Stefanie Gislason

Der Ruf der wilden Insel


Скачать книгу

versuchte sich der Isländer zu rechtfertigen.

      Ohne weiter zu überlegen, streifte sie ihn sich über.

      Er war viel zu gross, aber sofort spürte sie, dass der Wind viel weniger an ihre Haut herankam.

      Ungläubig sah sie Halli an.

      Dieser schmunzelte.

      „Isländische Wolle. Unsere Schafe sind berühmt dafür.“

      Er zupfte den Pullover etwas zurecht und wies dann mit der Hand die Strasse hinunter.

      „Wollen wir? Ich könnte etwas zu essen vertragen.“

      Kapitel 7

      Kritisch beäugte Kristín den Hotdog, eine Pylsa með öllu, wie Halli ihn nannte, in ihrer Hand.

      „Unser inoffizielles Nationalessen hier in Island. Na los, versuch es.“

      Aufmunternd wedelte er mit seinem Hotdog vor ihrem Gesicht herum, ehe er genüsslich hinein biss.

      Ungläubig sah sie ihm dabei zu, wie er sein Essen mit drei Bissen hinunterschlang und sich anschliessend die Finger sauber leckte.

      Er lächelte, als er ihre hochgezogene Augenbraue bemerkte.

      „Schmeckt es dir nicht?“, fragte er belustigt und betrachtete sie mit leicht geneigtem Kopf.

      Verlegen lenkte die junge Frau ihren Blick zurück auf den Hotdog in ihrer Hand, holte tief Luft und biss zögerlich hinein.

      Der Geschmack überraschte sie durchaus positiv.

      Und als sie sich schliesslich ebenfalls die Finger säuberte, stupste Halli Kristín lachend in die Schulter.

      „Wusste ich es doch, dass dir das schmeckt. Aber sei nicht zu gierig. Später bekommst du noch die beste Hummersuppe, die du je in deinem Leben essen wirst.“

      Kristín schüttelte panisch den Kopf.

      „Tut mir leid, Halli. Ich esse keinen Hummer.“

      Der grosse Isländer hob belustigt eine Augenbraue und lächelte wissend.

      „Das haben schon viele gesagt. Aber ich verspreche dir, wenn du diese Suppe gekostet hast, wirst du deine Meinung revidieren. Bitte, lass es uns versuchen, ja?“

      Er neigte den Kopf erneut zur Seite und betrachtete sie mit einem Blick, dem man am ehesten mit einem bettelnden Hund vergleichen konnte.

      Und Kristín spürte, wie ihr Widerstand brach.

      Was hatte dieser Mann nur an sich, dass er sie so leicht um seinen Finger wickeln konnte?

      Er wusste eindeutig, dass er gewonnen hatte.

      Sie sah es in seinen Augen.

      Diese glitzerten vergnügt, als er begeistert in die Hände klatschte.

      „Komm, Kristín. Lass uns sehen, dass wir für dich eine etwas wärmere Kleidung finden.“

      Dann eilte er mit schnellen Schritten vor ihr her und die junge Frau hatte Mühe, mit ihm mitzuhalten.

      Sie hatte keine Gelegenheit, ihren Blick auf die Ladengeschäfte links und rechts zu richten, ihr Fokus lag allein auf dem rothaarigen Mann vor ihr, der gar nicht mitbekam, wie er die Blicke auf sich zog und ohne Probleme die Menge vor sich teilte.

      Eine Zeit lang hielt er sich das Mobiltelefon an sein Ohr.

      Aber sie bekam kein Wort des Gespräches mit.

      Das Geschnatter der anderen Menschen um sie herum war zu laut.

      Erst als er eine Nebenstrasse zum Laugavegur erreicht hatte, verlangsamte er seine Schritte.

      Das Telefon war wieder in seiner Jacke verschwunden.

      Vor einem Ladenfenster mit Wollwaren blieb er schliesslich stehen und sah sich nach ihr um.

      Leicht ausser Atem blieb sie neben ihm stehen und versuchte ihren Puls etwas zu beruhigen.

      „Sag mal, musst du immer so rennen?“

      Sie war ziemlich sauer, weil es ihr sehr schwer gefallen war, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

      Zum Glück war er so gross, dass er die Leute um ein gutes Stück überragte.

      So fiel es ihr bedeutend leichter, ihm zu folgen.

      Halli sah irritiert auf sie herab.

      „Rennen? Ich bin doch ganz normal gelaufen…“

      Kristín musterte ihn kritisch, doch er schien wirklich nicht zu verstehen, was sie gegen seine Gangart hatte.

      Also stupste sie ihn in den Oberarm und schenkte ihm ein versöhnliches Lächeln.

      „Versuch doch in Zukunft bitte, daran zu denken, dass ich etwas kürzere Beine habe als du.“

      Er nickte bekräftigend und schenkte ihr einen entschuldigenden Blick.

      Dann drehte er sich um und deutete auf die Wollwaren in der Auslage des Ladens.

      „Meinst du, wir finden hier etwas für dich?“

      Er klang etwas kleinlaut.

      Kristín berührte ihn an der Hand, so dass er sich wieder zu ihr umwandte.

      „Lass es uns herausfinden.“

      Dann trat sie mit dem sicheren Wissen in den Laden ein, dass der Isländer ihr folgen würde.

      Kapitel 8

      Mit einem warmen Pullover, einer neuen Jacke, einem Schal und einer Mütze bewaffnet verliess Kristín sauer den Laden.

      Wütend stapfte sie die Strasse hinunter, aus der sie vorhin gekommen waren.

      Nicht ein einziges Mal drehte sie sich herum, um zu sehen, ob Halli ihr folgte.

      Aber sie konnte deutlich hören, dass er hinter ihr war.

      Er rief ihren Namen, doch sie reagierte nicht.

      Sie konnte hören, wie der Isländer hinter ihr erneut zu telefonieren begann.

      Sein Tonfall war sehr harsch und es schwang deutlich Verärgerung mit, als er mit seinem Gegenüber sprach.

      Doch sein Isländisch war so fliessend und schnell, dass Kristín nicht ein Wort aufschnappen konnte.

      Aber es war ihr auch egal.

      Erneut rief Halli ihren Namen.

      Die Leute auf der Strasse drehten sich nach ihnen um, doch die junge Frau stürmte einfach weiter.

      Und erst, als sie den Laugavegur erreichte und in die Masse von Touristen eintauchte, verlangsamte sie ihre Schritte.

      Ihr Kopf glitt von links nach rechts.

      Wie sollte sie sich nur ohne Halli hier zurechtfinden?

      Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, griff eine grosse Hand nach ihrer Schulter und drehte sie zu sich herum.

      Mit hochrotem Kopf und ein wenig ausser Atem stand Halli vor ihr und funkelte sie wütend an.

      „Was sollte das?!“

      Sie wich seinem Blick nicht aus.

      „Wie bitte?! Erklär du mir lieber, was das eben sollte!“

      Ihr Finger bohrte sich in seine Brust, was ihn aber nicht zu interessieren schien.

      „Was fällt dir ein, mich an der Kasse so zu demütigen!

      Was fällt dir ein, meine Einkäufe für mich zahlen zu wollen?!“

      Die Leute um sie herum blieben neugierig stehen, betrachteten das ungleiche Paar.

      „Darum