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Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin


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und Sprachlehrforschung weder diese stark vereinfachende Gegenüberstellung noch die Grammatikvermittlung als generelle Herausforderung eine große Rolle zu spielen (vgl. Königs, 2011). Gleichzeitig wirkt die Grundannahme einer Unterordnung von Korrektheit der Formen unter freie, selbstbestimmte Kommunikation (vgl. Gnutzmann, 2005) auf der Ebene der Unterrichtspraxis weiter. Diese liegt beispielsweise einigen der Fragen zugrunde, die von Referendar/innen gemeinsam mit ihren Seminarlehrkräften in einem Forschungsprojekt formuliert wurden: „Ist ein kognitives Erarbeiten der isolierten Formen in einem kompetenzorientierten Unterricht zeitgemäß? […] Welchen Stellenwert haben einfache, geschlossene Aufgaben gegenüber offenen, kreativen Aufgaben?“ (Kolb & Angelovska, 2017, S. 328). Diese Fragen spiegeln viele Unsicherheiten über die Rolle von Grammatik im Fremdsprachenunterricht wider. Einige Facetten der gegenwärtigen Diskussion sollen im Folgenden für Englisch und Französisch als den beiden Fremdsprachen der Bildungsstandards gemeinsam angeschnitten werden. Zu vielen der ausgewählten Teilaspekte hat Daniela Caspari wichtige Impulse für den Französischunterricht, aber auch für den Fremdsprachenunterricht insgesamt gegeben.

      2 Sprachliche Mittel bei der Kompetenzorientierung in administrativen Dokumenten

      Die Fremdsprachendidaktik setzt sich inzwischen stark mit Kompetenzorientierung als dem dominanten Paradigma des Fremdsprachenunterrichts zu Beginn des 21. Jahrhunderts auseinander. Dies ist auch verständlich, denn der Kommunikative Ansatz und kompetenzorientierter Fremdsprachenunterricht weisen große Überschneidungen auf. Dennoch ist Kompetenzorientierung – ohne hier ihre Genese oder die Debatten darum nachvollziehen zu wollen – v. a. in bildungspolitischen und -administrativen Dokumenten verankert. Besonders starke Wirkung geht dabei aufgrund der Vereinheitlichungsbestrebungen im föderalen Bildungswesen von den Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss, den Mittleren Schulabschluss und die Allgemeine Hochschulreife aus. Genau dort findet sich auch wiederholt und explizit das Schlagwort von der „dienenden Funktion“ der sprachlichen Mittel, d. h. von Wortschatz, Grammatik, aber auch Intonation und Orthographie (vgl. KMK, 2003, S. 14; 2004, S. 13; 2012, S. 18).

      Die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife formulieren für die sprachlichen Mittel als untergeordnetem Teilbereich der funktionalen kommunikativen Kompetenz Kompetenzerwartungen wie „[d]ie Schülerinnen und Schüler […] können ein gefestigtes Repertoire der grundlegenden grammatischen Strukturen für die Realisierung ihrer Sprech- und Schreibabsichten nutzen“ (KMK, 2012, S. 18). Damit wird der Fokus auf die Sprachverwendung gelegt. Für die Unterrichtsebene bleibt aber die Frage nach dem konkreten Repertoire offen. Ebenso unbeantwortet ist die Frage nach dem Stellenwert korrekter Formbildung, die in der Unterrichts- und Prüfungspraxis immer die Gemüter bewegt, denn es herrscht weder Konsens darüber, was „gefestigt“ bedeutet noch ob und wie die kommunikativen Absichten tatsächlich verwirklicht werden. Die Hinweise auf „gelingende Kommunikation“ (KMK, 2012, S. 18) oder auf das Ziel von „differenziertem kommunikativem Sprachhandeln“ (KMK, 2012, S. 15) können und wollen diese Fragen nicht beantworten.

      Ähnlich gehen die Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss und den Hauptschulabschluss vor. Während auch dort erfolgreiches kommunikatives Handeln als Ziel zugrundeliegt, werden Kann-Beschreibungen formuliert, indem Satztypen wie Fragen, Aufforderungen, inhaltliche Kriterien wie zeitliche, örtliche oder logische Bezüge, aber auch einzelne grammatische Strukturen wie Aktiv/Passiv oder indirekte Rede und deren Funktion gelistet werden (vgl. KMK, 2003, S. 15; 2004, S. 14). Somit ist die Aussage, dass keine Listen angeführt werden (vgl. KMK, 2003, S. 14; 2004, S. 13) nicht ganz zutreffend, auch wenn die Bestimmung konkreter Grammatikinhalte den Ländern übergeben wird. Andererseits wird ein indirekter Versuch gemacht, auch Korrektheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, indem auf den GeR verwiesen wird (vgl. KMK, 2003, S. 14; 2004, S. 13). Dort wird zwar eine individuelle Entscheidung auf Anwendungsebene empfohlen, da eine grammatische Progression, die für alle Sprachen zuträfe, nicht möglich sei, gleichzeitig aber z. B. für B1 neben einem angemessenen Repertoire häufiger Strukturen auch Folgendes genannt: „reasonable accuracy“, „generally good control“ und „errors […] but it is clear what he/she is trying to express“ (Council of Europe, 2001, S. 114). Somit wird das Dilemma der grammatischen Progression (vgl. Barkowski, 2006) – sie ist oft de facto durch die Verwendung von Lehrwerken gesetzt und folgt oft eher Traditionen oder subjektiven Einschätzungen als spracherwerbstheoretischen Erkenntnissen oder linguistischen Überlegungen – an die einzelnen Lehrpläne weitergegeben. Verschiedene deutsche Länder bilden die in den Bildungsstandards propagierte „dienende Funktion“ der Grammatik daher auch unterschiedlich ab.

      So führt der bayerische LehrplanPLUS für alle Schulformen und alle Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I Listen von konkreten Grammatikphänomenen auf. In diesem Lehrplan werden grammatische Strukturen und ihre Funktionen bzw. Intentionen auf Deutsch beschrieben und im Anschluss die zugeordneten Phänomene in der Fremdsprache genannt, z. B.:

       beschreiben Handlungen, Abläufe und Gewohnheiten in der Gegenwart und sprechen über Vergangenes:Hilfs- und Modalverben: be, have (got), do; can, must, needn’t, mustn’tpresent tense simple / present tense progressivesimple past (BY, 2017/18)

      Ganz ähnlich geht der Kernlehrplan in Nordrhein-Westfalen vor, allerdings ist hier eine größere Offenheit dadurch gegeben, dass lediglich Kompetenzerwartungen für das Ende der Sekundarstufe I formuliert werden, die als fachliche Konkretisierung einzelne Strukturen nennen (vgl. NW, 2019). Im Berliner und Brandenburger Rahmenplan, der für alle Fremdsprachen gemeinsam gilt, wird die größtmögliche Öffnung präsentiert, indem lediglich angelehnt an die GeR-Stufen Kann-Beschreibungen auf verschiedenen Anforderungsstufen formuliert werden wie: „in vertrauten Alltagssituationen und zu bekannten Themen erfolgreich sprachlich agieren und bei der Verwendung eines größer werdenden Repertoires sprachlicher Mittel zunehmend Sicherheit erlangen [orientiert an A2/GeR]“ (BE & BB, 2015, S. 29). Konkretere Bestimmungen werden den schulinternen Curricula und den Lehrwerken überlassen. In allen Beispielen wird versucht, die Funktion von Grammatik für die Kommunikation darzustellen. Durch das Aufführen von Kann-Beschreibungen wird angedeutet, dass Sprachkönnen vor Sprachwissen und eigenständige Anwendung vor angeleitetes Lehren gestellt wird, während Inventare in Listenform dieser Schwerpunktsetzung nur unzureichend entsprechen.

      3 Lösungsvorschläge auf der unterrichtlichen Ebene

      Administrative Dokumente können nicht mehr als generelle Leitlinien bieten, nicht aber auf die Fragen eingehen, die sich viele Lehrkräfte in Bezug auf Ziele, Inhalte, Methoden und Materialien des Grammatikunterrichts stellen. Somit mag man sich eher aus aktuellen Lehrbüchern Antworten auf das Verhältnis zwischen Grammatik und kompetenzorientiertem Fremdsprachenunterricht erhoffen. Dabei zeigt bereits ein Blick in die Inhaltsverzeichnisse einiger Englisch- und Französischlehrbücher, die ab dem zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts erschienen sind, dass der schon in der Vorgängergeneration gewählte funktional-notionale Ansatz fortwirkt. Dabei ist es unerheblich, ob die Spalten im Inhaltsverzeichnis mit „Kommunikation“, „(Kommunikative) Kompetenzen“, „Kommunikative Schwerpunkte“ oder „(Lern-)Inhalte“ überschrieben sind: Alltägliche Situationen, angenommene Kommunikationsbedürfnisse, Sprachfunktionen und grammatische Strukturen werden einander mehr oder weniger deutlich zugeordnet. So ist die Verbindung von der Vorstellung einer Familie und der Einführung von Possessivpronomen noch recht einsichtig. Weniger kommunikativ überzeugend ist die Einführung von Mengenangaben bei der Beschreibung des Wohnortes oder die Verbindung von Modalverben mit der Planung einer Geburtstagsfeier. Über den konkreten, im Lehrbuch gewählten Zusammenhang hinaus lässt sich mit derartigen Zuordnungen recht wenig über das Verhältnis von Grammatik und Kommunikation aussagen.

      Sobald es an die Begegnung mit bzw. den Erwerb von neuen grammatischen Strukturen geht, setzen sich ebenfalls bekannte Traditionen der Grammatikvermittlung fort. In den Lektionen der aktuellen Lehrbücher der Schulbuchverlage wird anhand eines konstruierten Textes die neue Struktur eingeführt. Deren Form und Funktion soll von den Lernenden meist induktiv erschlossen werden, ggf. folgt ein etwas deutlicherer Fokus auf die Form. Es schließen sich geschlossene Übungen an, z. B. Satzumformungen oder Lückentexte, die eine einzige