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Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin


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gibt es auch freiere Angebote, welche die Lernenden als sie selbst sprechen oder schreiben lassen, z. B. indem die Lernenden Dialoge über persönliche Themen führen, bei denen sie eine bestimmte Struktur verwenden müssen. Es scheint sich um bewährte Formate zu handeln, die von Lehrkräften gewünscht werden und die für Lernende nachvollziehbar sind. Somit zeigt sich, dass relativ explizite, formfokussierte Grammatikvermittlung immer noch ein Angebot an die Praxis ist.

      Im Unterschied zu den Vorgängerlehrbüchern der Schulbuchverlage finden sich gegen Ende der einzelnen Lektionen eine oder mehrere Lernaufgaben. Selbst wenn diese, wie in manchen Lehrbüchern üblich, bereits zu Lektionsbeginn unter Nennung möglicher sprachlicher Mittel angekündigt werden, bleibt meist offen, ob ganz bestimmte Strukturen verwendet werden müssen oder lediglich verwendet werden können. Letzteres entspräche dem realistischen, außerschulischen Sprachgebrauch, in dem Themen, Absichten oder Sprechakte auf unterschiedliche Weise versprachlicht werden können. So scheinen die neuen, der Kompetenzorientierung verpflichteten Schulbücher viel deutlicher als Werke der kommunikativen Ära die Prinzipien der An- und Verwendung von Sprache zu realisieren und somit Grammatik der Kommunikation unterzuordnen. Gleichwohl kann eine gewisse Beliebigkeit der Lernaufgaben, die sich nicht immer konsequent aus der Lektion ergeben, sowie ihre Position am Ende der Lektionen ihre eigentlich wichtige Bedeutung wieder einschränken. Lehrkräfte und Lernende können sich fragen, ob es sich um eine schöne Zusatzaktivität handelt, die bei freier Zeit durchgeführt werden kann bzw. inwieweit die Lerninhalte der Lektion für die Bewältigung der Aufgabe überhaupt nötig und relevant sind.

      Diese Unsicherheit kann verstärkt werden, wenn sprachliche Mittel nicht mehr explizit und separat in Leistungserhebungen geprüft werden, sondern die Verwendung der sprachlichen Mittel lediglich eine Teilbewertung bei den produktiven Kompetenzen erfährt. Ein Beispiel dafür sind die Musteraufgaben für Englisch in der Sekundarstufe I aus Niedersachsen, in denen die Überprüfung sprachlicher Mittel in dem Kapitel „Mündliche und andere fachspezifische Leistungen“ (NI, 2020, S. 206) am Ende des Materialbandes nur gestreift wird, während die Formate, welche die fünf kommunikativen Kompetenzen abprüfen, ausführlich dargestellt werden. Dass die Beherrschung dieser Kompetenzen das Unterrichtsziel ist, dürfte unstrittig sein. Der Weg dorthin ist für Lehrende – und vielleicht auch für Lernende – so jedoch nur schwer erkennbar, besonders wenn die Lehrwerke weiterhin dem traditionellen Dreischritt Einführung – Übung – Anwendung verhaftet bleiben.

      Dagegen setzt es sich eine Handreichung aus Berlin und Brandenburg explizit zum Ziel, Grammatik und Kommunikation gleichermaßen zu berücksichtigen. Sie geht davon aus, dass die „dienende Funktion der Grammatik […] am deutlichsten im Stellen einer Aufgabe, zu deren Bearbeitung die Schüler/innen bestimmte grammatikalische Kenntnisse […] benötigen“ (LISUM, 2011, S. 9), umgesetzt wird. Für Französisch bezieht sich der Unterrichtsvorschlag auf die Stellung und Deklination von Adjektiven, die in eine Teilnahme an einer Modenschau integriert ist (vgl. LISUM, 2011, S. 13). Dabei erfolgt zuerst die inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser fiktiven Situation, indem die Lernenden einen anspruchsvollen authentischen Text lesen und Fragen zum Leseverstehen beantworten, die sie auf die Aufgabe einstimmen. Anschließend erarbeiten sie sich mithilfe weiterer authentischer Texte induktiv und auf Deutsch die Regeln für die Stellung von Adjektiven und die verschiedenen Genus- und Numerus-Formen (vgl. LISUM, 2011, S. 13). Zuletzt sollen die Lernenden ihre neu erworbenen grammatischen Erkenntnisse bei der inhaltlichen und sprachlichen Bewältigung der Aufgabe – Entwurf und Beschreibung eines Outfits – verwenden. In dieser schüler/innennahen und altersgerechten Aufgabe wird versucht, Grammatik dem durchgängigen thematischen Fokus unterzuordnen. Bei diesem relativ eindeutigen Aspekt der Grammatik ist dies recht leicht zu bewerkstelligen. Bei einem schwierigeren grammatischen Phänomen wäre allerdings vielleicht der Schritt von der Bewusstmachung zur freien Anwendung etwas groß. Auch schwankt das Raster für die Einschätzung der Leistung zwischen inhaltlichen Kriterien (z. B. „explique le style“ oder „décrit tous les vêtements et accessoires“), offenen sprachlichen Kriterien („utilise des adjectifs“) und recht restriktiven sprachlichen Kriterien („respecte les règles pour la position et la forme des adjectifs“ bzw. „n’a pas fait de fautes d’orthographe“) (LISUM, 2011, S. 32). An dieser Stelle wäre zumindest ein Hinweis zur Gewichtung hilfreich.

      4 Einige Impulse aus der deutschen Fremdsprachendidaktik

      Wenn sich nun in den Dokumenten und Materialien, auf die sich Lehrkräfte in ihrer Praxis direkt beziehen, verschiedene Ansätze nebeneinander finden, so kann es interessant sein, in der Fremdsprachendidaktik nach weiteren Erkenntnissen zu suchen. Wie schon im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre festgestellt wurde, ist Grammatik – abgesehen von einer Vielzahl an konkreten Unterrichtsvorschlägen – in der deutschen Fremdsprachendidaktik oft ein eher zurückhaltend behandeltes Thema (vgl. Rösler, 2007; Königs, 2011). Einige, durch die relativ geringe Zahl umso hervorstechendere Positionen sollen im Folgenden herausgegriffen werden, wobei sich durchaus unterschiedliche Tendenzen in der Englisch- und Französischdidaktik zeigen.

      4.1 Appelle an die „dienende Funktion“ der Grammatik

      Besonders auffällig ist, dass das Schlagwort von der „dienenden Funktion“ der Grammatik vorwiegend in der Französischdidaktik verwendet wird (z. B. Caspari, 2009; Schmelter, 2013; Koch, 2015). Oft wird auch eine Erklärung mitgeliefert, warum eben diese untergeordnete, unterstützende Funktion so explizit dargestellt wird: Französisch steht noch immer im Ruf, ein grammatiklastiges, schwieriges Schulfach zu sein, was möglicherweise die hohe Zahl an Lernenden erklärt, die Französisch nach der Pflichtbelegung abwählen (vgl. Caspari, 2009, S. 74). Daher mag es für den Französischunterricht immer noch eher geboten erscheinen, der Grammatikvermittlung in Anlehnung an Tendenzen im Englischunterricht weniger Bedeutung zuzuweisen: Er erhält traditionell aufgrund des Formenreichtums der französischen Sprache und des großen Gewichts der Sprachnorm im Französischen, aber auch aufgrund einer gewissen Klarheit, Eindeutigkeit und Einfachheit für Unterrichts- und Prüfungsgestaltung sowieso (zu) viel Gewicht (vgl. v. a. Schmelter, 2013, S. 76f.). Stattdessen wird auf die Orientierung an „kommunikativen Absichten“ (Caspari, 2009, S. 77), die „Bewältigung kommunikativer Aufgaben“ (Schmelter, 2013, S. 78) oder die „lebensweltliche Nützlichkeit“ (Koch, 2015, S. 4) verwiesen.

      Die drei hier angeführten Veröffentlichungen zeigen insofern große Parallelen, als sie die Fokussierung der Lehrbücher auf eine grammatische Progression bzw. den traditionellen Dreischritt bei der Vermittlung von Grammatik problematisieren (vgl. Caspari, 2009, S. 77; Schmelter, 2013, S. 78f.; Koch, 2015, S. 4f.). Caspari, in deren Beitrag zur Kompetenzorientierung des Französischunterrichts Grammatik nur ein Teilaspekt ist, hebt besonders auf „beiläufiges“ Lernen sprachlicher Formen im Rahmen der inhaltlichen Auseinandersetzung mit nicht-didaktisierten Texten ab und verweist dabei auf den Ansatz der Aufgabenorientierung (vgl. Caspari, 2009, S. 78). Auch Schmelter fordert „kommunikative und bedeutsame produktive Aufgaben“ (Schmelter, 2013, S. 83). Gleichzeitig mahnt er – auch unter Verweis auf empirische Studien zur Wirksamkeit von Verfahren, aber auch zu angenommenen Erwerbssequenzen – besonders im Anfangsunterricht eine Beschränkung von Grammatik und eine Toleranz gegenüber falschen Formen an (vgl. ebd., S. 84). Koch versucht noch stärker, alle Aspekte, die Lehrkräfte beschäftigen, unter einen Hut zu bringen, indem sie „Flüssigkeit, Korrektheit und Elaboriertheit“ (Koch, 2015, S. 6) gleichermaßen nennt und neben dem Ziel der inhaltsorientierten Kommunikation auch die „Verbesserung des sprachlichen Outputs“ (ebd., S. 4) durch verschiedene methodische Verfahren nennt.

      4.2 Potentiale und Grenzen der Aufgabenorientierung

      Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Kompetenzorientierung ist die schon länger beachtete Aufgabenorientierung (vgl. Bausch et al., 2006) stärker in den Vordergrund getreten. Die Englischdidaktik (vgl. z. B. Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth, 2011, S. 35-56) interessiert sich deutlich für diesen Ansatz, aber auch in der Französischdidaktik findet er in den letzten Jahren immer mehr Resonanz (vgl. z. B. Caspari, 2009, S. 77). Dabei zeigt bereits eine kursorische Durchsicht wichtiger Publikationen, dass die Diskussion in der deutschen Fremdsprachendidaktik im Vergleich zur internationalen Literatur durchaus etwas anders verläuft.