Barbara Lux

Kurzwortbildung im Deutschen und Schwedischen


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Differenzierung zwischen Abkürzungen und Kurzwörtern durchgesetzt hat. Häufig werden beide Phänomene – oder zumindest Abkürzungen zusammen mit Akronymen – gemeinsam unter dem Begriff „förkortning“1 behandelt.

      Eine frühe Erwähnung finden Kurzwörter in Erik Wellanders Arbeit „En ellipsteori“ von 1921, die sich ausführlich mit Ellipsen beschäftigt, die für Wellander im Grunde ein syntaktisches Phänomen und durch „bortfallet av morfem“2 gekennzeichnet sind (Wellander 1921:31). Von den Kurzworttypen im Sinne dieser Arbeit trifft dies allerdings lediglich auf den Typ der elliptischen Kürzungen zu. Weitere Kurzworttypen werden von Wellander in einer Abgrenzung seiner Ellipsen von weiteren Phänomenen kurz angesprochen. Diese führen teils zu ähnlichen Resultaten wie Ellipsen, sind jedoch durch andere Prozesse entstanden (53). Dazu gehören Kürzungen wie labbis < laboratorium oder städ < städerska ‚Putzfrau‘, die laut Wellander Analogiebildungen zu echten Ellipsen sind (51). Im Gegensatz zu echten Ellipsen handelt es sich bei diesen Analogiebildungen nicht um „en syntaktisk utveckling, mekaniskt betingad av språkets morfologiska struktur“3, sondern um eine Bildung „efter bestämt mönster, gjord med medveten avsikt i bestämt syfte“4 (52). Des Weiteren grenzt Wellander Ellipsen von „rent grafiska förkortningar“5 ab, von denen einige jedoch bereits mündlich realisiert werden wie stins < stationsinspektör ‚Bahnhofsvorsteher‘ und lok < lokomotiv ‚Lokomotive‘, was von Wellander in sprachpflegerischer Absicht kritisiert wird (53). Er beobachtet hier also einen Übergang von einer auf den Schriftgebrauch beschränkten Abkürzung zu einem Kurzwort mit einer eigenen Lautform. Schließlich nennt er noch „andra med medveten avsikt gjorda förkortningar, där stympningen icke är grafiskt betingad utan förefaller vara rent godtyckligt“6 (54), zu denen er Beispiele wie bil < automobil ‚Auto‘ zählt. Wellanders Prognose zu letztgenanntem Phänomen hat sich allerdings nicht erfüllt: „Denna företeelse torde dock knappast spela någon större roll i det moderna språket“7 (54). Auch wenn Wellanders Hauptinteresse nicht Kurzwörtern, sondern Ellipsen gilt, zeigt seine Arbeit, dass bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Schwedischen unterschiedliche Kurzworttypen existierten. Zudem findet sich bereits bei Wellander eine Forderung nach einer ausführlicheren Auseinandersetzung mit verschiedenen Kürzungstypen im Schwedischen: „Monografier över ellipsarter och förkortningstyper t. ex. i svenskan skulle ge intressanta och delvis överraskande resultat, inte minst för den historiska syntaxen.“8 (Wellander 1921:56)

      Im zweiten Band von Elias Wesséns „Svensk språkhistoria“, der sich mit Wortbildung beschäftigt (Wessén 1958:19), wird die Kurzwortbildung als Teil der schwedischen Wortbildung aufgeführt. Dabei nennt Wessén den Wortbildungsprozess „ellips“ oder „stympning, d.v.s. förkortning av ett ord utan förändring av dess betydelse“9, die Resultate dieses Prozesses jedoch „kortord“10. Die Beispiele, die er für Kurzwörter angibt, zählen nach der in dieser Arbeit verwendeten Typologie (vgl. Kapitel 2.2) vor allem zu den Kurzwörtern im engeren Sinne; doch auch Silbeninitialwörter, Kürzungskomposita und elliptische Kürzungen sind unter den Belegen. Von diesen Kurzwörtern grenzt Wessén sogenannte „bokstavsord eller initialord“11 ab, die vor allem Organisationen oder Unternehmen bezeichnen und entweder gebunden (z.B. Saco < Sveriges Akademikers Central Organisation ‚Zentralorganisation schwedischer Akademiker‘) oder mit Buchstabennamen (z.B. K.B. < Kungliga biblioteket ‚Königliche Bibliothek‘) ausgesprochen werden.

      Speziell zu dem Thema der schwedischen is-Bildungen erschienen mit Inghult (1968) und Blume (1976) zwei Aufsätze. Inghult stellt in seiner Arbeit fest, dass den substantivischen is-Bildungen verschiedene Wortbildungsmuster zugrunde liegen, von denen „ellipsbildningar“12 am häufigsten sind (10). Bei diesen werden mehrsilbige Lexeme bis auf die erste Silbe, die meist ein Morphem ist, bzw. direkt vor dem zweiten Vokal gekürzt und mit -is suffigiert, z.B. spädis < spädbarn ‚Säugling‘ oder biblis < bibliotek. Auf gleiche Weise können auch adjektivische is-Bildungen wie bergis < bergsäker ‚todsicher‘ entstehen. Die entstandenen is-Bildungen sind für Inghult „biformer till bestämda grundord“13 (11). Des Weiteren können is-Wörter durch reine Suffigierungen von ungekürzten Substantiven, Adjektiven oder Verben gebildet werden, was jedoch über den Gegenstand dieser Arbeit hinausgeht. Auch wenn sich Inghults Interesse lediglich auf is-Bildungen beschränkt, liefert seine Arbeit neben einer nützlichen Analyse der Bildungsmuster einen weiteren Beleg dafür, dass der Terminus „ellips“ im Schwedischen für einen an der Wortbildung beteiligten Kürzungsvorgang verwendet wird. Herbert Blumes Betrachtung der schwedischen is-Bildungen (Blume 1976) geht dagegen über die Wortbildung hinaus und legt den Schwerpunkt auf die Frage nach dem zeichentheoretischen Status des Suffixes -is, ohne sich zu Fragen der Kurzwortterminologie zu äußern.

      Nach Wellander (1921), der ja im Grunde nur elliptische Kürzungen mitbehandelt, sind die Arbeiten von Christer Laurén bis heute die ausführlichsten Texte zur schwedischen Kurzwortbildung. Laurén beschäftigt sich zunächst in der 1972 erschienenen Arbeit „Initialord i svenskan“ mit „initialord“14, die aus Initialen einer längeren Form gebildet werden. Schon zu Beginn seiner Arbeit findet sich der Hinweis: „Terminologien i samband med detta slag av ordbildning är inte helt stadgad. Avgränsningen av initialord är inte heller klar.“15 (3) Für Laurén selbst sind Initialwörter eine Untergruppe der „förkortningar“16; der Terminus „akronym“ bezieht sich hingegen auf Initialwörter mit gebundener Aussprache und ist kein Oberbegriff, sondern ein Untertyp der Initialwörter (3). Schließlich werden Initialwörter unter diversen Aspekten wie Rechtschreibung, Aussprache und diversen grammatischen Gesichtspunkten betrachtet.

      Von größerer Relevanz für die schwedische Kurzwortforschung ist jedoch Lauréns 1976 veröffentliche Arbeit „Ellips, teckenfunktion och språklig ekonomi. En studie i svensk ordbildning“17. Darin weitet Laurén seinen Untersuchungsgegenstand auf Kurzwörter im Allgemeinen aus und setzt sich auch mit typologischen und terminologischen Fragen auseinander. Nach einer Abgrenzung von Kurzwörtern in seinem Sinne von anderen Phänomenen beschäftigt sich Laurén vor allem mit Sprachökonomie und den Gründen, die zur Entstehung von Kurzwörtern führen, ehe er die von ihm unterschiedenen Kurzworttypen ausführlich diskutiert. Dabei verwendet er unterschiedliche Bezeichnungen für verschiedene Kürzungsprozesse und deren Resultate. Als Oberbegriff für sämtliche Kurzwörter wählt Laurén „kortord“18; den Prozess, der zu diesen führt, bezeichnet er als „ellips“ (291)19. An Kürzungsvorgängen werden „initial“, „medial“, „final reduktion“20 sowie Kombinationen dieser drei Kürzungstypen (z.B. säpo < säkerhetspolisen ‚schwedischer Nachrichtendienst, wörtl. Sicherheitspolizei‘) unterschieden. Die Unterscheidung basiert darauf, ob der Anfang (z.B. cykel < bicykel ‚Fahrrad‘), die Mitte (z.B. kemtvätt < kemisk tvätt ‚chemische Reinigung‘) oder das Ende der Vollform gekürzt wird (z.B. el < elektricitet). Als weiteren Kürzungstypen führt Laurén „radikal reduktion“21 (318ff.) an, der zur Bildung von Initialwörtern führt. Bei der Benennung der Kürzungs­produkte unterscheidet Laurén zunächst grob zwischen „initialord“22 und „(övriga) kortord“23 (291) und weist ausdrücklich darauf hin, dass Initialwörter für ihn ein Untertyp der Kurzwörter sind. Ein Untertyp der Initialwörter sind wiederum „uttalbara initialord (ofta kallade akronymer)“24 (319). Auch die durch „medial reduktion“25 gebildeten Kurzwörter als Wortbildungsprodukte werden noch weiter differenziert. Im Hinblick auf die Bildungsweise handelt es sich dagegen um eine relativ undifferenzierte Kategorie, in der diverse Phänomene wie gebundene Kürzungen, Kürzungskomposita, Klammerformen, Kunstwörter und Wortkreuzungen zusammengefasst werden, wobei die drei zuletzt genannten Gruppen keine Kurzwörter im Sinne dieser Arbeit sind (vgl. Kap. 2.3).

      Lauréns Terminologie ist in Tabelle 14 zusammengefasst. Darin werden auch die in dieser Arbeit verwendeten deutschen Entsprechungen der Begriffe angegeben, wobei diejenigen Termini, die keine Kurzwörter im Sinne dieser Arbeit sind, in der Spalte mit den deutschen Begriffen eingeklammert sind.

BildungsweiseResultatdeutsche Entsprechung
ellipskortordKurzwortbildung, Kurzwörter
initial reduktionkortordEndwörter, elliptische Kürzungen
medial