kann.[131] Kein Handelsverbot besteht generell vor Ad-hoc-Mitteilungen.[132]
2. Relevante Berichte
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Umstritten ist, auf welche Berichte sich Art. 19 Abs. 11 MAR bezieht. Unstreitig sind dies der Jahresabschlussbericht gem. § 114 WpHG und der Halbjahresfinanzbericht gem. § 115 WpHG, zu dessen Stellung der Emittent beispielweise gem. § 51 der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse verpflichtet ist.[133] MTF-Emittenten sind auch nach den Freiverkehrsordnungen der Börsen in Frankfurt (Scale), Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Hannover und Stuttgart zur Veröffentlichung von Halbjahresfinanzberichten verpflichtet.[134] Umstritten ist die Geltung des Handelsverbotes auch 30 Tage vor Veröffentlichung von Quartalsmitteilungen i.S.v. § 115 WpHG, wie sie etwa gem. § 51a der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse zu erstellen sind. Nach Auffassung der BaFin gelten solche Quartalsmitteilungen nicht als Zwischenbericht.[135]
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Die freiwillige Vorabveröffentlichung von einzelnen Geschäftszahlen löst nicht per se Handelsverbot aus. Unter bestimmte Voraussetzung kann die Veröffentlichung vorläufiger Geschäftsergebnisse jedoch das Ende des Handelsverbotes markieren.[136] Dies ist insbesondere der Fall, wenn die offengelegten vorläufigen Finanzkennzahlen alle wesentlichen Informationen beinhalten, die in den Finanzbericht aufzunehmen sind.[137] Ebenso wenig führt die etwa notwendige Ad-hoc-Veröffentlichung von Geschäftszahlen zu einem Handelsverbot.[138] Abgesehen davon, dass in diesem Rahmen regelmäßig nur ausgewählte Kennzahlen veröffentlicht werden, lässt sich schon aus praktischen Gründen bei einer Ad-hoc-Veröffentlichung keine vorgängige 30-tägige Frist bestimmen.[139]
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Da die Veröffentlichungsfristen keinen konkreten Veröffentlichungstag vorgeben, sondern vielmehr eine Maximalfrist, laufen die Handelsverbote für die verschiedenen Emittenten unterschiedlich.
III. Befreiung
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Nach Art. 19 Abs. 12 MAR darf ein Emittent unter bestimmten Voraussetzungen seine Führungskräfte von dem Handelsverbot aus § 19 Abs. 11 MAR befreien.
a) Befreiungsgründe
aa) Außergewöhnliche Umstände
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Eine Befreiung ist zum einen möglich, wenn die Geschäfte im Einzelfall aufgrund außergewöhnlicher Umstände, wie beispielsweise schwerwiegender finanzieller Schwierigkeiten, den unverzüglichen Verkauf von Anteilen erforderlich machen. Eine Befreiungsmöglichkeit besteht für diesen Fall ausschließlich für den Verkauf, nicht aber für den Kauf von Anteilen oder Schuldtiteln oder Derivaten oder anderen in diesem Zusammenhang stehenden Finanzinstrumenten. Zu den Einzelheiten vgl. Rn. 92 f.[140]
bb) Belegschaftsaktien, Arbeitnehmersparplan, Bezugsberechtigte
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Zum anderen darf der Emittent vom Handelsverbot befreien, vorausgesetzt dass diese Geschäfte durch die Merkmale des betreffenden Geschäfts für Handel bedingt sind, die im Rahmen von Belegschaftsaktien oder einem Arbeitnehmersparplan, von Pflichtaktien oder von Bezugsberechtigungen auf Aktien oder Geschäfte tätig werden, wenn sich die nutzbringende Beteiligung an dem einschlägigen Wertpapier nicht ändert. Auch wenn dem Wortlaut nach eine Begrenzung auf Arbeitnehmer naheliegt, ergibt sich aus der systematischen Stellung, dass die Befreiungsmöglichkeit auch für Organmitglieder besteht.[141] Möglich ist sowohl die Befreiung für den Kauf als auch für den Verkauf.[142] Die Befreiungsregelungen sind gem. Erwägungsgrund Nr. 22 DelVO (EU) Nr. 2016/522 eng auszulegen.[143] Als Erlaubnis genügt nicht, wenn der Emittent das entsprechende Programm, bei dem es zu einer Zuteilung, Ausübung, Erwerb, etc. innerhalt des Handelsverbotszeitraums kommen kann, so bereits zuvor beschlossen hat.[144]
b) Notwendigkeit der Befreiung
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Zusätzlich zu den Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 12 MAR muss die Führungsperson gem. Art. 7 der Delegierten Verordnung nachweisen können, dass das betreffende Geschäft nicht zu einem anderen Zeitpunkt als während des geschlossenen Zeitraums ausgeführt werden kann. Dies gilt für beide in Art. 19 Abs. 12 MAR genannten Befreiungsgründe.
a) Zuständigkeit
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Wer für die Befreiung zuständig ist, bestimmt die Verordnung nicht. Aus allgemeinen Grundsätzen ergibt sich die Zuständigkeit
– | des Aufsichtsrats für eine Befreiung des Vorstands (§ 112 AktG),[145] |
– | des Vorstands für eine Befreiung des Aufsichtsrats (§ 76 AktG),[146] |
– | die Gesellschafterversammlung für die Befreiung des GmbH-Geschäftsführers,[147] |
– | der geschäftsführende Gesellschafter bei Personengesellschaften. |
b) Verfahren bei außergewöhnlichen Umständen
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Im Falle der Befreiung gem. Art. 19 Abs. 12 Buchst. a MAR legt die Führungsperson dem Emittenten vor jeder etwaigen Handelstätigkeit während eines geschlossenen Zeitraums einen begründeten schriftlichen Antrag vor, um dessen Zustimmung zum unverzüglichen Verkauf von Anteilen dieses Emittenten während eines geschlossenen Zeitraums einzuholen, Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 DelVO (EU) 2016/522. In diesem Antrag ist das geplante Geschäft zu beschreiben und erläutern, weshalb der Verkauf von Anteilen die einzige sinnvolle Möglichkeit zur Beschaffung der erforderlichen Finanzmittel ist, Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 DelVO (EU) 2016/522. Auch ist gem. Art. 7 DelVO (EU) 2016/522 nachzuweisen, dass das betreffende Geschäft nicht zu einem anderen Zeitpunkt als während des geschlossenen Zeitraums ausgeführt werden kann.
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Art. 8 DelVO (EU) 2016/522 konkretisiert für diesen Fall die Pflichten des Emittenten bei der Entscheidung darüber, ob der unverzügliche Verkauf der Anteile der Führungskraft während eines geschlossenen Zeitraums gestattet werden kann. Der Emittent hat hierzu eine fallspezifizierte Bewertung des schriftlichen Antrags vorzunehmen. Die unglücklich übersetzte Regelung in Art. 8 Abs. 1 S. 2 DelVO (EU) 2016/522 ist so zu verstehen, dass der Emittent die Befreiung vom Handelsverbot nur dann erteilen darf, wenn die Umstände eines solchen Verkaufs als außergewöhnlich angesehen werden können.[148] Als außergewöhnlich werden gem. Legaldefinition in Art. 8 Abs. 2 DelVO (EU) 2016/522 Umstände angesehen, wenn sie „äußerst dringend, unvorhergesehen und zwingend sind und sie nicht von der Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, verursacht werden und sich deren Kontrolle entziehen.“ Der Emittent hat bei der Bewertung gem. Art. 8 Abs. 3 DelVO (EU) 2016/522 zu berücksichtigen, ob zum Zeitpunkt der Übermittlung des Antrags eine rechtlich durchsetzbare finanzielle Verpflichtung oder ein rechtlich durchsetzbarer finanzieller Anspruch vorlag. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, ob die Führungsperson Zahlungen zu leisten hat oder sich in einer Situation befindet, die auf vor Beginn des geschlossenen Zeitraums eingetretene Umstände zurückzuführen ist und die Zahlung einer Summe an Dritte, einschließlich Steuerschulden, erforderlich macht, und sie eine finanzielle Verpflichtung oder einen finanziellen Anspruch nicht auf anderer Weise