Peter Empt

Hull Storys


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sich die Hernandez/Martinez-Familie. Er versprach, die Familie über seinen weiteren Werdegang zu informieren.

      Conchita fragte er: „Bist du bereit, und auch in der körperlichen Verfassung, mir den Haushalt zu führen? Das betrifft die Reinigung der von mir benutzten Räume und meine Wäsche, jedoch keinen Einkauf und keine Zubereitung von Essen.“

      Conchita blitzte ihn erfreut an: „Ja, Robert, das mache ich gerne. Ich freue mich!“

      Zu Jorge gewandt sagte Robert: „Ich will eurer Mutter 400 Dollar im Monat zahlen. Ist das o. k.?“

      Jorge wusste, dass seine Schwiegermutter dies ablehnen würde. Er war aber der Meinung, dass Roberts Vorschlag richtig war.

      Ohne Zögern sagte er: „Ja, Robert, das ist o. k.!“

      Robert bedankte sich für den schönen Tag bei der Familie und verabschiedete sich.

      4.

      Durch den Nieselregen ging Robert schnell zurück in sein Cottage. Er musste sich mit seiner Zukunft beschäftigen, er benötigte ein Konzept. Zu kommenden Ereignissen musste er Positionen beziehen und Entscheidungen treffen können.

      Robert setzte sich an den Wohnraumtisch. Zunächst hielt er fest, was er in Zukunft vermeiden wollte:

       keine Tätigkeit als fest angestellter Mitarbeiter

       keine Dauertätigkeiten in geschlossenen Räumen

       keine große Seefahrt

       keine Bindung an eine Frau durch Heirat

      Dann notierte er Optionen für seine Zukunft:

       auf Honorarbasis als Bassist in Pubs und Varietés arbeiten

       als Hafenkapitän in Hull-City und Hull-County in Gelegenheits- oder Teilzeitform arbeiten

       Die Beziehung zu einer bürgerlichen Frau suchen

      Robert war sich darüber im Klaren, dass die Erbfrage in der Finnly-Familie einen Einfluss auf ihn haben würde. Seinen verstorbenen Grandpa Jonathan Finnly schätzte er so ein, dass der in seinem Testament Roberts Erbe an dem beträchtlichen Familienvermögen mit Auflagen verband. Zum Beispiel: „Mitarbeit in der DF-Werft“. Das würde wahrscheinlich bedeuten:

       Feste Mitarbeit in der DF-Werft

       Tätigkeit in Büros und Konstruktionsräumen

       Repräsentationstätigkeit in der Firmenleitung

      Dagegen sprach, dass er 18 Jahre nicht mehr konstruiert hatte und sich aufwändig einarbeiten müsste. Seine Cousine Susan und deren Mann Dick würden nicht begeistert sein, denn die Positionen, die Robert einnehmen könnte, z. B. in der Konstruktion, waren mit Sicherheit hochwertig besetzt.

      Nein, er wollte ein einfaches, bescheidenes Leben führen. An einer Vermögensanhäufung war er nicht interessiert. In den Jahren als Trampkapitän hatte er viel Geld gemacht und wenig Gelegenheit gehabt, Geld auszugeben. Eine knappe Million Dollar waren angelegt in Schiffs- und Hafenbeteiligungen. Die Rendite, so der Stand gegenwärtig, reichte für einen einfachen Lebensstil.

      Das Boganson-Cottage gehörte ihm und war nicht belastet. Es lag allerdings auf einer Insel, isoliert von städtischem Leben. Gut, wenn er ein eigenes Dinghy besäße, ließe sich damit das Problem der Isolierung mindern. Boganson-Cottage mit seiner traumhaft schönen Lage konnte ein liebenswerter Platz zum Leben sein. Zu den mit ihm etwa gleichaltrigen Menschen in Westchapel bestanden noch Kontakte, die sich vielleicht wieder beleben ließen. Robert zog in Erwägung, das Finnly-Erbe einfach abzulehnen. Das würde allerdings bedeuten, dass er niemals den Inhalt des Testamentes seines Grandpa erfahren würde. War das von Bedeutung?

      5.

      Der folgende Tag begann mit strahlend sonnigem Wetter. Von Südosten fiel das Sonnenlicht flach auf den St. Andrew Sund und Lichtreflexe blitzten auf den Wasseroberflächen.

      Von der Terrasse an der westlichen Giebelseite des Boganson-Cottage sah man links den 500-Seelen-Ort Westchapel, darüber auf dem Inselkopf den Leuchtturm. Über dem Ort, weiter links. wurde die Sicht nach Süden durch einen sanft geschwungenen Hügelrücken, mit der Bezeichnung „Windegde“ (Windkante), begrenzt. Im Westen leuchtete im Morgenlicht durch den sich auflösenden Dunst das weiße Juragestein der etwa acht Kilometer entfernten Westhighlands, davor die Westbay. Rechter Hand nördlich lag der Sund, hier an seiner engsten Stelle mit einer Breite von etwa 1000 m, an der die Fähre zwischen Westchapel und Westcorner in Hull-City verkehrte. Die Stadt am gegenüberliegenden Sundufer bildete im Dunst schemenhaft eine Linie.

      Heute beabsichtigte Robert einige Einrichtungen und ihm noch bekannte Personen zu besuchen. Als Erstes den Store, in dem sich auch ein Büro der „Hull-City & Hull-County-Bank“ (HCB) und ein Postoffice befanden. Auf dem Weg zum Store erreichte Robert das Bürogebäude des Hafenmeisters, Barny O’Brian, das auch den Land-Stützpunkt der Fähre beherbergte.

      Robert wollte Barny danken für seine Abholung am Pier 6 in Hull-Harbour. Im Büro traf er Barny und den Kapitän der Fähre, Donald McCancie. Die beiden saßen gemütlich bei einem Plausch.

      Robert begrüßte sie: „Hi Barny, hi Don!“

      Grinsend stellte er die Frage in den Raum: „Du hier, Don? Geht die Fähre alleine, ohne Kapitän?“

      Barny und Don grinsten: „Seit vorigem Jahr haben wir einen zweiten Kapitän. Es ist Lena Malinowski, die kennst du nicht. Vor etwa acht Jahren ist sie hier bei uns „angeschwemmt“ worden!“, sagte Don lachend.

      „Hm, gratuliere, dann hast du es jetzt ja ganz gut mit einer Vertretung, Don. Und was gibt es sonst Neues?“

      „Unsere Fähre hat eine neue Maschine und eine Ruderanlage mit Stick-Steuerung bekommen!“, berichtete Don stolz.

      „Wow, woher habt ihr denn die Kohle, um das zu finanzieren?“

      Barny holte genüsslich aus: „Das ist eine Superstory, Rob! Hull-City wollte die Fähre nicht weiterfinanzieren. Hull-County ist, wie du vielleicht weißt, ewig klamm. Raffaela Conte, die Store-Chefin, sitzt seit vier Jahren im County Council. Da hat sie einen cleveren Deal eingefädelt. Es wurde ein Fährverein gegründet, der beide Fähren, Hull-West und Hull-East, für je einen Dollar kaufte. Das Fährpersonal ging über in den Fährverein und wird vom Verein bezahlt. Dann drückte Raff in beiden Councils durch, die Fähren zur zollfreien Zone zu erklären, und jetzt konnten während der Fahrt steuerfrei Tabak und Spirituosen verkauft werden. Seitdem ist der Fährverein ein gesundes Unternehmen. Mit dem steuerfreien Verkauf auf den Fähren begann auch ein leichter Tourismus nach Hull-Island.“

      Robert staunte: „Raffaela scheint eine Kanone zu sein! Ich gehe jetzt rüber zu ihr, um sie persönlich kennen zu lernen.“

      Die beiden nickten.

      Robert betrat den Store. Die Verkaufsleiterin, Mercedes Martinez, begrüßte ihn freundlich so, als sei er ein Familienmitglied.

      „Ist die Chefin im Hause und kann ich sie sprechen?“, fragte Robert.

      „Ja, sie ist oben im Büro. Ich melde dich bei ihr an!“

      Robert war Raffaela Conte ab und zu begegnet in der Zeit, als er in der Werft seines Grandpa Jonathan arbeitete und seinen Grandpa Knuth Boganson in Westchapel besuchte. Jetzt. Nach so langer Zeit, hatte er kein Bild mehr von ihr.

      Er betrat ihr Büro im Obergeschoß. Raffaela Conte, etwa Mitte fünfzig, ging ihm entgegen und reichte ihm lächelnd die Hand. Sie wirkte enorm präsent: kastanienbraunes, halblanges, dichtes Haar, große tiefbraune, weit auseinanderstehende Augen, energische Mundpartie, natürlicher dunkler Teint. Sie trug ein figurbetontes Jackenkostüm aus Tweed in sanften Erdtonfarben.

      Raffaela begrüßte Robert mit angenehm klingender Altstimme. Er war von ihr beeindruckt.

      Er stellte sich ihr vor als Robert Finnly, Enkelsohn