Karl Richter

Kapitalmarkt Compliance


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Kommunikation bei prospektpflichtigen Angeboten vor Prospektbilligung

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      Im Vorfeld einer prospektpflichtigen Emission findet Kommunikation statt, um (potentielle) Investoren darauf aufmerksam zu machen, dass demnächst ein öffentliches Angebot dieses Unternehmens starten soll.

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      Da jedoch zu diesem frühen Zeitpunkt typischerweise noch kein gebilligter Prospekt vorliegt, muss unbedingt vermieden werden, dass der Tatbestand des öffentlichen Angebots erfüllt wird. Hingegen ist es durchaus zulässig, in allgemeiner Form über die geplante Maßnahme und das Wertpapier zu informieren, etwa über Internetseiten oder Zeitungsannoncen. Denkbar sind Hinweise auf eine Emission, solange nicht die genaue Struktur des Angebots, der anvisierte Zeichnungszeitraum, die Art wie gezeichnet werden kann und der geplante Angebotspreis mitgeteilt werden.

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      Handelt es sich um ein Unternehmen, das bislang der Öffentlichkeit noch nicht so bekannt ist, so werden Marketingbemühungen sich zunächst darauf konzentrieren, das Unternehmen mit seinen Alleinstellungsmerkmalen und seinen Produkte in den Kreisen der potentiellen Investoren bekannt zu machen. Dies ist letztlich eine Ausweitung der allgemeinen Unternehmenskommunikation auf neue Medien und fällt nicht unter die angebotsbezogene Kommunikation, wenn man sich – was notwendig ist – hier rein auf das Unternehmen, seine Produkte, seine Historie etc. beschränkt.

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      Für das Gelingen der Emission ist es aber auch wichtig, möglichst frühzeitig – schon vor der Roadshow und Prospektveröffentlichung – eine realistische Vorstellung von der potentiellen Akzeptanz der Emission bei Investoren zu erhalten, z.B. um den Preis der Aktien oder das Emissionsvolumen marktgerecht festzulegen. Es wäre fahrlässig, sich dabei nur auf die eigenen Erwartungen zu verlassen. Vielmehr ist es zwingend notwendig, das Unternehmen frühzeitig bei institutionellen Anlegern vorzustellen um zu erfahren, zu welchem Preis und in welcher Struktur diese die anzubietenden Wertpapiere erwerben würden. Aus diesem Grund findet ein sog. Pilot Fishing oder Pre-Marketing statt, bei dem einige wenige ausgewählte institutionelle Investoren angesprochen werden, welche anschließend ein Feedback hinsichtlich ihrer Erwartungen an das Angebot geben. In dieser Phase muss der Emittent notwendige Maßnahmen treffen, um Vertraulichkeit über das Angebot zu gewährleisten.

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      Bei den wenigen Anlegern, die während des Pilot Fishings angesprochen werden, sollte es sich zudem ausschließlich um institutionelle Investoren handeln, die im besten Fall dem Emittenten oder einer Konsortialbank bereits bekannt sind. Wenn in dieser frühen Phase bereits mit Präsentationen, Informationsbroschüren oder anderen Werbematerialien gearbeitet wird, so ist auf den deutlichen Hinweis zu achten, dass es sich um vorläufige Planungen handelt, die kein konkretes Angebot darstellen. Zudem muss darauf hingewirkt werden, dass die eingesetzten Werbe- und Informationsmittel den Kreis der angesprochenen Investoren nicht verlassen.

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      Entscheidend ist in der Planungs- und Vorbereitungsphase kapitalmarktrechtlicher Transaktionen die Marktsondierung, das sog. „Market Sounding“. Marktsondierung ist der vertrauliche Informationsaustausch mit Investoren im Vorfeld von Transaktionen, um deren Durchführbarkeit und das Interesse der Investoren zu erfassen. War dies vor Einführung der MAR zwar bereits Marktpraxis, ist die Marktsondierung nun gesetzlich normiert. Nach Art. 11 Abs. 1 MAR besteht Marktsondierung in der Übermittlung von Informationen vor der Ankündigung eines Geschäfts an einen oder mehrere potentielle Anleger, um das Interesse von potentiellen Anlegern an einem möglichen Geschäft und dessen Bedingungen wie Umfang und preisliche Gestaltung abzuschätzen. Dies geschieht regelmäßig durch die Weitergabe von Insiderinformationen des Emittenten an die potentiellen Investoren. Dies darf zum Schutz der Integrität des Marktes nur unter strengen Voraussetzungen ablaufen.

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      Der Anwendungsbereich beginnt zeitlich mit der Aufnahme von Gesprächen über konkrete Transaktionen und gilt sowohl bei öffentlichen Angeboten sowie beim Private Placement. In der Praxis wird immer dann, wenn ein Vertrag über eine Emissionsbegleitung geschlossen, ein Aufschub der Ad-hoc-Publizität wegen einer Transaktion oder sonstige vorbereitende Maßnahmen getroffen wurden, zumindest eine faktische Vermutung dafür sprechen, dass Gespräche mit Investoren in Bezug auf ein konkretes Geschäft geführt wurden. Der zeitliche Anwendungsbereich endet mit Veröffentlichung der letztlichen Ad-hoc-Mitteilung bzgl. der betreffenden Transaktion. Für die Praxis nicht eindeutig geregelt ist die Frage, ob die Regelungen zur Marktsondierung auch in dem Fall anwendbar sind, wenn eine Transaktion zwar per Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht wurde, die Veröffentlichung jedoch noch keine Angaben zu wirtschaftlichen Eckdaten, wie z.B. Preis oder Volumen, enthält, weil diese noch nicht feststehen. Vorsichtshalber sollten in diesem Fall die Regelungen zur Marktsondierung eingehalten werden, da es möglich ist, die Festsetzung der Konditionen als eigenes Geschäft zu betrachten. Alternativ kann in einem solchen Fall auch – ggf. auf no name basis – die Abstimmung mit der BaFin gesucht werden.

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      Die zu erfüllenden Maßnahmen bei einer Marktsondierung sind nach der Einführung der MAR ausdrücklich geregelt worden. Sie orientieren sich zwar an der bisher geübten Transaktionspraxis, sind jedoch nun durch die gesetzliche Normierung in Art. 11 MAR, der Marktsondierungsverordnung 2016/960 und der Marktsondierungsdurchführungsverordnung 2016/959 deutlich konkretisiert.

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      Überblick über den Ablauf einer Marktsondierung:

       [Bild vergrößern]

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      Mit der Neuregelung gelten ganz konkrete Verhaltensregeln für die Marktteilnehmer bzw. für sie handelnde Dienstleister und für Investoren, die sich in die in der Übersicht dargestellten Zeitabschnitte einteilen lassen.

      (1) Prüfung vor Sondierung

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      Zunächst muss der Emittent bzw. der tatsächlich Offenlegende bereits vor der Sondierung beurteilen, ob es im Rahmen der Sondierung voraussichtlich zur Weitergabe von Insiderinformationen kommen wird. Die gewonnenen Erkenntnisse sowie die dazu führenden Erwägungen sind schriftlich/elektronisch zu dokumentieren und bei Bedarf an die BaFin zu übermitteln, Art. 11 Abs. 3 MAR. Wenn bei dieser Prüfung die Insiderqualität einzelner Informationen bejaht wird, muss parallel immer ein Beschluss des Vorstandes des Emittenten gefasst werden, durch den die Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 4 MAR aufgeschoben wird. Andernfalls müsste die Insiderinformation publiziert werden. Es ist zu empfehlen, dass sich ein Dienstleister, der für den Emittenten die Marktsondierung durchführen soll (z.B. Bank, etc.) vom Emittenten bestätigen lässt, ob Insiderinformationen vorliegen und ob für diese die Publizitätspflicht aktuell aufgeschoben ist.

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      Anschließend muss ein konkretes Verfahren gem. Art. 2 der Marktsondierungsverordnung 2016/960 festgelegt werden, in dem die konkreten Modalitäten für die Informationsweitergabe fixiert sind. Dies ist für jede Transaktion konkret und neu zu bestimmen, allerdings empfiehlt es sich, eine Standarddokumentation zu erstellen und diese auf den Einzelfall anzupassen. Es ist festzulegen, auf welche Art und Weise die Kontaktaufnahme zur Marktgegenseite erfolgen soll. Dem Offenlegenden steht es in diesem Zusammenhang frei, auf welchem Kommunikationsweg die Kontaktaufnahme erfolgt.

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      Zudem muss der Offenlegende einen Standarddatensatz von Informationen