Gesamtgegenwert im Europäischen Wirtschaftsraum weniger als 8 Mio. EUR beträgt, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von 12 Monaten zu berechnen ist, nicht prospektpflichtig ist. Von dieser neuen praxisrelevanten 8-Mio. EUR-Ausnahme gibt es jedoch Gegenausnahmen, die zu diversen Compliance-Pflichten führen. So kann gem. § 3c WpPG für Wertpapiere ab einem Gesamtgegenwert im europäischen Wirtschaftsraum von 1 Mio. EUR, bei denen sich das Angebot auch an nicht qualifizierte Anleger richtet, von der Ausnahme nur Gebrauch gemacht werden, wenn die Wertpapiere ausschließlich im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen vermittelt werden, und gegenüber dem nichtqualifizierten Anleger bestimmte Einzelanlageschwellen von höchstens 10 000 EUR eingehalten werden. Zwischen einem jährlichem Emissionsvolumen von 100 000 EUR und 8 Mio. EUR ist gem. § 3a Abs. 1 WpPG an Stelle eines Prospekts ein höchstens drei DIN-A4-Seiten umfassendes Wertpapier-Informationsblatt zu erstellen, das es den Anlegern ermöglichen soll, unterschiedliche Wertpapiere miteinander zu vergleichen. Eine weitere Ausnahme von der Prospektpflicht besteht nach Art. 1 Abs. 5 lit. a) ProspektVO zudem für die Ausgabe von Aktien, die weniger als 20 % der Zahl der Aktien derselben Gattung ausmachen, die bereits am selben organisierten Markt zum Handel zugelassen sind.
b) Privatplatzierung
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Das sog. „Private Placement“ (oder die Privatplatzierung) ist ein weiterer, eigener Weg eine Prospektpflicht zu vermeiden. Gestaltet man das Angebot von vorne herein so, dass es nicht öffentlich ist, weil man sich nicht an einen unbestimmten Anlegerkreis, sondern nur an konkret ausgewählte Anleger richtet, so ist auch der Tatbestand der Prospektpflicht nicht erfüllt. Es handelt sich dann um ein Private Placement, auf das die Prospektvorschriften mangels eines öffentlichen Angebots keine Anwendung finden, solange keine prospektpflichtige Zulassung der Wertpapiere im organisierten Markt angestrebt wird. Voraussetzung einer solchen Privatplatzierung ist allerdings, dass zwischen dem Emittenten und dem Investor bereits eine Beziehung besteht.[6] Andernfalls wäre man schnell wieder im Fahrwasser eines Angebots an einen unbestimmten, weil unbekannten, Personenkreis, also im Bereich eines öffentlichen Angebots. Im Regelfall kann ein Private Placement bejaht werden, wenn die potenziellen Investoren dem Anbieter oder einer der an der Emission beteiligten Banken bekannt sind und sie zusätzlich gezielt nach individuellen Gesichtspunkten ausgewählt werden.[7]
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Zu beachten ist jedoch, dass die BaFin die Frage, ob ein öffentliches Angebot vorliegt, auch nach dem Merkmal der Schutzbedürftigkeit der Angebotsadressaten auslegt.[8] Dies zeigt sich etwa bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen. In diesem Kontext werden teilweise Aktien an Mitarbeiter angeboten. Dabei stellt sich die Frage, ob dies ein öffentliches Angebot an das Publikum ist. Hier sind sämtliche Angebotsadressaten dem Emittenten bekannt (es sind seine Mitarbeiter) und er hat diese auch nach individuellen Kriterien (Absicht zur Vergütung in besonderer Weise, um Motivation zu schaffen) ausgewählt. Trotzdem gelangt die BaFin zur Auffassung, dass hier ein öffentliches Angebot vorliegen kann, weil die Mitarbeiter zwar bestimmbar, jedoch mangels vorheriger Investition in die entsprechenden Wertpapiere schutzbedürftig sind.[9] Ein prospektfreies Private Placement liegt also in solchen Fällen nicht vor, jedoch kann eine der anderen Ausnahmen von der Prospektpflicht eingreifen, etwa wenn weniger als 150 Mitarbeiter in Deutschland angesprochen werden oder die Wertpapiere kostenlos oder zu einem Preis von insgesamt weniger als 100 000 EUR angeboten werden etc. Eine Rolle für diese Auslegung spielt auch, dass das Wertpapierprospektgesetz – etwa in § 4 Abs. 1 Nr. 5 oder in § 4 Abs. 2 Nr. 5 WpPG – für bestimmte Sachverhalte Regelungen für eine Vereinfachung der Prospektanforderungen bei Angeboten an Mitarbeiter vorsieht. Dies führt zu der Annahme, dass der EU-Gesetzgeber Mitarbeiterangebote grundsätzlich als prospektpflichtig ansehen wollte.[10] Diese Privilegierung wird auch mit Geltung der Prospektverordnung erhalten bleiben, wobei in Art. 1 Abs. 4 lit. i) ProspektVO auf die Voraussetzung verzichten wird, dass die Aktien zum Handel im regulierten Markt im EWR zugelassen sein müssen.
2. Prospekterstellung/-billigung/-veröffentlichung
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Besteht eine Pflicht zur Erstellung eines Wertpapierprospekts, sind die maßgeblichen Vorschriften des WpPG, der EU-Prospektdurchführungsverordnung und zukünftig der Prospektverordnung zu beachten. Eine Darstellung der einzelnen Anforderungen würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Wichtig im Rahmen von Compliance-Anforderungen ist die Frage, welche Maßnahmen zu treffen sind, damit eine spätere Prospekthaftung vermieden werden kann. Die Prospekthaftung ist in §§ 21, 22 WpPG geregelt.[11] Danach haftet der Emittent immer dann, wenn der Prospekt für die Beurteilung der Wertpapiere wesentliche Angaben enthält, die unrichtig oder unvollständig sind. Die Haftung für fehlerhafte Wertpapier-Informationsblätter ist in § 23a WpPG geregelt und orientiert sich an der Prospekthaftung.
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Ein in der Praxis äußerst wichtiger Entlastungsgrund von der Prospekthaftung ist, dass eine Haftung ausgeschlossen ist, wenn der Emittent nachweist, dass er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts nicht gekannt hat und dass die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht, § 23 Abs. 1 WpPG. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Prospektverantwortliche die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und dasjenige außer Acht lässt, dass im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen; dies umfasst auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden.[12] Hier greift dann die entsprechende Compliance ein. Steht eine Prospekterstellung an, muss der Emittent sich so organisieren, dass von einer ordnungsgemäßen Erstellung des Wertpapierprospekts auszugehen ist, damit dem Emittenten nicht der Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Prospektangaben gemacht werden kann. Dies umfasst zunächst, mit der Prospekterstellung und den relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen regelmäßig befasste Personen zu beauftragen, in der Regel sind dies spezialisierte externe Rechtsanwälte. Des Weiteren muss diesen Rechtsanwälten die notwendige Unterstützung gewährleistet werden, indem diesen die für die Prospekterstellung erforderlichen Informationen offen gelegt werden. Hierbei muss der Emittent gewährleisten, dass innerhalb des Unternehmens Zuständigkeiten bei Personen definiert werden, die als Ansprechpartner für die verschiedenen Bereiche der Prospekterstellung zur Verfügung stehen und intern die notwendigen Informationen zusammen tragen. Denn im Rahmen der Frage, ob eine Prospekthaftung gem. § 23 Abs. 1 WpPG wegen fehlender Kenntnis des Prospektfehlers, die nicht grob fahrlässig entstand, ausscheidet, wird davon ausgegangen, dass der Emittent Kenntnis über sämtliche Daten hat, die für die Unternehmenssituation maßgeblich sind.[13] Entsprechendes gilt gem. § 23a WpPG für den Haftungsausschluss für ein fehlerhaftes Wertpapier-Informationsblatt.
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Es gibt immer wieder Situationen, in denen den Mitgliedern des Prospekterstellungsteams auf Seiten des Emittenten nicht alle Informationen bekannt sind, die für die Vollständigkeit des Prospekts notwendig sein können. Das sind z.B. Informationen betreffend den Gesellschafterkreis, die mittelbare Anteilseignerstruktur oder über Geschäfte mit nahestehenden Personen, die nicht unbedingt den bisherigen leitenden Mitarbeitern, bzw. den mit der Informationssammlung beauftragten Mitarbeitern in dem relevanten Ausmaß offen gelegt sind. Hier muss die Geschäftsleitung notwendige Vorkehrungen treffen, damit der Informationsfluss zu den begleitenden Beratern trotzdem gewährleistet ist. Den Emittenten trifft bezüglich der prospektrelevanten Verhältnisse insbesondere bezogen auf die Aktionäre eine Nachforschungspflicht.[14] Entsprechende Nachfragen und deren Antworten müssen dokumentiert werden.
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Des Weiteren ist der Emittent verpflichtet, die im Prospekt dargestellten Umstände zu prüfen. Zwar kann man von ihm keine Sachkunde in Bezug auf die speziellen Anforderungen der Prospektrichtlinie und der Rechtsprechung in allen Punkten erwarten,[15] jedoch muss er sein Wissen bezogen auf das Unternehmen beisteuern. Sind Umstände nicht richtig oder für ihn erkennbar unvollständig, so hat er darauf hinzuweisen. Beispielsweise wird der Emittent die spezifischen Risiken seiner Branche[16] am besten beurteilen können