gewählten Versuchsbedingungen erwärmt sich das Gas bei der Ausdehnung oder kühlt sich ab.
Abb. 2.25 Prinzipskizze des Linde-Verfahrens. Das Gas wird im Kreislauf geführt; wenn es sich unterhalb seiner Inversionstemperatur befindet, kühlt es sich bei jeder Entspannung durch die Drossel ab. Mit dem gekühlten Gas kühlt man den unter hohem Druck befindlichen Gasanteil, dessen Temperatur sinkt bei Entspannung noch weiter ab. Verflüssigtes Gas wird aufgefangen.
In einer Linde-Kältemaschine nutzt man den Joule-Thomson-Effekt zur Verflüssigung von Gasen (Abb. 2.25). Das unter hohem Druck stehende Gas entspannt sich durch eine Drossel, kühlt ab und wird im Gegenstrom am einströmenden Gas vorbei geführt. Dieses Gas wird dabei abgekühlt und kühlt sich bei der anschließenden Expansion noch weiter ab. Nach kurzer Zeit ist die Temperatur des Kreislaufgases so weit gesunken, dass es zu einer Flüssigkeit kondensiert.
(a) Die Beobachtung des Joule-Thomson-Effekts
Die Versuchsanordnung, die Joule und Thomson entwickelten, war thermisch isoliert, sodass der Prozess adiabatisch ablaufen konnte. In der folgenden Herleitung 2.3 werden wir zeigen, dass die Expansion bei konstanter Enthalpie abläuft, indem wir die bei jedem einzelnen Schritt verrichtete Arbeit untersuchen.
Herleitung 2.3: Der Joule-Thomson-Effekt
Da alle Zustandsänderungen des Gases adiabatisch verlaufen, ist q = 0 und folglich ΔU = w.
Schritt 1 Berechnung der insgesamt verrichteten Arbeit.
Zur Berechnung der Arbeit bei Durchgang des Gases durch die Drossel betrachten wir den Durchtritt eines festen Volumens von der Hochdruckseite aus; dort ist der Druck pA, die Temperatur TA und das Gas nimmt ein Volumen VA ein (Abb. 2.26). Auf der Niederdruckseite hat dieselbe Stoffmenge des Gases nun den Druck pE, die Temperatur TE und das Volumen VE. Das Gas auf der linken Seite wird isotherm komprimiert, denn das zuströmende Gas wirkt wie ein Kolben. Durch den Druck pA wird das Volumen von VA auf 0 reduziert; die dabei verrichtete Arbeit ist also
Auf der rechten Seite der Drossel dehnt sich das Gas isotherm (aber möglicherweise bei einer anderen Temperatur) gegen den Druck pE des Gases auf der linken Seite, das sich wie ein zurück zu schiebender Kolben verhält. Das Volumen ändert sich dabei von 0 auf VE, die an dem Gas verrichtete Arbeit ist folglich
Wenn wir die Arbeitsanteile auf beiden Seiten der Drossel summieren, erhalten wir für die insgesamt verrichtete Arbeit
Schritt 2 Berechnung der Änderung der Inneren Energie.
Daraus folgt für die Änderung der Inneren Energie des Gases beim adiabatischen Transport durch die Drossel
Schritt 3 Berechnung der Enthalpien zu Beginn und am Ende des Experiments.
Durch Umstellen der Beziehung aus Schritt 2 erhalten wir mit H = U + pV:
Folglich ändert sich die Enthalpie bei der Expansion nicht.
Abb. 2.26 Die thermodynamische Grundlage des Joule-Thomson-Effektes: Durch das ein- bzw. ausströmende Gas wird auf beiden Seiten der Drossel ein konstanter Druck erzeugt, dies ist hier bildlich in Form zweier Kolben dargestellt. Auf dem Weg von der Situation im oberen Bild zu der im unteren Bild strömt eine bestimmte Gasmenge durch die Drossel, die Enthalpie bleibt dabei konstant.
Für ein ideales Gas ist μ = 0; seine Temperatur wird daher durch den Joule-Thomson-Effekt nicht beeinflusst. Daran wird deutlich, dass das Ausmaß des Effekts von der Stärke der zwischenmolekularen Wechselwirkungen abhängt.
Für reale Gase sind die Joule-Thomson-Koeffizienten ungleich null; je nach der Art des Gases (abhängig vom Verhältnis der zwischenmolekularen Anziehungs- und Abstoßungskräfte) und den Werten von Druck und Temperatur können sie negatives oder positives Vorzeichen haben (Abb. 2.27). Ein positives Vorzeichen bedeutet, dass für negatives dp auch dT negativ ist, d. h., dass sich das Gas bei Ausdehnung abkühlt. Der Joule-Thomson-Koeffizient eines realen Gases geht allerdings nicht unbedingt gegen null, wenn der Druck so weit verringert wird, dass das Verhalten nahezu ideal wird. μ ist ein Beispiel für die in Abschn. 1.3 erwähnten Größen, die nicht von den Zustandsvariablen p, V und T selbst, sondern von ihren Ableitungen abhängen.
Auch Gase, die sich bei einer gegebenen Temperatur durch Expansion erwärmen (μ < 0), zeigen bei Temperaturen unter ihrer oberen Inversionstemperatur TI eine Abkühlung (μ > 0, siehe Tab. 2.9 und 2.28). Wie in Abb. 2.28 gezeigt, besitzen Gase in der Regel zwei Inversionstemperaturen, eine obere und eine untere.
Abb. 2.27 Das Vorzeichen des Joule-Thomson-Koeffizienten μ hängt von den Prozessbedingungen ab: Innerhalb der hellblau unterlegten Fläche ist μ positiv, außerhalb negativ. Die Funktionswerte T, die genau auf der Grenze liegen, entsprechen der Inversionstemperatur des Gases bei dem jeweiligen Druck. Man kann ablesen, dass für einen gegebenen Druck die Temperatur unter einem bestimmten Wert liegen muss, wenn eine Kühlung erreicht werden soll; wenn die Temperatur allerdings zu weit absinkt, wird die Grenzlinie wieder überschritten, und es tritt erneut Erwärmung ein. Bei Druckverminderung unter adiabatischen Bedingungen bewegt sich das System entlang einer der Isenthalpen (Kurven konstanter Enthalpie; blaue bzw. grüne Linien). An den Schnittpunkten zwischen der Grenzlinie und den Isenthalpen ändert diese das Vorzeichen der Steigung.
Abb. 2.28 Inversionstemperaturen von drei realen Gasen: Stickstoff, Wasserstoff und Helium.
(b) Die Interpretation des Joule-Thomson-Effekts auf molekularer Ebene
Aus der kinetischen Gastheorie (Abschn. 1.2) und dem Gleichverteilungssatz („Toolkit