möchte ich vermeiden. Das Problem, mit dem ich auf dieser Reise nach Heidelberg konfrontiert bin, besteht in der Frage, wie ich mich auf das Thema des Bewusstseins konzentriere, wie ich Sie dazu bringen kann, sich darauf zu konzentrieren, ohne eine literarische Absicht zu verfolgen. Es geht hier nicht um Schönheit. Auch nicht ums Melodram. Nicht mal um Polemik. Sondern schlicht und einfach um die Frage: Können wir als gewöhnliche Menschen etwas Nützliches über das Bewusstsein aussagen, indem wir in den kommenden zwei Tagen in jedem Moment unsere persönlichen Erfahrungen betrachten? Und dann um die Frage: Sind die Modelle, Erklärungen oder was auch immer, die über das Bewusstsein existieren, die Versionen der Vorgänge, die zahlreiche Experten vertreten, stimmig? Passen sie zu dem, was wir Sekunde für Sekunde erleben? Und wenn nicht, warum nicht? Zum Glück haben wir uns mit ein paar klugen Leuten verabredet, mit denen wir über diese Fragen sprechen können.
Trotz allem kann ich nicht umhin, hier innezuhalten und die Pracht des Frühstücksbuffets in diesem Heidelberger Hotel zu beschreiben. Es befindet sich in einer Ecke des Raums, auf einer Theke aus schwarzem Stein, die entlang zweier Wände aufgebaut ist. Zumindest sieht die Oberfläche aus wie Stein. Darauf stehen silberne Platten mit Obst – hellgrüne Melonenschnitze, in gleichmäßige Dreiecke zerteilte Ananasfrüchte, große pralle Erdbeeren, einzeln nebeneinander direkt auf der Platte platziert, Feigen, die ihr fleischiges Inneres offenbaren (das nur wenig bräunlicher ist als die glänzend roten Erdbeeren), und in der Mitte der Platte, ich meine jeder Platte, der stachelige runde Blattschopf einer Ananas mit den dunkelgrünen, ineinandergeschachtelten Blättern, die sich zu einer glorreichen Krone öffnen.
Zwischen den Platten – pardon, noch sind wir nicht fertig – stehen dreifüßige Schalen, in denen Äpfel, Trauben, Orangen und Kiwis hoch über den anderen Speisen thronen, Kerzen in silbernen Haltern mit elektrischen Flammen und, denn wir sind hier in Deutschland, Teller mit Gewürzgurken und dekorativ aufgeschnittenen Radieschen, um den Kontrast zwischen weiß und rot zur Geltung zu bringen, dünnen Scheiben von Tomaten sowie roten, grünen und gelben Paprikaschoten, das alles neben Käsescheiben und Schinkenröllchen gleichmäßig auf Salatblättern arrangiert, daneben Schüsseln mit gekochten Eiern, Körbe voller knuspriger Brötchen mit Sesamkörnern und Bretter mit dunkelbraunen Brotlaiben, die fest in weiße Stoffservietten gewickelt sind, damit man sie aufschneiden kann, ohne seine Bakterien auf das Brot zu übertragen.
Hinter all diesem Überfluss verläuft entlang der beiden Wände, die diese Buffetecke bilden, ein Spiegel, gerade hoch genug, um die Farbexplosion, die durch helle, in die Decke eingelassene Punktstrahler noch intensiviert wird, zu verdoppeln. Mehr als zu verdoppeln eigentlich, denn von dem Winkel aus, in dem ich jetzt vor dem Buffet stehe und mir mit der Gabel Obst in meine Schale fülle, reflektiert der Spiegel vor mir nicht nur die Früchte, sondern auch den Spiegel an der anderen Wand und erzeugt so eine berauschende Vervielfältigung dieser wunderbaren, wunderbar angerichteten Speisen, die das aufmerksame Hotelpersonal unablässig nachfüllt.
Und dabei habe ich die glänzenden weißen Teller und das polierte Besteck noch gar nicht erwähnt, auch nicht den großen silbernen Samowar mit dem Regal voller Teekannen, und natürlich die unvermeidliche Teebox von Twinings mit den bunt verpackten Einzelbeuteln. Das Buch, das ich gerade gelesen habe, Bewusstsein – ein neurobiologisches Rätsel von Christof Koch, beschreibt Farben und genau genommen unsere Wahrnehmung im Allgemeinen als »con job«, also als Schwindel: Es gibt auf der Welt weder Blau noch Grün noch Rot, schreibt Koch, alle Farbtöne werden in unserem Gehirn erzeugt, sie entstehen aus der Kooperation zwischen dem visuellen Kortex und drei Gruppen von cleveren, kegelförmigen Zellen in der Netzhaut, welche die Lichtstrahlen, die von unterschiedlichen Oberflächen reflektiert werden, in die Illusion einer Farbe umwandeln. In Wirklichkeit also, und an dem Punkt stimmt Koch weitgehend mit der gängigen Meinung überein – wobei »gängige Meinung« und »zahlreiche Experten« mehr oder weniger äquivalente Begriffe sind –, findet dieses ganze Frühstücksbuffet in meinem Kopf statt, und die Erdbeere, die ich soeben in meine Schüssel gelöffelt habe und schon bald in den Mund stecken werde, ist nirgendwo rot außer in meinem Kopf. Und das, obwohl mein Gehirn bekanntlich aus einer grauen, gallertartigen Masse besteht.
Ich schüttele den Kopf (ein Kaleidoskop aus Farben), während ich versuche, den Samowar zu durchschauen. Er ist sehr schön, ziemlich groß, hat unten einen Ablasshahn und obendrauf eine Art Wasserkessel. Neben dem Hahn ist ein roter Schalter, aber man sieht nicht, ob er an oder aus ist. Ist das Wasser heiß oder nicht? Kann ich das herausfinden, indem ich den Samowar anfasse, oder ist er so gut isoliert, dass er außen immer kühl bleibt? Soll ich ihn selbst einschalten? Angenommen, er ist zurzeit ausgeschaltet. Ist das erlaubt? Oder soll ich die Kellnerin fragen? Sie ist nicht zu sehen. Ich hasse es, wenn der Tee nicht heiß ist. Und nimmt man den Kessel von oben herunter, um sich einzuschenken, oder stellt man seine Tasse, oder eine der kleineren Teekannen, unter den Zapfhahn? Ich weiß es nicht. Das Hotelpersonal hat offenbar strikte Anweisung, alles auf Hochglanz zu halten, denn als ich mich hinunterbeuge, um das Gerät genauer in Augenschein zu nehmen, spiegelt sich mein Gesicht in der silbernen Oberfläche, allerdings verzerrt, durch die Rundung des Behälters stark in die Breite gezogen. Zum Schwindel der Wahrnehmung kommt hier die Verzerrung des gekrümmten Spiegels. Doch mein ratloser Gesichtsausdruck ist deutlich erkennbar, als ich mich jetzt für die Betätigung des Zapfhahns entscheide und sich das als Fehler erweist – mein Tee ist gerade mal lauwarm, verdammt!
Am Tisch diskutieren wir darüber, ob ich einen zweiten Versuch mit dem Samowar wagen sollte. Meine Partnerin meint, ich solle die Kellnerin fragen, aber keiner von uns beiden spricht Deutsch, jedenfalls nicht fließend, und ich möchte nicht dumm wirken. Warum nicht? Wen kümmert es schon, ob die Kellnerin mich dumm findet? Schließlich ist sie für mich keine Autorität. Oder auch nur eine Kollegin. Und sie scheint sowieso schon zu glauben, dass ich hier mit meinem Seitensprung eingecheckt habe. Aber offenbar kümmert es mich doch. Die Kellnerin ist ein Mensch, und ich möchte nicht, dass andere Menschen zu dem Schluss kommen, dass ich von Samowaren keine Ahnung habe.
Oder ist es eher so, dass ich das Vergnügen haben möchte, selbst herauszufinden, wie das Gerät funktioniert? Ich will mir den kleinen Triumph gönnen, mir mein heißes Wasser aus eigener Kraft zu verschaffen. Die Frau, mit der ich mich heute Vormittag treffen werde, Professor Sabina Pauen, führt Experimente durch, bei denen die Lernfähigkeit von Kindern leicht unterschiedlicher Altersstufen geprüft wird. Kann ein Kind mit zweiundzwanzig Monaten zwischen funktionalen und nichtfunktionalen Eigenschaften eines einfachen Werkzeugs unterscheiden? Mit vierundzwanzig Monaten? »Ein typisches Experiment« – erkläre ich meiner Partnerin, während sie die Nährwertangaben auf dem Joghurtbecher durchliest – »ist zum Beispiel eine lange durchsichtige Plastikröhre mit einer Belohnung darin. Um die Belohnung herauszukriegen, braucht man ein stabähnliches Instrument, das lang genug ist, um bis ans Ende der Röhre zu reichen. Es sind verschiedene solche Instrumente mit verschiedenfarbigen Griffen im Angebot. Nur eins von ihnen ist lang genug, um die Aufgabe zu erfüllen. Das Kind sieht, wie ein Erwachsener einen der Stäbe, sagen wir den mit dem blauen Griff, nimmt, damit die Belohnung aus der Röhre schiebt, ein erfreutes Gesicht macht und dann dem Kind die Belohnung gibt. Anschließend bekommt das Kind eine zweite Röhre, mit Belohnung darin, und die drei Instrumente. Weiß das Kind jetzt, was zu tun ist? Wählt es das richtige Instrument aus, das mit dem blauen Griff?«
»Was ist die Belohnung?«, fragt meine Partnerin.
»Keine Ahnung. Bestimmt nicht eine Tasse heißer Tee.«
»Das könnte wichtig sein.«
»Wie auch immer, wenn das Kind es kapiert hat, machen sie eine Pause, dann wiederholen sie das Experiment, ändern aber die Grifffarben der Instrumente, sodass der Stab, mit dem es klappt, jetzt zum Beispiel einen roten Griff hat. Der blaue funktioniert diesmal nicht.«
»Gemein.«
»Die Frage ist also: Kann ein Kleinkind zwischen der funktionell relevanten Länge und der funktionell irrelevanten Farbe unterscheiden?«
»Und wenn die Kinder die Belohnung gar nicht haben wollen?«
»Dann wollen sie vielleicht trotzdem ihre Eltern beeindrucken, oder sich selbst. Sie wollen sich gut fühlen, weil sie die Aufgabe kapiert haben. Unabhängig von der Belohnung.«
»Sind