Peter Empt

Hull Storys


Скачать книгу

und Süßigkeiten, alles steuerfrei. Die Überfahrt dauerte mit Ab- und Anlegemanöver vierzig Minuten.

      Gegen 20 Uhr betrat Robert das Westcorner-Inn. Das Publikum des jetzt schon gefüllten Pubs bestand überwiegend aus jungen Menschen. Robert registrierte mit Genugtuung die bunte Mischung von fröhlichen Menschen verschiedenster Ethnien.

      An der linken Raumseite verlief ein langer Tresen in die Tiefe des Raumes. Der Kassenplatz am Tresen war im Augenblick seines Eintretens nicht besetzt. Robert hatte gehofft, Beccy Balmore, die Chefin, anzutreffen. In der hinteren rechten Raumecke war ein Podium als Bühne aufgebaut. Robert eroberte einen Stehplatz am Tresen in der Nähe des Podiums.

      Die Band mit dem Namen „Hull-City-Rollers“ brachte Verstärker und Boxen in Position und begann die Instrumente einzustöpseln und zu stimmen. Auf einer höheren zweiten Stufe des Podiums stand ein sehr komplettes Drumset. Auf der Ebene darunter befanden sich links ein Keyboard, rechts daneben ein E-Gitarren-Set, mittig ein Mikrofon-Set und rechts ein weiteres Gitarren-Set.

      Das enthusiastische Gemurmel im Publikum verstummte augenblicklich, als eine junge rotblonde Frau das Podium betrat und sich an das Drumset setzte.

      Das muss Jennifer O’Toole sein, dachte Robert. Sie sah überirdisch gut aus.

      Sie rückte das Mikro in Position, nahm Schlagstöcke und begann einen schnellen, dezent geschlagenen Rhythmus. Sofort begannen die Pubgäste sich rhythmisch im Takt zu bewegen. Nach etwa 10 Sekunden sprach sie in ihren Schlagrhythmus: „Hi Leute, schön dass Ihr hier seid. Wollt Ihr heute mit uns die Sau rauslassen?“

      Die Menge brüllte: „Wir wollen!“ Dann erschien ein Gitarrist, den die Drummerin als Cliff Hutchinson vorstellte. Es folgte der zweite Gitarrist, Ossy Carpenter, und weiter die schwarze Kim Harvester. Ein großer, schlaksiger Keyboarder wurde als Frank Colomba vorgestellt. Die Menge tobte. Jennifer ließ die Drums sehr laut werden, Frank ließ aus dem Keyboard ein Bass-Riff einfließen. Die E-Gitarren mischten sich dazu und Kim Harvester begann einen Song, den „Hull Dream Song“. Im Publikum schienen sie den Song zu kennen, denn sofort sangen alle mit. Der Vocal Part wechselte zu Cliff Hutchinson, damit Kim mit einem fetzigen Saxofon-Solo einsetzen konnte. Die Euphorie der Menschen im Saal schien sich zu überschlagen, so empfand es Robert. Es war klar, die Band hatte bereits ein Standing in Hull. Sie elektrisierten das Publikum mit einer unglaublichen Power. Kleine Unsauberkeiten in der Musik nahm das Publikum nicht wahr. Von der ersten Minute an wurde gefeiert. Junge männliche und weibliche Bediener flitzten artistisch durch die Menge und baggerten Getränke heran. An der Kasse vorne am Tresenkopf entdeckte Robert Beccy Balmore.

      Die Band spielte eine Reihe Songs aus eigener Entwicklung und auch gecoverte Songs, etwa eineinhalb Stunden. Dann legten sie eine Pause ein.

      Robert arbeitete sich nach vorne durch zu Beccy Balmore und begrüßte sie: „Hi Beccy, ich bin wieder im Lande!“

      Sie sah ihn überrascht an, benötigte eine Sekunde des Erkennens: „Hi Robert, du hier? Du siehst so freizeitmäßig aus! Was ist los mit dir?“

      Robert lächelte: „Ist eine lange Geschichte, Beccy! Ich erzähle sie dir später, wenn du etwas Zeit hast!“

      Beccy nickte mit erfreutem Lächeln. Der Geräuschpegel ließ eine weitere Unterhaltung nicht zu.

      Robert arbeitete sich wieder zum Podium durch. Er sprach den Keyboarder an: „Hi Frank, ich bin begeistert von eurer Power. Warum habt ihr keinen Bass in eurer Gruppe?“

      „Wir konnten noch keinen Bassisten finden, der unseren Soundvorstellungen entspricht!“, erklärte Frank.

      „Könnt ihr euch vorstellen, einen älteren Mann wie mich am Bass zu haben?“

      „Bist du ein Bass-Mann?“

      „Ja, ich könnte direkt bei euch einsteigen, nachdem ich einiges gehört habe!“

      „Ich rede mit meinen Freunden darüber!“

      Die Band beendete ihre Pause und besetzte wieder die Sets.

      Jennifer O’Toole suchte Blickkontakt mit Robert und winkte ihm, auf das Podium zu kommen.

      Cliff und Jennifer sprachen ihn an: „Wie lange willst du heute hierbleiben? Die letzte Nummer spielen wir um 0.45, dann noch ein paar Zugaben. Wenn du bleibst, können wir danach noch eine kurze Probejam spielen, eine Bassgitarre ist hier!“

      „Klar, ich bleibe gerne hier, vielen Dank!“

      Gegen ein Uhr, so schien es, waren alle Fans noch im Pub. Jennifer verständigte sich mit Beccy, dass die Polizeistunde eine viertel Stunde überzogen wurde.

      Robert hatte keinen Alkohol getrunken. Im Anschluss an die letzte Nummer kündigte Jennifer einen Gastbassisten an: Robert Finnly.

      Die gestöpselte Bassgitarre stimmte Robert mit dem Keyboarder, dann ging es los.

      Die Band begann mit einem gecoverten Stück, das Robert kannte. Es fiel ihm leicht, den Bass einzusetzen. Dann drummte Jennifer den Hull-Dream-Song an und Robert ließ das Bass-Riff einfließen.

      Die Fans tobten. Beccy erhob sich erstaunt von ihrem Sitz, als sie Robert am Bass sah. Die Fans forderten ohne Ende Wiederholungsschleifen, damit sie den Refrain mitsingen konnten. Robert hatte inzwischen den Text des Hull-Dream-Song verstanden:

      Hallo, St. Andrew Cathedral

      du bist die größte in Hull

      du bewachst uns Tag und Nacht

      du bist der Anker unserer Stadt

      nach Westen schaust du auf das alte Hull

      nach Osten auf das junge Hull

      du siehst den Sund im Süden

      weiße Steine und Schafe im Norden

      Tag für Tag rufen deine Glocken

      Hi, aufwachen, der Tag beginnt

      Hi, Pause machen mit Kollegen

      Hi, chillen im Pub, wo deine Freunde sind

      (Refrain)

      Hallo, St. Andrew Cathedral

      du bist die größte in Hull

      du bewachst uns Tag und Nacht

      du bist der Anker unserer Stadt

      Durchgefeiert die halbe Nacht,

      angedröhnt am Central-Place;

      hi, St. Andrew, bist du auch noch wach?

      Wir grinsen dich an und heben das leere Glas

      Langsam schleichen wir nach Hause,

      Mutter wartet mit Sorge im Gesicht

      Mutter, mach dir keine Sorge,

      St. Andrew beschützt uns, das ist gewiss

      Hallo, St. Andrew Cathedral

      du bist die größte in Hull

      du bewachst uns Tag und Nacht

      du bist der Anker unserer Stadt

      Vor deinem Altar geben wir uns das Jawort.

      Christen, Juden, Muslime und Buddhisten

      stehen vereint mit uns an diesem geheiligten Ort

      sie alle jubeln uns zu; es staunen die Chronisten

      Ja, vor St. Andrew sind wir alle gleich

      alle Ethnien, alle Geschlechter, alle Klassen

      gemeinsam machen wir unser Leben reich

      Ja, auf St. Andrew wollen wir uns verlassen.

      Beccy zog schließlich der Band den Stecker, nahm ihr Kassenmikro, und rief: „Hi Leute, wir haben die Polizeistunde überschritten, wir müssen Schluss machen. Das Westcorner-Inn und die Rollers, wir bedanken uns bei euch. Ihr wart ein super Publikum! Gute Nacht und gute Heimfahrt! Bis zum nächsten Mal!“

      Es