in the teaching and learning of foreign languages (S. 45-52). Oxford: Peter Lang.

      Bausch, Karl-Richard, Burwitz-Melzer, Eva, Königs, Frank G., Krumm & Hans-Jürgen (Hrsg.) (2006). Aufgabenorientierung als Aufgabe. Arbeitspapiere der 26. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr.

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