Stefanie Gislason

Der Ruf der wilden Insel


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und betrachtete das Getränk einen Moment kritisch.

      Dann wanderte ihr Blick zu Halli.

      Er sah sie an.

      Und sie erkannte das, was er ihr sagen wollte, ohne dass ein Wort seinen Lippen verliess.

      Es sei unhöflich, eine Tasse Kaffee abzulehnen…

      Sie schluckte schwer.

      Sah von Halli zur Tasse und wieder zurück.

      Er zwinkerte ihr zu.

      Lächelte leicht.

      Und so hob sie die Tasse zum Mund und nahm den ersten Schluck Kaffee ihres Lebens.

      Er war bitter und entsprach definitiv nicht ihrem Geschmack.

      Aber Hekla betrachtete sie abwartend.

      Prüfend.

      Und so schluckte sie erneut.

      Die Isländerin nickte zufrieden und wandte sich wieder Halli zu.

      Ein Gespräch entstand und endete erst, als der grosse Mann sich schwerfällig erhob, seinen Rücken durchstreckte und sich zu seiner Begleiterin umwandte.

      „Wollen wir?“

      Kristín sah die Enttäuschung in Heklas Gesicht.

      Und spürte selbst, wie schnell sie die junge Frau ins Herz geschlossen hatte.

      Doch sie nickte Halli zu.

      Und eine lange Umarmung später sass sie wieder im Suzuki, auf dem Weg zu ihrem nächsten Ziel.

      Kapitel 13

      „Ich möchte dir etwas zeigen.“

      Kristín sah überrascht zu dem grossen Isländer hinüber.

      Doch er sah sie nicht an.

      An seinen Lippen zupfte nur ein geheimnisvolles Lächeln.

      „Etwas Schönes?“, fragte sie leise.

      Halli nickte.

      „Es ist wunderschön.“

      Mit diesen Worten bog er von der Strasse ab und fuhr über einen kurzen Schotterweg.

      Er hielt direkt vor einem alten Hof.

      „Wohnt hier…?“, setzte Kristín zur Frage an, doch Halli unterbrach sie mit einem Kopfschütteln.

      „Nei… Nein. Dieser Hof ist unbewohnt. Seine Besitzer haben das Weite gesucht.“

      Die junge Frau schüttelte bedauernd den Kopf.

      „Das ist schade. Er steht an einem besonderen Ort.“

      Sie drehte sich einmal um die Achse und bewunderte die Aussicht.

      Halli kam nicht umhin, ihren Bewegungen zu folgen.

      Sein Blick wurde weich, als er ihr antwortete.

      „Es gibt viele solcher Höfe auf Island. Um die ganze Insel verteilt. Immer wieder werden solche Bauten zu Gunsten anderer, meist moderneren, aufgegeben. Manchmal reicht das Geld nicht mehr und der Besitzer muss verkaufen. Und manchmal gefällt der jetzige Ort schlicht nicht mehr. Es gibt sehr viele Gründe.“

      Sie lauschte seinen Worten, während ihr Blick auf dem verlassenen Hof weilte.

      Dann drehte sie sich zu ihm herum, legte den Kopf schief und grinste schelmisch.

      „Was ist nun deine Überraschung? Hast du diesen Hof gekauft?“

      Sie lachte belustigt.

      Halli kratzte sich verlegen am Kopf.

      Völlig gebannt von ihrem Anblick.

      Doch er riss sich los und machte ein paar Schritte an ihr vorbei, als er ihr auffordernd zuwinkte.

      „Na los. Komm mit. Das Beste kommt erst noch.“

      Er ging voraus, sein Ziel vor Augen und Kristín folgte ihm, tapfer versuchend mit dem grossen Mann Schritt zu halten.

      Als er plötzlich stehen blieb, wäre sie beinahe mit ihm kollidiert.

      Er lachte leise.

      Dann umfassten seine Finger ihr Kinn und hoben es sachte an.

      Ihre Augen trafen sich einen Moment, ehe sie der ausladenden Bewegung seiner Hand folgte.

      „Das wollte ich dir zeigen.“

      Kristín war gefesselt von dem Anblick, der sich ihr bot.

      Das Meer.

      Sie konnte das Meer sehen.

      So nah.

      So mächtig.

      Und als würde es sie begrüssen, erfasste ein Windstoss die junge Frau, brachte sie so einen Augenblick ins Wanken.

      Doch grosse, warme Hände waren sofort zur Stelle, um sie aufzufangen.

      Ihre Blicke trafen sich, begegneten sich mit einer Intensität, die ein Denken unmöglich machten.

      Sie war so schön, wie sie dastand, dieses Strahlen, diese Faszination, in den Augen.

      Der Wind spielte mit ihren Haaren.

      Und ihr Lächeln wurde immer breiter.

      „Willst du näher hin?“

      Er fühlte sich plump.

      Unfähig, sich ihrer Magie zu entziehen.

      Doch sie lächelte nur.

      Warm, offen.

      Und berührte damit sein Herz.

      „Sehr gern.“

      Sie drehte sich um, der Zauber brach.

      Ihr Blick glitt über den Strand.

      „Gehen wir ein Stück?“

      Halli nickte, nahm ihre Hand und half ihr, über die Steine hinweg hinunter zum Meer zu gelangen.

      „Es soll Tage geben, an denen man hier Seehunde sehen kann.“

      Er deutete hinaus aufs Wasser.

      Sie folgte seinem Blick.

      „Hast du schon einmal welche gesehen?“, fragte sie leise.

      Er schüttelte bedauernd den Kopf.

      „Ich bin sehr selten am Meer.“

      Da war er wieder.

      Dieser Unterton.

      Dieses Mal wagte sie es.

      „Was ist passiert?“

      Kristín blieb stehen.

      Den Blick auf das tosende Wasser gerichtet.

      Es blieb still.

      Keiner sagte ein Wort.

      Dann plötzlich begann er zu reden.

      Seine Stimme zitterte leicht.

      Doch sie konnte deutlich spüren, dass er stark sein wollte.

      „Meine Mutter starb als ich noch klein war.“

      Er machte eine Pause.

      „Mir wurde erzählt, sie sei ins Meer gegangen.“

      Ihre Hand tastete nach seinem Arm.

      Die Wärme ihrer Finger prickelte auf seiner Haut.

      Er schnaubte leise.

      Seiner Enttäuschung Luft machend.

      „Sie hat sich das Leben genommen. Mamma war depressiv.“

      Sein Blick richtete sich zu seinen Füssen.

      „Man