Stefan Storr

Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht


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Funktionieren des Binnenmarktes verbessern. Ausdrücklich ist in Art. 114 AEUV bestimmt, dass Unionsmaßnahmen der Verwirklichung der Ziele des Art. 26 AEUV dienen müssen. Gemäß Art. 26 Abs. 2 AEUV, der die erforderlichen Maßnahmen für die Verwirklichung des Binnenmarktes zum Gegenstand hat, umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist. Eine allgemeine Kompetenz widerspräche dem Wortlaut dieser Bestimmung. Nicht zuletzt der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art 5 Abs. 1 und 2 EUV) steht einer Auslegung, die allein auf die Binnenmarktrelevanz abstellt, entgegen.

      Nicht auf Art. 114 AEUV gestützt werden können Bestimmungen über die Freizügigkeit (Art. 114 Abs. 2 AEUV). Soweit daher der freie Personenverkehr insbesondere im Bereich der Dienstleistungsfreiheit betroffen ist (zB Werbeagenturen), kann nicht Art. 114 Abs. 1 AEUV als Rechtsgrundlage herangezogen werden, wenn die betreffende Dienstleistung die Freizügigkeit betrifft. Eine Harmonisierung von Regelungen zu Dienstleistungen kommt dann nur nach Art. 53 Abs. 1 AEUV iVm Art. 62 AEUV in Betracht (s. unten V.).

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      2. Abbau von Behinderungen der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts

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      Eine Beschränkung des Binnenmarktes ist durch Hemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen möglich, die aus unterschiedlichen nationalen Vorschriften resultieren.

      Die Beseitigung von Hemmnissen des freien Warenverkehrs: Für die Frage, inwieweit mit der Süßigkeitenwerbeverbotsverordnung Hemmnisse des Binnenmarkts aufgehoben werden sollen, ist zu unterscheiden zwischen den Süßigkeitenprodukten selbst, Waren und Dienstleistungen, die zwischen den Mitgliedstaaten gehandelt werden und nicht ausschließlich als Medien für die Werbung zur Absatzsteigerung der Süßigkeiten dienen (zB Zeitungen und Zeitschriften), und Waren und Dienstleistungen, die im Einzelfall ausschließlich als Medium der Werbung für Süßigkeiten dienen (Plakate, Kinowerbung).

      (1. Gruppe der Hersteller von Süßigkeiten) Mitgliedstaatliche Werbeverbote hemmen den Vertrieb von Süßigkeiten; ein unionsweites Süßigkeitenwerbeverbot fördert den Handel mit diesen Erzeugnissen nicht. Zur Beseitigung von Hemmnissen des Binnenmarkts für Süßigkeiten kann die Süßigkeitenwerbeverbotsverordnung deshalb nicht auf Art. 114 AEUV gestützt werden.

      (2. Gruppe der Presseunternehmen und anderer Medien, die nicht ausschließlich für die Werbung zur Absatzsteigerung von Süßigkeiten eingesetzt werden) Kein Mitgliedstaat hat bisher ein Einfuhrverbot oder Einfuhrbeschränkungen für Presseunternehmen und andere Medien, die nicht ausschließlich für die Werbung zur Absatzsteigerung von Süßigkeiten eingesetzt werden, beschlossen. Das gilt auch für Mitgliedstaaten, in denen diese Werbung untersagt ist. Zwar unterliegt die Ein- und Ausfuhr von Presseerzeugnissen und anderen Medien der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV und Art. 35 AEUV), eine Beschränkung dieses Marktes durch einzelne Mitgliedstaaten kann aber nicht ausgeschlossen werden, insbesondere weil Art. 36 AEUV Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit aus Gründen des Gesundheitsschutzes zulässt. Wegen der Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften, die zu einer immer stärkeren Beschränkung der Werbung für Süßigkeiten führt und der Überzeugung entspricht, dass diese Werbung den Süßigkeitenkonsum spürbar erhöht, erscheint es sogar als wahrscheinlich, dass künftig Hindernisse für den freien Verkehr von Presseerzeugnissen und anderen Medien entstehen werden.

      Die Verhinderung dieser möglicherweise künftigen Hemmnisse der Presseerzeugnisse und anderer Medien fördert den Binnenmarkt in diesem Bereich. Das genügt, um eine Regelungskompetenz der Union insoweit zu begründen.

      (3. Gruppe der Medien, die ausschließlich für die Werbung zur Absatzsteigerung von Süßigkeiten eingesetzt werden) Anders für die übrigen Formen von Werbung für Süßigkeiten: Entsprechende Verbote von Werbung auf Plakaten, Sonnenschirmen und Fahnen stellen sicherlich ein Hemmnis für den Binnenmarkt dieser Produkte dar. Im Gegensatz zu den nichtausschließlichen Werbeträgern würde ein unionsweites Süßigkeitenwerbeverbot den Handel mit den betroffenen Erzeugnissen aber nicht fördern, sondern weiter beschränken. Hier betrifft das Verbot das Medium selbst. Hemmnisse für den freien Verkehr von Werbeträgern in diesem Werbesektor können durch ein umfassendes Süßigkeitenwerbeverbot folglich auch nicht beseitigt werden.

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