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Das Neue Testament - jüdisch erklärt


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href="#ulink_ba05523e-db49-523f-a8c4-116ce732289e">Mk 15,32) und letzten Endes – dem Anschein nach – auch durch Gott (s. Anm. zu Mk 15,34; und Jesu „Verlassenheitsschrei“).

      Man behauptet oft, Markus zeichne einen sehr menschlichen Jesus (sog. Christologie von unten), weil die Vorstellung eines vollkommen göttlichen Christus zur Entstehungszeit des Evangeliums noch nicht artikuliert worden sei. Dennoch gab es schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt (z.B. Phil 2,6–11) sog. Hoheitschristologien auf der Basis der Vorstellung eines göttlichen oder präexistenten Christus. Darüber hinaus lässt Markus Jesus nicht nur dreimal seine Kreuzigung vorhersagen (Mk 8,31; 9,31; 10,34), sondern impliziert an manchen Stellen auch, dass Jesus göttlicher Natur sei, etwa indem er beschreibt, wie Jesus über das Wasser geht (Mk 6,48) und verklärt wird (Mk 9,2). An anderen Stellen werden wiederum Behauptungen der göttlichen Natur Jesu heruntergespielt (s. Anm. zu Mk 16,5). Manchmal wird sogar gesagt, Jesus habe keine Vollmacht besessen (Mk 6,5; s.a. Mk 14,36; 15,34). Markus betont stattdessen die Vorstellung von Jesu Leiden und Sterben als Lösegeld (Mk 10,45). Vermutlich deshalb schließt das Markusevangelium nicht mit einer triumphalen Auferstehungsszene, sondern mit den Frauen, die voller Furcht von Jesu leerem Grab fliehen (Mk 16,8). Die Leserschaft des Markusevangeliums weiß jedoch, dass ihr Schweigen nicht das ultimative Ende der Geschichte ist.

      Paradoxerweise beinhaltet dieses beredte Schweigen zugleich ein weiteres Hauptthema des Markus, das Messiasgeheimnis. Vielfach befiehlt Jesus den Menschen, über seine Wunder oder seine Identität Schweigen zu bewahren. Diese Schweigebefehle sind Ausdruck eines „paradoxen“ Verständnisses Jesu, insofern sie die Ehrfurcht vor Jesus gerade steigern (besonders, weil die Leserschaft die wahre Bedeutung des Geheimnisses kennt). Sie weisen darauf hin, dass es in einer Situation, in der die Regierung charismatischen Anführern misstraut (wie man nicht nur an Jesu Kreuzigung, sondern auch am Tod Johannes‘ des Täufers durch Herodes Antipas erkennen kann), oft die beste Strategie ist, sich unauffällig zu verhalten. Das Motiv dürfte Teil der markinischen Christologie sein: Das Evangelium betont, dass Jesu messianische Identität notwendigerweise das Leiden einschließt und Jesu Tod ein „Lösegeld“ darstellt (Mk 10,45); seine Rolle ist daher erst nach der Kreuzigung vollauf verständlich. Der deutsche Bibelforscher William Wrede (1901) schrieb diese Schweigegebote nicht Jesus selbst, sondern dem Evangelisten zu: Wrede vertrat die Ansicht, dass der Autor auf diese Weise zu erklären versuchte, warum nicht mehr Menschen Jesus zu seinen Lebzeiten als Messias angenommen hatten. Während das Motiv der Geheimhaltung von Matthäus und Lukas übernommen wird, fehlt es bei Johannes fast vollständig. Wie das Motiv innerhalb der Erzählung funktioniert und woher es stammt (von Jesus? aus der mündlichen Tradition? von Markus?), bleibt Gegenstand der Diskussion.

      In den Texten des Neuen Testaments begegnet eine große Bandbreite von Ansichten, ob Nichtjuden in großer Zahl zur christlichen Gemeinde hinzustoßen würden oder nicht, und ebenso von Meinungen, in welchem Ausmaß das jüdische Gesetz auch weiterhin befolgt werden müsse. Einer der interessantesten Aspekte des Markusevangeliums ist seine Zweideutigkeit in dieser Frage. Nachdem das Markusevangelium lange Zeit als unstrittiges Beispiel für einen an Nichtjuden gerichteten Text galt, wird nun jede Passage in dieser Hinsicht neu hinterfragt. Der Grund für diese Ambivalenz mag schlicht darin liegen, dass der Autor sein Evangelium schrieb, bevor die präziseren Begriffe dieser Debatte aufkamen. Markus könnte so viel typischer für die Diskussionen innerhalb des Judentums des 1. Jahrhunderts sein, als bisher generell angenommen wurde.

      Lawrence M. Wills

       Mk 1,1–11 Die Taufe des Johannes (Mt 3,1–17; Lk 3,1–22; Joh 1,6–34) 1,1 Evangelium, gr. euangelion, übers. „gute Nachricht“, wurde im ersten Jahrhundert nicht auf ein Buch bezogen verwendet; das hebr. Äquivalent (Jes 52,7 [mevaser, übers. „{frohe} Kunde bringen“; gr. euangelizō, übers. „eine gute Nachricht verkündigen“]) suggeriert, dass es sich um die gute Nachricht der Befreiung durch Gott handelt. Im römischen Kontext bezieht sich euangelion auf gute Neuigkeiten wie die des Friedens, der durch den Kaiser herbeigeführt wurde. Markus verleiht dem gängigen Begriff eine neue Konnotation: Die gute Nachricht, die durch und über Jesus verkündet wird. Der Eröffnungssatz identifiziert Jesus als den Christus (aus gr. christos; dahinter steht hebr. maschiach, übers. „Gesalbter“). Der Messiastitel wurde bereits auf Könige Israels, den Hohenpriester, Propheten und sogar auf König Kyrus von Persien angewendet, als dieser Gottes Plan ausführt (Jes 45,1). Der Tanach benutzt den Begriff „Messias“ nie für den idealen, zukünftigen davidischen König, obwohl das Versprechen, dass die davidische Linie andauern wird, in Ps 89,19–37 (vgl. auch 2Sam 7) eine ewige Salbung suggeriert. Die Leserinnen und Leser des MkEv müssen also entscheiden, welche Art von „Messias“ Jesus ist: ein königlicher, priesterlicher, prophetischer,