Christoph Franceschini

Segretissimo, streng geheim!


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finanzielle Entschädigung aus Pullach schließen lässt.

      Im Frühjahr 1963 berichtet „V-7331“ über eine Aussprache mit Viktoria Stadlmayer, in der diese über Norbert Burger herzieht. Im BND-Bericht heißt es:

       Er ist nach einwandfreien Informationen Verbindungsmann für ehemalige SS-Leute, die von der SBZ aus über Bayern nach Oberösterreich gesteuert werden. Von dieser Gruppe werden die Sprengstoffanschläge in Italien organisiert und durchgeführt. Mit einer Verstärkung dieser Sprengstoffanschläge ist zu rechnen, da sie ein Teilglied einer Ostaktion gegen die EWG einerseits bilden und andererseits einen italienischen Einspruch hervorrufen sollen, der die österreichische EWG-Mitgliedschaft verhindert.47

      Viktoria Stadlmayer echauffiert sich laut diesem Bericht bei Otto von Eiselsberg alias „V-7331“, dass sie „um dringenden Kontakt zur Firma gebeten habe“, diese sich aber nicht gemeldet hätte. Innerhalb des BND ist „Firma“ die gängige Bezeichnung für den Nachrichtendienst selbst. Stadlmayer ersucht Otto von Eiselsberg, unmittelbar einen ihr bekannten Mitarbeiter des BND zu kontaktieren: „Dr. Ohlendorf“. Im Bericht heißt es dann weiter:

      Jedoch wies V-7331 wahrheitsgemäß darauf hin, dass sein letzter Kontakt zu diesem vor etwa sechs oder sieben Jahren bestanden hat und er daher kaum eine Möglichkeit sieht, ihrem Wunsch heute zu entsprechen. Die Verbindung V-7331-Ohlendorf war kein ND-Kontakt [ND = Nachrichtendienst – Anm. d. Autors], sondern im Zusammenhang mit irgendwelchen Freimaurer-Angelegenheiten entstanden. […] V-7331 kann sich Frau Dr. St. gegenüber nicht exponieren.48

      Hier fällt auf, dass der Sachbearbeiter, der über 50 Jahre später für den Autor die Akten zur Einsicht in Pullach aufbereitet, etwas geschlampt hat. Er hat nämlich vergessen, das „Frau Dr. St.“, das für Viktoria Stadlmayer steht, wie vorgesehen zu schwärzen.

      Stadlmayers Wunsch hat einen klaren Hintergrund. Dr. Gert Ohlendorf (*1910), DN „Oheimb“ und Tarnnummer „V-54“, ist einer der ältesten Mitarbeiter von Reinhard Gehlen. Der Arzt stößt als einer der Ersten bereits 1946 zur Org. „Oheimb“ arbeitet danach bis zu seiner Pensionierung 1975 für den BND, tätig in der Abteilung „Sonderverbindungen“. Er ist es auch, der sechs Jahre zuvor auf Weisung von Reinhard Gehlen jene Operation leitet, mit der Ferdinand von Cles in die USA geschickt werden soll, um für Südtirol Stimmung zu machen. Spätestens damals dürften sich Stadlmayer und Gert Ohlendorf kennengelernt haben.

      Der BND bemüht aber keinesfalls „Oheimb“, sondern es ist wiederum die Gehlen-Vertraute Annelore Krüger, die sich am 21. April 1963 mit Stadlmayer trifft. „Stasi“ kann dabei außer einigen Zeitungsberichten aber keine konkreten Beweise für die angebliche Oststeuerung der Attentate vorlegen. Zwei Jahre später wiederholt sich die Geschichte. „V-7331“ meldet am 21. Juni 1966 nach Pullach:

      Die Südtirol-Referentin in der Tiroler Landesregierung, eine durchaus seriöse Persönlichkeit, Frau Dr. Victoria Stadlmayer – seit Jahrzehnten auch bekannt und befreundet mit dem Südtirol-Exponenten in der Bundesregierung in Wien, C. Bobleter – hat dem Berichter, mit dem sie ebenfalls durch Abstammung und Erziehung seit Kindheit verbunden ist – expressis verbis unter vier Augen gesagt, dass sie selbst nunmehr endlich die Beweise dafür in der Hand habe, dass es die SBZ sei, die immer wieder im Südtiroler Raum Unruhe stifte.

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      Vermerk über Treffen mit „Stasi“: „Übergab Berichte und Zeitungsausschnitte.“

       Ihr seien die Namen zweier männlicher Personen bekannt, von denen der eine ein 20-jähriger Innsbrucker Student sei, dem ein Angehöriger der sogen. „DDR“ Ös 20.000,– versprochen habe, wenn er entweder in Südtirol einen Hochspannungsmasten sprenge oder einen Mikrofilm (Spielmaterial?) aus Triest nach Tirol schmuggle. Der Student habe, nach eingehender Befragung durch Frau Dr. Stadlmayer, den Namen des SBZ-Mannes preisgegeben. Die Südtirol-Referentin war im Zweifel, ob sie den Fall der österreichischen Staatspolizei bekannt geben und Verfolgung einleiten lassen solle – oder lieber einen zur Verfügung stehenden „Draht” nach München benützen solle. Es wurde ihr vom Berichterstatter zum Zweiten geraten – auch in Anbetracht der stark rötlich durchsetzten österr. Polizei.49

      Auch diesmal ist es die Aufgabe von Annelore Krüger, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. „Frl. Kunze wird Stasi ins Gebet nehmen und um nähere Angaben zur Sache bitten“, heißt es in einer handschriftlichen Anmerkung zum Bericht. Auch diesmal kommt dabei aber nicht viel heraus.

      Viktoria Stadlmayer scheint von der Idee der Oststeuerung wie besessen. Im April 1968 wiederholt sie ihre Auffassung, dass östliche Kräfte hinter den Anschlägen in Südtirol stehen. Otto von Eiselsberg („V-7331“) leitet die Stadlmayer-Aussagen in einem langen Bericht nach Pullach weiter:

       Die österreichische Staatspolizei ermittelt seit einigen Monaten gegen die wirklichen Hintermänner der sogenannten Südtirol-Terroristen, die mit Sprengstoffanschlägen die italienischen Sicherheitsorgane seit längerer Zeit in Atem halten. Hauptaugenmerk hierbei sind die Verbindungen dieser Männer zu Oststaaten. Die Ermittlungen sind im Großen und Ganzen erfolgreich gewesen und werden in wenigen Wochen abgeschlossen sein.50

      Stadlmayer behauptet, in die Ermittlungsakten der Staatspolizei Einsicht genommen zu haben. Aus diesen Akten gehe hervor, dass sich die östlichen Dienste dabei eines Kreises „supernationaler Österreicher“ bediene, die aus der früheren NSDAP oder dem „Sicherheitsdienst des Reichsführers SS“ (SD) stammen sollen. Die Innsbrucker Landesbeamtin gibt dann konkrete Details und Namen der verwickelten Personen weiter, darunter Norbert Burger, Hermann Munk, Erhard Hartung von Hartungen junior, Peter Kienesberger, Karl Schafferer und Hansjörg Humer.

      Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat sich die Stimmung in Pullach aber grundlegend geändert. Reinhard Gehlen wird im Frühjahr 1968 als Leiter des BND von Gerhard Wessel abgelöst und geht mit 1. Mai 1968 in Rente. Damit verblasst auch der Stern der Innsbrucker Informantin „Stasi“ in Pullach. Die Dienststelle „Politische Auswertung“ im „Strategischen Dienst“, die Otto von Eiselsberg führt, antwortet sichtlich genervt, „dass sie kein Interesse an Mutmaßungen habe. Augenscheinlich lägen keine Beweise vor, da diese von der österreichischen Regierung zu ihrer Entlastung zweifellos benutzt worden wären.“51 Auch Annelore Krüger scheint mit ihrem Latein am Ende. Die Gehlen-Vertraute schreibt an den „Strategischen Dienst“:

      Anliegender Vorgang mit Dank zurück. Ich habe mich gegenüber [Name geschwärzt – Anm. d. Autors] absichtlich zurückgehalten. Mir persönlich wäre es auch lieber, wenn sie diese innerösterreichischen Sicherheitsprobleme mit der dortigen STAPO [Staatspolizei − Anm. d. Autors] klären würde. – Was sollen wir dabei tun? Können ihre Quellen [Geschwärzt – Anm. d. Autors] in vorsichtiger Form auf die Zuständigkeit der STAPO hinweisen? 52

      Mit der Ära Gehlen dürfte damit auch die Verbindung der Quelle „Stasi“ zum BND zu Ende gehen.

      Was den direkten Draht von Silvius Magnago zum BND betrifft, der in der handschriftlichen Notiz von Hans Georg Langemann alias „Lückrath“ angedeutet wird, kann man nur spekulieren. 1960 meldet Carlo Bernardo Zanetti alias „Mumelter“ dem UAR als seinem Auftraggeber im römischen Innenministerium, dass der Südtiroler Landeshauptmann im Kontakt mit einem Hamburger Reeder stehe sowie laufende Verbindungen zum „Ruhr-Rhein-Club“ in Essen habe.53 Es handelt sich dabei um einen elitären Zirkel, der als Art Denkfabrik jahrzehntelang die deutsche und internationale Nachkriegspolitik nachhaltig beeinflusst. Heute weiß man, dass die „Organisation Gehlen“ und der BND in diesem Männerclub von Anfang an ihre Finger mit im Spiel hatten.

      Demnach könnte Silvius Magnago über diese Schiene wirklich in Kontakt mit dem BND gekommen sein.

       50 V-Männer für Südtirol