und Krawatte verloren und ich half ihm schnell aus seinem übrig gebliebenen Hemd und der Hose. Neil war währenddessen damit beschäftigt, mich meiner Hose und meines Pullovers zu entledigen. Er lachte kurz auf.
»Was ist?«
»Du kleidest dich wie ein Opa«, flüsterte er mir zu.
»Ich mag den Pullover.«
»Er ist älter als du.«
»Ich versuche nicht, einen Fashion-Wettbewerb zu gewinnen.«
Kleidung einzukaufen, war sehr stressig für mich. Kaufhäuser waren zu hell und es gab offensichtlich ein Konzept von „sich beißenden Farben“. Wenn ich neue Kleidung brauchte, ging ich idealerweise mit meinem Dad zu einem Secondhandladen und ließ ihn ein paar Kleidungsstücke in Farben aussuchen, von denen er sagte, dass ich nichts falsch machen könnte, wenn ich sie mit anderen Farben kombinierte. Wir brauchten im Normalfall nur zehn Minuten.
»Wir kaufen dir bald einen schöneren Pullover«, sagte Neil und begann, meinen Nacken zu küssen.
»Ich mag den aber«, antwortete ich.
»Er ist vom Wohltätigkeitsladen.«
»Ja und? Ich muss keine dreihundert Dollar für einen ‚Ralph Lauren’-Pullover ausgeben, wenn mich der hier wunderbar warm hält.«
»Bist du fertig, Sebby?« Neil starrte mich eindringlich an. »Willst du dich jetzt gerade wirklich streiten?«
Das wollte ich natürlich nicht. Ich war es leid, ständig zu streiten. Ich hasste es, dass jedes unserer Gespräche damit endete, dass einer von uns frustriert war. In fast kompletter Dunkelheit starrte ich Neil an und auf einmal überkam mich ein bekannter, aber furchtbarer Gedanke. Ich war nicht die Person, die Neil wirklich wollte. Wir stritten uns nur noch wegen Kleinigkeiten wie meinem Pullover. Wieso war es ihm so zuwider, dass ich etwas trug, das schon ein bisschen abgenutzt war? Er wollte, dass ich immer chic und modisch auftrat, so wie sein verdammtes Auto.
»Seb?«
Schnell schüttelte ich den Kopf, legte meine Arme um seinen Hals und küsste ihn. Vorsichtig strich ich ihm durch die Haare und versuchte, die von mir zerstörte Atmosphäre wiederherzustellen.
Wann hat sich unsere Beziehung so verändert?
Er schubste mich aufs Bett und küsste meine Brust und meinen Bauch entlang.
Vielleicht, als wir zusammengezogen sind.
Neil drehte mich sanft auf den Bauch und ich hörte das Klacken einer Plastikflasche, bevor ein warmer, öliger Finger seinen Weg in mich fand.
Wann bin ich so defensiv geworden? So bitter und nachtragend meinem Partner gegenüber?
Seine Hände waren an meiner Hüfte und er hob mich leicht an, bevor er unsanft in mich eindrang.
Als er anfing, in mich zu stoßen, biss ich die Zähne zusammen.
Ich mag nicht, wer ich geworden bin.
Kapitel Zwei
»Wir erleben gerade rekordverdächtige Schneefälle in New York City. Experten gehen davon aus, dass es den ganzen Dezember so weitergeht«, meldete der Meteorologe im Fernsehen am nächsten Morgen.
Ich saß an einem kleinen Tisch im Wohnzimmer und hatte meine Augen fest auf den Fernseher gerichtet, während ich dabei war, eine Schüssel Cornflakes zu vernichten und meinen morgendlichen Kaffee zu trinken. Es war definitiv ein Tag, um meine liebste Tasse herauszukramen. Auf ihr war die Grinsekatze aus Alice im Wunderland zu sehen, und wenn sie heiß wurde, verschwand die Katze und nur das breite Grinsen blieb übrig.
Es ist das seltsamste Ding, das ich je gesehen habe!
»… dreißig Zentimeter über Nacht und wir gehen davon aus, dass den Tag hindurch noch mal mindestens das Doppelte dazukommt. Anwohner werden deshalb gebeten, zu Hause zu bleiben. Wir erwarten Windböen von sechzig Stundenkilometern in Manhattan und umliegenden Gebieten. In Long Island können diese sogar mit bis zu neunzig Stundenkilometern durch die Straßen fegen.«
Während ich mir einen weiteren Löffel voll labbriger Cornflakes in den Mund schob, grunzte ich die Frau im Fernsehen an. Ich hatte Max bereits eine SMS geschickt und ihm gesagt, dass er auf keinen Fall zur Arbeit kommen sollte. Der öffentliche Nahverkehr war komplett eingestellt worden, nachdem der Bürgermeister in einer Ansprache vor dem Wetter gewarnt und seine Sicherheitsbedenken bekundet hatte. Die Stadt, die niemals schlief, war zum kompletten Stillstand gekommen.
Statt mich also in den Schneesturm zu begeben, griff ich nach dem Buch, das auf dem Tisch lag, und schlug es an der mit Lesezeichen markierten Stelle auf. Ich nahm eine meiner vielen Lupen zur Hand und fing an, zu lesen, bis Neil aus dem Schlafzimmer kam. Er war gerade dabei, in seine Anzugjacke zu schlüpfen, und sah mich kritisch an.
»Cornflakes und Mystery?«
»Japp«, murmelte ich, bevor ich von der Seite aufsah und ihn anblickte. »Mörder warten nicht bis nach dem Frühstück, Watson.«
Neil verzog das Gesicht. »Du bist nicht Sherlock.« Er zeigte auf die Schüssel vor mir. »Das ist purer Zucker.«
»Ich werde dran denken, demnächst mal zum Zahnarzt zu gehen«, konterte ich und aß einen weiteren Löffel Cornflakes.
Er ignorierte meinen Kommentar, was gut war, denn das hätte unweigerlich zu einer weiteren Auseinandersetzung geführt. »Du bleibst heute zu Hause, richtig?«
»Ja, Max kann sowieso nicht in die Stadt kommen.« Ich hatte mir fest vorgenommen, den Tag zu nutzen, um die Kartons neuer Ware durchzugehen, die ich in der ganzen Wohnung verteilt hatte. Aber bisher hatte mich die übliche Begeisterung noch nicht gepackt. Früher hatte ich mich voller Enthusiasmus in meine Arbeit gestürzt und es geliebt, mich durch Schätze zu wühlen, die so viel Geschichte in sich trugen. Nun war es, als hätte jemand einen Becher über eine Flamme gestülpt und den ganzen Sauerstoff genommen. Ich vermisste die Aufregung. Irgendwie fühlte ich mich nicht mehr wie derselbe Sebastian, der ich am Anfang des Jahres gewesen war. Ehrlich gesagt war ich nicht mehr derselbe Sebastian, seit Neil bei mir eingezogen war. »Ich glaube, dass Mike etwas Ähnliches passiert ist wie mir«, bemerkte ich nebenbei. Ich legte die Lupe weg und öffnete die Cornflakesschachtel, um meine Schüssel aufzufüllen.
»Was?« Neil war gerade dabei, seine Haare in Form zu bringen, und stand vor dem Spiegel neben der Eingangstür.
»Ich meine nur, wenn die Detectives, die gestern im Imperium waren, auch zu seinem Einbruch gerufen wurden …«
»Hör auf, Sebby. Du verschwendest nur deine Zeit, wenn du darüber nachdenkst.«
»Wie kannst du das nicht seltsam finden?«
»Tue ich, aber Detective Lancaster hat recht. Es hat kein Verbrechen stattgefunden.«
»Jemand ist eingebrochen.«
»Da haben wir gestern schon darüber geredet.«
Ich verrührte die neuen Cornflakes in meiner Schüssel mit der noch übrig gebliebenen Milch. »Eine kurze Unterhaltung mit Mike würde das alles aufklären.«
»Seb, ich mein’s ernst.« Neil drehte sich zu mir um und sah mich eindringlich an. »Wenn du zu ihm rübergehst, werde ich dich ganz sicher nicht vom Gefängnis abholen, wenn sie dich verhaften.«
»Gut zu wissen, wo für dich die Grenzen in unserer Beziehung sind.«
Neil schüttelte den Kopf und schnappte sich seine Jacke und Schuhe. »Ich gehe.« Er sah mich noch mal an. »Geh nicht zu Mike.«
»Ja, Herr Gefängnisdirektor«, murmelte ich und hob meine Hand, um ihm zu salutieren. »Wirst du anrufen, um sicherzustellen, dass ich meine Ausgangssperre einhalte?«
»Süß, Sebby.« Er öffnete die Tür. »Sei brav.«
»Ich bin keine zwölf Jahre alt mehr, Neil«, rief ich ihm hinterher, aber er schloss die Tür, während ich sprach. Einen Moment später