benutzt, andere Menschen oder sich selbst so lange zu zerlegen, bis man sie völlig schlecht gemacht hat. Es ist oft die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, und Ethik wird hier tyrannisch“, sagte er. Sein eigenes liberales Handeln hat er aus dieser freiheitlichen Sicht für sich auf zwei Grundwerte reduziert: „Respekt im Umgang mit Menschen und Demut, damit man nicht abhebt.“ Behänge man sich mit zu vielen Tugendmaßstäben, könne man nicht mehr offen auf Menschen zugehen, sei seine Erfahrung. Erdung habe bei ihm einen hohen Stellenwert, da man bei Mitarbeitern nicht immer mit kritischen Gesprächen konfrontiert werde. Erst im Privatleben und in der Familie erhalte er häufiger offene Gegenmeinungen, die es ihm ermöglichten auch objektiv auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben.
Die Grenzen der Ethik ergäben sich zudem aus ihrer Reichweite. Am Beispiel der Versicherungsbranche verdeutlicht er dies: „In einigen Bereichen entstehen hier zukünftig Versicherungsfabriken, die vorwiegend über Internetplattformen agieren. Das wird zu massiven Stelleneinsparungen führen, was jetzt schon absehbar ist“, erklärte er. Angesichts solcher betriebswirtschaftlichen Entwicklungen werde die Ethik selbst nicht weit greifen, denn sie hat ihre Reichweite vor allem im Handeln des Einzelnen.
[Das Gespräch fand am 24. November 2006 statt.]
Aktuell nachgefragt!
Welche Kernbotschaften möchten Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben?
Die Dinge unverkrampft angehen.
Wie schaffen Sie die richtige Balance zwischen Arbeit und Privatleben?
Das war immer schwierig, meine Ehefrau hat mich stets unterstützt.
Welches ist für Sie der wichtigste Wert?
Zwei wichtige Werte (Tugenden) können einer Führungskraft als „Leitplanke“ dienen. Sich immer wieder auf die christliche Tugend „Demut“ besinnen. Nicht im Sinne von Unterwürfigkeit oder Zurückhaltung, sondern in der Vermeidung von Hochmut und Selbstüberschätzung. Auf der anderen Seite die menschliche Tugend „Respekt“ beachten. Personelle Entscheidungen haben oft ein hohes Konfliktpotenzial. Genau erklären, warum so entschieden werden musste. Mitarbeiter aber nicht verletzen, sondern Alternativen aufzeigen.
Welche betriebsethische Entscheidung ist Ihnen besonders schwer gefallen?
Schwere betriebsethische Entscheidungen waren jeweils Trennungsgespräche mit Führungskräften sowie Loyalitätskonflikte innerhalb des Vorstandes bei Meinungsverschiedenheiten.
Was zeichnet aus Ihrer Sicht eine „anständige“ Führungskraft aus?
Die anständige Führungskraft kommuniziert Entscheidungen klar und liefert Begründungen. Das erfordert Mut und erzeugt beim Mitarbeiter u.a. Wut. Das muss man aushalten können. Wichtig ist, Mitarbeitern Chancen für Verbesserungen einzuräumen.
Wie werden in Ihrem Unternehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Thema Ethik sensibilisiert?
Sensibilisierung von Mitarbeitern zum Thema Ethik erreicht man am besten durch Vorleben anstatt Vorgeben.
Ist Unternehmensethik heute nur ein Modebegriff zur Imagepflege oder mehr?
Unternehmensleitung sollte schriftlich Stellung beziehen im Leitbild, in Erklärungen zu Corporate Governance und Compliance. Mitarbeitern die Möglichkeit geben, ethische Grundsätze des Unternehmens zu erfahren.
(Hans-Joachim Selzer
„Ehrlich währt am längsten.“
Hans-Joachim Selzer, Dipl.-Wirtschaftsingenieur
Geschäftsführender Gesellschafter
Selzer Fertigungstechnik
(bis 2007)
gegenwärtige Position: Rentner im Unruhestand
Jahrgang 1943
verheiratet, zwei Kinder
Ausbildung/Studium: 1961: Abitur Johanneum Gymnasium Herborn; 1961–1964: Studium der Theologie (ohne Abschluss) in Tübingen; 1964–1969: Studium zum Diplom-Wirtschaftsingenieur an der TU Berlin
Berufliche Laufbahn
1969–1973: Assistent der Geschäftsleitung der Dräger-Werke Lübeck
1974–2007: Geschäftsführender Gesellschafter der Selzer Fertigungstechnik
Mitgliedschaften/Ehrenämter
Aufsichtsrat der Indus AG
Stellvertretender Vorsitzender des Trägervereins der Freien Theologischen Hochschule (FTH), Gießen
Vorsitzender der Hans-Joachim-Selzer-Stiftung
14 Jahre Vizepräsident der Industrie und Handelskammer Dillenburg; heute Ehrenmitglied
Elf Jahre Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Metall Mittelhessen; heute Ehrenvorsitzender
u.a.
Auszeichnungen
Bundesverdienstkreuz, u.a.
Aktivitäten bei THM-StudiumPlus: Ehemaliges Mitglied im Vorstand des CCD, Gründungsmitglied
Impulse
„Als Unternehmer ist man immer auch Vorbild für die Mitarbeiter.“
„Christliche Werte sind für mich persönlich für die Unternehmensführung von großer Bedeutung.“
„Meine Familie und mein Glaube an Gott geben mir Ruhe und Sicherheit.“
„Ein Unternehmer hat insbesondere auch eine Verantwortung für die Menschen in der Region – sei es im Bereich der Nachwuchsförderung oder im Einsatz für wohltätige Projekte.“
„Mittelständisch zu denken, heißt auf langfristige Entwicklungen und Beziehungen zu setzen.“
„In einem Unternehmen sollten ältere Mitarbeiter genauso geschätzt werden wie jüngere, denn ein Betrieb braucht sowohl Erfahrung als auch neue Ideen.“
Profil
„Ethik hat viel mit Marktwirtschaft zu tun“, sagt Hans-Joachim Selzer, Geschäftsführer der Firma Selzer in Driedorf-Roth im Gespräch mit den Studierenden. Selzer leitet das 1923 gegründete Familienunternehmen Selzer Fertigungstechnik GmbH & Co. KG in dritter Generation. Das Unternehmen mit Sitz in Driedorf-Roth ist Zulieferer von Präzisionstechnik für die Automobilindustrie und hat ca. 600 Mitarbeiter. Die Selzer Fertigungstechnik GmbH & Co. KG ist ein mittelständisches Unternehmen mit internationaler Ausrichtung. Das Unternehmen entwickelt und fertigt Komponenten und Baugruppen aus Metall für Getriebe, Motoren, Bremsen und Industrie.
Eigentlich wollte Hans-Joachim Selzer zunächst einen anderen Weg einschlagen und begann ein Theologiestudium. Nach fünf Semestern entschied er sich jedoch, Wirtschaftsingenieur zu werden und beschäftigte sich intensiv mit der Frage, ob man als Christ auch Unternehmer sein könne.
Die Antwort darauf ist für Selzer ein klares Ja. Denn als Unternehmer trage man Verantwortung für viele Menschen. Man sei verpflichtet, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen. „Der Unternehmer muss mehren, damit schafft er Wohlstand“, erklärte er. Er sei ein klarer Verfechter des Standorts Deutschland.
Sieben Leitsätze erarbeitete Selzer mit seinen Mitarbeitern, und alle, die im Unternehmen arbeiten, seien entsprechend dieser Leitsätze geschult worden. Leistungsbereit und kundenorientiert sollen Selzer-Mitarbeiter sein, aber auch ein menschlicher Umgang miteinander ist eine der Leitlinien.
Und die gilt auch für den Chef. So sei es ihm sehr schwer gefallen, 1993 zwanzig Mitarbeiter entlassen zu müssen. Eine solche Entscheidung müsse persönlich mit den Betroffenen besprochen werden. Und wer Probleme habe, beispielsweise Alkoholiker sei, der bekomme bei ihm dreimal eine Chance. Wer diese vergebe, müsse jedoch