zwei Werktagen nach Veröffentlichung des Nachtrags widerrufen, wenn der neue Umstand oder die Unrichtigkeit vor Schluss des öffentlichen Angebots und vor der Lieferung der Wertpapiere eingetreten ist.
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Der Emittent muss gewährleisten, dass die Nachtragspflichten eingehalten werden. Hierzu muss er sich intern so organisieren, dass potentiell nachtragspflichtige Informationen an die für die Prospektarbeit zuständigen Personen gelangen und diese gemeinsam mit den rechtlichen Beratern die Nachtragspflichtigkeit überprüfen. Insbesondere wenn Prospekte mit einer langen Angebotslaufzeit veröffentlicht werden ist dies zu berücksichtigen und gerät in der Praxis schon einmal in Vergessenheit.
3. Ad-hoc-Mitteilung in der Emissionsphase
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Auch in der Emissionsphase gilt für Gesellschaften, deren Aktien im regulierten Markt oder einem qualifizierten Freiverkehrssegment mit entsprechender Regelung notieren die allgemeine Pflicht zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen. Für Emittenten die an die Börse gehen gilt die Ad-hoc-Mitteilungspflicht ab Stellung des Zulassungsantrags an der Börse oder dessen öffentliche Ankündigung. Dieser Antrag wird auch deswegen eher spät gestellt und öffentlich angekündigt.
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Sofern der Emittent bereits einer Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegt muss er spätestens vor Beginn der Platzierung die Emission entsprechend veröffentlichen. Im Einzelfall mag sich bei einer Privatplatzierung die Möglichkeit eröffnen, die Ad-hoc-Publizität aufzuschieben bis die Platzierung abgeschlossen und u.U. sogar bis die Einzahlung des Emissionserlöses erfolgt.[71] Wird der Emissionspreis und/oder eine Preisspanne erst später im Rahmen eines (Decoupled) Booksbuildings festgelegt, ist zu diesen Zeitpunkten eine Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen.[72]
4. Insiderhandelsverbot während der Emissionsphase
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Probleme können sich während der Emissionsphase aus dem Insiderhandelsverbot ergeben. Dabei sind zwei Richtungen zu unterscheiden. Die eine Konstellation ist der Fall, dass die Gesellschaft über Insiderwissen verfügt und in dieser Situation Zeichnungen entgegen nimmt. Die andere Konstellation betrifft den Fall, dass ein Zeichner über Insiderwissen verfügt. Damit stellt sich zunächst die Frage, ob die Zeichnung von Aktien überhaupt ein Insidergeschäft i.S.v. Art. 14 MAR i.V.m. Art. 8 MAR darstellen kann. Die BaFin ging zur Rechtslage vor Geltung der MAR davon aus, dass dies der Fall ist.[73] Das erscheint auch grundsätzlich richtig und hat sich wohl auch durch die MAR nicht geändert. Denn der Schutz des Kapitalmarktes ist hier genauso tangiert wie in anderen Fällen wenn jemand Aktien erwirbt und dabei ein Informationsungleichgewicht besteht.
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In Bezug auf die Emittenten empfiehlt es sich daher alle Insiderinformationen vor Beginn einer Zeichnungsmöglichkeit im Wege der Ad-hoc-Mitteilung zu publizieren. Wird ein Prospekt veröffentlicht ist das unproblematisch, weil dann ohnehin so umfassende Transparenz geschaffen wird. Ansonsten kommt es durch Parallelität mehrerer Handlungsstränge schon einmal dazu, dass eine prospektfreie Emission erfolgt und gleichzeitig Insiderinformationen bestehen, z.B. weil ein Unternehmenskauf geplant ist. Hier muss der Emittent denn entweder die Emission verschieben oder die geplante Insiderinformation offenlegen.[74]
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Problematisch ist der Fall, in dem Insider bei der Gesellschaft Aktien zeichnen. Dies kann etwa eintreten wenn ein Investor eine Due Diligence bei dem Emittenten durchführt, dabei in Kenntnis von Insiderinformationen gelangt, und in dieser Kenntnis dann als einziger Investor eine Kapitalerhöhung unter Ausschluß des Bezugsrechts zeichnen will. Nach Auffassung der BaFin liegt bei der Zeichnung von Vorständen, die über Insiderwissen verfügen, Insiderhandel vor.[75] Überträgt man das auf den vorbeschriebenen Fall dürfte der Investor dann nach der Due Diligence nicht zeichnen weil er sich sonst wegen Insiderhandels strafbar macht. Dies ist jedoch abzulehnen.[76] Denn es ist allgemein anerkannt, dass beim Erwerb bereits bestehender Aktien das Insiderwissen des Erwerbers unschädlich ist, wenn der Veräußerer den gleichen Informationsstand hat (sogenanntes Face-to-Face Geschäft), so insbesondere auch die BaFin.[77] Diese Schutzzweckerwägungen gelten auch im Rahmen der Zeichnung einer Kapitalerhöhung. Teilweise wird dies bezweifelt, weil doch die Kenntnis von der Insiderinformation dem entsprechenden Investor es ermögliche besser als andere potenzielle Zeichner zu beurteilen, ob der Preis gerechtfertigt ist.[78] Dieser Einwand gilt aber nur dann, wenn es mehrere potenzielle Zeichner gibt und die Gesellschaft einigen Insiderinformationen vorenthält. Dann macht sich jedoch in dem Moment die Gesellschaft bereits wegen (versuchten) Insiderhandels strafbar. Es ändert sich aber nichts daran, dass im Verhältnis zwischen dem „Insiderinvestor“ und der Gesellschaft Informationsgleichstand herrscht. Aus dem hiervon getrennten Verhältnis zwischen der Gesellschaft und anderen Investoren kann für den Insider keine Strafbarkeit hergeleitet werden.
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In der Literatur wird daher vorgeschlagen, der Emittent solle zur Vermeidung insiderrechtlicher Komplikationen den geplanten Aktienkauf im Voraus publizieren und alle kursrelevanten Informationen offenlegen.
5. Marktmanipulation
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Jeder Emittent muss zudem das Verbot der Marktmanipulation im Sinne des Art. 15 MAR beachten. Die vom Begriff der Marktmanipulation umfassten Handlungen sind in Art. 12 Abs. 1 und 2 MAR umschrieben. Dabei erfasst Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR Geschäfte, Handelsaufträge und Handlungen, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments geben. Hingegen dient Art 12 Abs. 1 lit. b) MAR als Auffangtatbestand, der alle sonstigen Tätigkeiten und Handlungen, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung zur Kursbeeinflussung geeigneten sind, erfasst. Demnach umfasst Art. 12 Abs. 1 lit. a) und b) MAR die handels- und handlungsgestützte Marktmanipulation. Demgegenüber umfasst Art 12 Abs. 1 lit. c) MAR die sog. informationsgestützte Marktmanipulation, wonach die mediale Verbreitung von Informationen, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots oder des Kurses eines Finanzinstruments herbeiführen ebenfalls unter den Begriff der Marktmanipulation fällt. Schließlich enthält Art. 12 Abs. 2 MAR Regelbeispiele für verbotene Marktmanipulation („Cornering“, Scalping“, „Marking the close“) sowie spezielle Manipulationsformen im Hochfrequenzhandel[79].
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Zuletzt gilt es zu beachten, dass nach Art. 15 MAR bereits der Versuch der Marktmanipulation verboten ist. Ein Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation kann zu straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Konsequenzen gem. §§ 119, 120 WpHG (§§ 38, 39 WpHG a.F.) führen. Darüber hinaus kann die BaFin unter Umständen gem. § 15 Abs. 1 WpHG (§ 4b Abs. 1 WpHG a.F.) Maßnahmen wie ein Verbot oder eine Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs oder des Verkaufs von bestimmten Finanzinstrumenten und einer bestimmten Form der Finanztätigkeit oder -praxis treffen. Das macht für die Praxis vor allem die Abgrenzung der unzulässigen Marktmanipulation von notwendigen und zulässigen Stabilisierungsmaßnahmen schwierig.[80] Im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen ist auch schon einmal von Bedeutung, dass von Seiten bestimmter Investoren, Großaktionäre oder auch der Emittenten der Wunsch besteht, dass der Kurs der betroffenen Aktien während der Emissionsphase stabil bleibt oder sich in eine bestimmte Richtung bewegt, etwa damit bestimmte Preisvorstellungen durchgesetzt werden können oder auch damit Spekulanten, die den Kurs drücken, die Kapitalmaßnahme nicht vereiteln können. Hier sind sorgfältig die Grundsätze der Marktmanipulation zu beachten. Es steht jedem Aktionär, der meint, eine Aktie sei mit einem bestimmten Kurs unterbewertet, frei, Aktien zu kaufen wenn diese günstig am Markt angeboten werden. Künstliches Angebot oder Nachfrage dürfen aber nicht erzeugt werden.[81]
6. Mitteilungspflichten und Veröffentlichungspflichten nach dem WpHG
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