Burkhard Wetekam

Greifswalder Gespenster


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Kannst du gleich zur Kriminaltechnik gehen und nachsehen, ob die schon etwas Neues haben?«

      Sie verteilte weitere Aufgaben. Philipp sollte sich zusammen mit zwei Ermittlerteams an Pölzners Wohnort umhören, ein weiteres Team Informationen in den Datenbanken der Polizei und aus Internetquellen sammeln. Sie selbst traf sich wenig später in ihrem Büro mit Lisa, die das am Prägelbach gefundene Fernglas auf den Tisch legte. Es steckte in einer durchsichtigen Beweismitteltasche. »Also, die Techniker meinten, …«

      »Moment«, unterbrach Sylke sie, »ich wollte dir noch sagen, dass ich von deinem Engagement sehr angetan bin. Mach bitte so weiter.«

      Die junge Kollegin strich sich verlegen die Haare hinters Ohr und lächelte.

      »Du stellst die richtigen Fragen, Lisa. Wirklich. Wenn du den Eindruck hast, dass etwas falsch läuft, dann trau dich ruhig und geh dazwischen. Etwas mehr Selbstbewusstsein und du wärst hier irgendwann Dienstgruppenleiterin.«

      Lisa schüttelte den Kopf. »Ist für den Job nicht schon Philipp vorgesehen?«

      »Davon weiß ich offiziell natürlich nichts, geht mich ja auch nichts an. Den Job sollte der Beste bekommen und nicht der Lauteste, oder?«

      Sie wandten sich dem Fundstück vom Prägelbach zu. Es war ein handliches, olivgrünes Fernglas.

      »Die Techniker meinten, es sei zwar etwas verdreckt gewesen, aber nicht so, als hätte es schon längere Zeit an dem Bachufer gelegen. Vielleicht nur wenige Stunden, vielleicht auch ein paar Tage.«

      »Das heißt, es könnte im Zusammenhang mit unserem Fall eine Rolle spielen.«

      Lisa nickte.

      »Durchaus. Verwertbare Fingerabdrücke haben die beiden nicht gefunden. Aber sie wollten da nochmal eine zusätzliche Untersuchung durchführen. Leider ist diese Art von Fernglas sehr verbreitet. Das bekommt man in Läden für Camper, Wanderer oder Jäger. Es gibt aber eine Besonderheit.«

      Sie hob die Tasche mit dem Feldstecher an und zeigte auf eine Stelle nahe am Mittelgelenk.

      »Hier hat jemand die Buchstaben MN eingeritzt.«

      »MN? Was kann das bedeuten? Sind das die Initialen des Besitzers? Jedenfalls nicht von Dirk Pölzner. Vielleicht irgendeine Kennung: Mittlere Neiße oder sowas?«.

      Lisa musste lachen. »Nee, glaube ich nicht. Dann schon eher: »Makellose Natur.«

      Sylke sah sie überrascht an. »Ich biete: Mysteriöser Nebel«.

       »Mutters Neuer.«

       »Mordsgefährliche Notariatsangestellte.«

       »Mozarts Nichte.«

       »Mieser Normalo.«

      Lachend ließ sich Sylke in die Lehne ihres nagelneuen Bürostuhls fallen. Im gleichen Augenblick bemerkte sie Philipp, der ihnen durch die halb offene Tür zusah. Er hatte wohl einiges mitbekommen, zumindest aber den Miesen Normalo. Mit verkniffenem Blick trat er ein.

      »Wir haben einige Namen und Adressen aus dem Umfeld Pölzners recherchiert und fahren jetzt da raus.«

      »Okay, prima«, sagte Sylke. Aber in Gedanken formulierte sie etwas ganz anderes. Es lief nicht gut mit dem Team. Es lief überhaupt nicht gut.

       7

      Das Problem waren die Übergänge. Holz auf Stahl. Tom hatte ein Stück der grauen Innenverkleidung entfernt, welche die bislang heikle Verbindung kaschiert hatte. Jetzt stocherte Frank, der breitschultrige Tischler, mit einem Schraubenzieher in der offenen Wunde herum. Schwarze Bröckchen und butterweiche Holzfasern fielen auf den Boden. Die Dichtungsmasse in den Ritzen war zerbröselt, Wasser hatte eindringen können. Das Holz war unbemerkt verfault.

      »Die Abschlussleisten müssen raus«, sagte Frank. »Alle. Und dann müssen wir sehen, ob wir die Stützen, die das Dach tragen, retten können. Aber zuerst muss die Einfassung entrostet und behandelt werden. Kannst du das machen?«

      Tom nickte. Er kam sich vor wie ein Schuljunge, der nicht bemerkt hatte, dass sich in seinem Ranzen eine giftige Spinne häuslich eingerichtet hatte. Seine alte Barkasse war stärker beschädigt, als er vermutet hatte. Der Plan, nach zwei oder drei Tagen Greifswald wieder verlassen zu können, löste sich in Luft auf. Und wovon er die Rechnung bezahlen würde, war ihm auch noch nicht klar.

      Sie stiegen an Deck. Nieselregen hatte eingesetzt. Frank reichte ihm seine kräftige Hand und stieß, als er an Land gehen wollte, beinahe mit Tanja Grundler zusammen.

      »Ah, der Schiffsdoktor?«

      »Die Diagnose war nicht sehr erfreulich«, sagte Tom grummelnd. Tanja deutete auf das Werftgelände. »Hier war ich noch nie. Das ist ja fantastisch.« Sie ging ein paar Schritte zum Hof der Museumswerft und stolzierte dabei wie ein Storch über die Transportschienen, auf denen die reparaturbedürftigen Schiffe aus dem Wasser gezogen werden konnten. Überall lagen Holzreste herum. Neben der großen Slipanlage war ein alter Segler aufgebockt. Die Werftleute hatten die Bordwand an mehreren Stellen geöffnet, aus den Spanten waren Teile herausgesägt worden. Dahinter gähnte ein schwarzes Nichts. Es war eine Operation am offenen Herzen, in der Luft hing der Geruch nach Schiffspech und feuchtem Holz. »Das ist unheimlich. Und beeindruckend.«

      Tom war Tanja gefolgt. »Hier bekommt man eine etwas andere Vorstellung von der Zeit, in der die Mondnachtbilder aus dem Museum entstanden sind, oder? Harte Arbeit, gebrochene Planken, vernarbte Schiffe. Das unaufhörliche Ankämpfen gegen Undichtigkeit, Fäulnis und ungünstige Winde.«

      »Willst du mir mein Faible für die Romantik austreiben?«

      »Ich denke, dass man nicht die Bodenhaftung verlieren sollte.«

      Tanja wandte sich zur MATHILDA um. »Und das Schiffchen da? Ist das nicht auch so ein Ding, mit dem man den festen Boden hinter sich lässt?«

      Tom musste lächeln. »Ertappt. Ich habe die Barkasse tatsächlich vor der Verschrottung gerettet, als ich in einer echten Krise war. An dem Boot herumzubasteln war monatelang das Einzige, was ich hinbekommen habe.«

      Sie gingen zurück zur MATHILDA. Tanja ließ sich die Barkasse zeigen und staunte über den gemütlich eingerichteten Salon, der sich gerade in eine Baustelle verwandelte. Tom hatte bereits eine Kanne mit Kaffee bereitgestellt, aber Tanja schlug vor, einen Spaziergang zu machen. »Ich muss nachher noch zu einem Besuch in die Universitätsklinik. Auf dem Weg dorthin kann ich dir einen meiner Lieblingsorte in Greifswald zeigen. Ich denke, bei dem tristen Wetter werden wir niemanden treffen, der mir Ärger machen könnte.«

      Sie gingen zur neu angelegten Uferpromenade und überquerten dann das Hafenbecken auf der Fußgängerbrücke. Tom berichtete von seinem Besuch als vermeintlicher Investor bei der Starkwind AG. »Nach außen geben die sich fortschrittlich und naturverbunden. Aber ich denke, das ist nur die halbe Wahrheit. Das Unternehmen steht unter Druck, weil im Augenblick kaum noch neue Windparks gebaut werden. Der Geschäftsführer behauptete aber, dass er kurz davor sei, für den Windpark auf der Friedländer Großen Wiese eine Genehmigung zu beantragen.«

      Tanja sah ihn erschrocken an. »Dazu bräuchte er doch Zugriff auf alle Grundstücke.«

      »Korrekt. Vielleicht hat er geblufft. Ich bin mir nicht sicher.«

      »Wie kann das sein? Meinst du, sie haben Malte …?«

      »… entführt? Erpresst? Keine Ahnung. Ich überwache das Auto des Geschäftsführers – nicht ganz legal, aber anders komme ich nicht dran. Zwischenzeitlich habe ich überlegt, ob es nicht besser wäre, einen weiteren Vorstoß bei der Polizei zu unternehmen. Ich habe kein gutes Gefühl.«

      Tanja schüttelte den Kopf. »Die sind so träge, so unwillig.«

      »Hast du Informationen über die Landbesitzer, auf deren Flächen die Windräder gebaut werden sollen? Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, Maltes Flurstücke zu