Verpflichtung der Führungsperson bereits vor Stellung des Antrags sowie dass die Führungsperson auf die vor Beginn des Handelsverbots entstandene Umstände zurückzuführende Zahlungspflicht nicht anders als durch den unverzüglichen Verkauf von Anteilen erfüllen kann.
c) Verfahren in Fällen von Belegschaftsaktien und Arbeitnehmersparplänen
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Sehr spezifische Regelungen für die Befreiung vom Handelsverbot im Zusammenhang mit Belegschaftsaktien und Arbeitnehmersparplänen enthält Art. 9 DelVO (EU) 2016/522. Hier wird nach den vier in Art. 19 Abs. 12 Buchst. b MAR genannten Fällen differenziert.
i. | Im Rahmen von Arbeitnehmerbeteiligungsprogrammen kann die Führungsperson für den Erhalt oder die Gewährung von Finanzinstrumenten vom Handelsverbot befreit werden, wenn zum einen das Arbeitnehmerbeteiligungsprogramm und dessen Bedingungen zuvor vom Emittenten nach den nationalen Rechtsvorschriften gebilligt wurden und in den Bedingungen des Arbeitnehmerbeteiligungsprogramms der Zeitplan für die Vergabe oder Gewährung von Finanzinstrumenten sowie der Betrag der vergebenen oder gewährten Finanzinstrumente oder die Grundlage angegeben wurden, auf der ein solcher Betrag berechnet wird. Dabei darf keinerlei Ermessen verbleiben. Zum andern darf auch die Führungsperson hinsichtlich der Annahme der vergebenen oder gewährten Finanzinstrumente über keinerlei Ermessensspielraum verfügen. |
ii. | Erstreckt sich das Arbeitnehmerbeteiligungsprogramm über einen geschlossenen Zeitraum, so ist die Befreiung vom Handelsverbot für den Erhalt oder die Gewährung von Finanzinstrumenten möglich, sofern in Bezug auf die Konditionen, die Periodizität, den Zeitpunkt der Vergabe, die Gruppe der bezugsberechtigten Personen und den Betrag der zu vergebenden Finanzinstrumente ein vorab geplanter und organisierter Ansatz verfolgt wird und die Vergabe oder Gewährung von Finanzinstrumenten in einem vorgegebenen Rahmen stattfindet, in dem etwaige Insiderinformationen keinen Einfluss auf die Vergabe oder Gewährung haben; |
iii. | Möchte die Führungsperson Optionen oder Optionsscheine ausüben oder die ihr im Rahmen eines Arbeitnehmerbeteiligungsprogramms zugewiesenen Wandelschuldverschreibungen umwandeln, aber das Laufzeitende derartiger Optionen, Optionsscheine oder Wandelschuldverschreibungen fällt in einen geschlossenen Zeitraum, und möchte die Führungsperson die Anteile, die im Anschluss an die Ausübung oder Umwandung erworben wurden, verkaufen, so ist eine Befreiung möglich, wenn dies vorab geregelt ist: Zunächst muss die Führungsperson dem Emittenten ihre Entscheidung zur Ausübung oder Umwandlung mindestens vier Monate vor Laufzeitende gemeldet haben. Diese Entscheidung muss unwiderruflich sein. Darüber hinaus muss die Genehmigung vom Emittenten vorab erteilt sein. |
iv. | Die Befreiung für den Fall des Erwerbs von Finanzinstrumenten im Rahmen eines Arbeitnehmerbeteiligungsprogramms ist unter folgenden Bedingungen möglich: Die Führungsperson muss dem Arbeitnehmerbeteiligungsprogramm bereits vor dem geschlossenen Zeitraum beigetreten sein, es sei denn, sie konnte aufgrund des Zeitpunkts ihres Beschäftigungsbeginns nicht zu einem anderen Zeitpunkt in das Programm aufgenommen werden. Außerdem nimmt sie während des geschlossenen Zeitraums keine Änderungen an den Bedingungen für ihre Teilnahme am Arbeitnehmerbeteiligungsprogramm vor oder beendet ihre Teilnahme am Programm. Schließlich müssen die Käufe gut im Einklang mit den Bestimmungen des Arbeitnehmerbeteiligungsprogramms organisiert sein. Dabei darf für die Führungsperson weder ein Anspruch noch eine legale Möglichkeit bestehen, die Bedingungen während des geschlossenen Zeitraums zu ändern. Alternativ ist auch denkbar, dass die Käufe im Rahmen des Programms zu einem festen Termin stattfinden, der in den geschlossenen Zeitraum fällt. |
v. | Eine Befreiung ist weiterhin möglich für den direkten oder indirekten Transfer von Finanzinstrumenten zwischen zwei Konten der betreffenden Führungsperson, wenn ein solcher Transfer nicht zu einer Änderung des Preises von Finanzinstrumenten führt („rechte Tasche – linke Tasche“). |
vi. | Letztgenannte Befreiungsmöglichkeit betrifft den Erwerb von Pflichtaktien oder Bezugsberechtigungen des Emittenten, sofern die Frist hierfür nach den geltenden Satzungen oder Vorschriften in einen geschlossenen Zeitraum fällt. Voraussetzung ist, dass die Führungsperson dem Emittenten Belege für die Gründe vorlegen kann, weshalb der Erwerb nicht zu einem anderen Zeitpunkt stattfindet und der Emittent mit dieser Erklärung „zufrieden“ ist. |
d) Sonstiges
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Ungeklärt ist bislang, ob die Befreiung als „Generalausnahme“ beschlossen werden kann oder ob für jeden Einzelfall anlassbezogen wiederkehrende Beschlüsse zu fassen sind.[149]
IV. Rechtsfolgen von Verstößen
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Art. 19 Abs. 11 MAR statuiert ein absolutes Verfügungsverbot. Geschäfte, die während der 30-tägigen Sperrfrist durchgeführt werden, sind damit wohl gem. § 134 BGB unwirksam.[150] Ob der Vertragspartner sich auf einen Gutglaubensschutz berufen kann, ist streitig.[151]
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Für die fehlerhafte Befreiung vom Handelsverbot enthalten weder die Marktmissbrauchsverordnung noch das Wertpapierhandelsgesetz eine Sanktion. Nach § 120 Abs. 15 Nr. 22 WpHG ist lediglich die Vornahme eines Eigengeschäfts nach Art. 19 Abs. 11 MAR bußgeldbewährt, eine fehlerhafte Erteilung der Befreiung hingegen nicht.[152] Ebenso wenig ist eine Berichtspflicht des Emittenten gegenüber den Aufsichtsbehörden über die Erteilung von Befreiungen vorgesehen. Nach zutreffender Auffassung ist Art. 19 MAR kein individuelles Schutzgesetz, so dass auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommen.[153] Wie diese Fälle in der Praxis behandelt werden, bleibt damit vorerst unklar.
2. Teil Emittenten-Compliance › 4. Kapitel Eigengeschäfte von Führungskräften (Directorsʼ Dealings) › E. Organisationserfordernisse und Verstöße
I. Organisationspflichten des Emittenten
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Der Emittent hat durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch die Bestimmung von Zuständigkeiten, dafür Sorge zu tragen, dass Mitteilungen, die ihm gem. Art. 19 Abs. 1 MAR zugehen, entsprechend den zeitlichen und förmlichen Vorgaben in Art. 19 Abs. 3 MAR veröffentlicht werden. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, dass die Mitteilungsfrist für die Führungsperson gem. Art. 19 Abs. 1 S. 2 MAR und die Veröffentlichungsfrist für den Emittenten nach Art. 19 Abs. 3 MAR einheitlich spätestens drei Geschäftstage nach dem Geschäft enden, was dazu führen kann, dass der Emittent bei Ausschöpfen der Mitteilungsfrist durch die Führungsperson die von ihm zu beachtende Veröffentlichungsfrist de facto nicht einhalten kann (vgl. Rn. 73). Nach Auffassung der BaFin muss der Emittent seine Führungspersonen anhalten, sich so zu organisieren, dass die Meldungen beim Emittenten so rechtzeitig eingehen, dass diese noch innerhalb der für sie geltenden Frist veröffentlichen kann.
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Darüber hinaus hat der Emittent die Führungspersonen über ihre Meldepflichten schriftlich zu informieren, eine Liste der Führungspersonen zu erstellen, aktuell zu halten und regelmäßig das Vorliegen mitteilungspflichtiger Transaktionen abzufragen.[154] Es wird insoweit auf Rn. 75 ff. verwiesen.
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