Katie Volckx

Durchgeknallte Weihnachten


Скачать книгу

von eins neunundsechzig gerade einmal achtundvierzig Kilo gewogen hatte.

      Seelenruhig und splitterfasernackt stand er nun vor mir. »Ich hatte einfach kein anderes parat, Mann.« Er hatte kein anderes parat? Überall standen hier irgendwelche Bilder von mir herum, somit hätte er nur nach rechts oder nach links greifen müssen. Gut, auf ihnen war ich nicht allein zu sehen, aber eine Zeitungsredaktion hätte mich da ja bestimmt fein säuberlich herausschneiden können.

      »Willst du mich verarschen?«, brüllte ich ihn an.

      Er kniff die Augen fest zusammen, um mir zu signalisieren, dass ihm beinahe das Trommelfell geplatzt wäre.

      Dann zeigte ich auf seinen Nachttisch. »Wie wäre es mit diesem Bild gewesen?« Schön, es war von mir mit Herzchen und Sternchen via Photoshop romantisch herausgeputzt worden, aber immer noch besser als eine sechs Jahre alte Fotografie, auf der ich den Anschein erweckte, dass ich ein schwerwiegendes Drogenproblem gehabt hätte.

      »Machst du Witze? Du regst dich über das Bild auf?« Er ließ sich auf dem Bett nieder, da er ahnte, dass die Auseinandersetzung einige Zeit beanspruchen würde und seine Dusche noch warten musste.

      »Nein! Ich meine, ja! Ich meine, ich rege mich über alles auf! Wie konntest du angeben, dass wir verlobt sind?«

      »Warum nicht? Haben wir denn nicht schon einmal über Kinder und das Heiraten gequatscht? Ist das plötzlich nicht mehr aktuell?« Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien er sich ernsthaft zu wundern.

      »Ich weiß ja nicht, welchen Planeten du dein Zuhause nennst, aber diese beiden Themen sind schon lange nicht mehr aktuell. Oder hast du mein Ultimatum schon wieder vergessen?«

      »Du meinst, dass ich mir einen Job suchen soll?« Ich bestätigte das mit einem Kopfnicken. »Ich habe dir doch gesagt, dass ein Job keinen Sinn ergäbe, denn wenn erst einmal ein Kind im Haus wäre, müsste sowieso einer von uns beiden zu Hause bleiben und es hüten.«

      Es machte mich immer rasender, wie er sich alles so zurechtbog, wie es ihm gerade passte. Denn es ging mir in erster Linie um eine gewisse Bodenständigkeit, die mit einem Job einherginge. Was sollte ein Kind mit einem Vater anfangen, der sich gegen jede Verantwortung und jede Pflicht sträubte, als würden diese Eigenschaften innerhalb eines Jahres tödlich enden? Ich wollte einem Kind lediglich die Stabilität bieten, die es verdiente.

      »Matz, wir sind nicht verlobt!«

      »Na gut! – Darf ich endlich duschen gehen?«

      Wollte er mich absichtlich auf die Palme bringen oder fühlte er sich meiner wirklich so sicher? »Und warum hast du dich in dem Artikel als Held verkauft? Ich konnte ja schon froh sein, dass du dir beim Verrücken des Schranks nicht das Rückgrat gebrochen hast.« Ich wollte aus Wut anfügen: »Du Schlappschwanz«, aber das kam mir dann doch sehr unsachlich vor.

      Diese Äußerung schien auch schon ganz ohne den ordinären Ausdruck an seinem Stolz zu kratzen, denn plötzlich fuhr er vom Bett hoch und stellte sich mir bedrohlich nahe. Er schaute von oben auf mich herab. »Du musst mich jetzt auch nicht schlechter machen als ich bin, verstanden?«, zischte er durch die Zähne.

      Ich ließ mich nicht einschüchtern. »Verstehst du das nicht? Der ganze Artikel ist komplett gelogen. Ich war weder stundenlang in der Kammer eingesperrt noch hast du die Polizei gerufen noch haben wir je einen transportablen Tresor besessen ... Mein Schreibtisch hat nicht einmal einen Rollcontainer. Er ist aus massivem Holz und hat nur eine Schublade vorn unter der Tischplatte. Ich meine, da stimmt einfach vorne und hinten nichts, und wenn das die Polizei herausfindet, bist nicht nur du, sondern auch ich dran.«

      »Da kommen wir der Sache schon näher.« Skeptisch zog er eine Augenbraue nach oben und massierte sich das Kinn mit dem Zeigefinger und Daumen. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte man meinen können, er wäre unter die Detektive gegangen. Ich blickte ihn fragend und auffordernd zugleich an, während er seine Erleuchtung in einer Kunstpause ausgiebig zelebrierte. »Es geht hier mal wieder einzig und allein um dich. Du-du-du-du-du!«

      Und das war die Erleuchtung?

      Fassungslos schüttelte ich den Kopf und wandte mich von ihm ab. »Du hast recht«, gab ich überspitzt von mir, damit er die Ironie in meiner Stimme klar und deutlich heraushören konnte (sicher war sicher), »der größere Egoist von uns beiden bin selbstverständlich mal wieder ich.« Geschäftig fummelte ich über eine Kommode, um mich davon abzuhalten, ihm die Augen auszukratzen oder ihm einen kräftigen Tritt in die Weichteile zu verpassen oder ihm eine der drei Tischlampen in diesem Raum über den Kopf zu braten.

      »Ist es nicht so? Die einzige Person, die hier ständig irgendwelche Anforderungen stellt, bist doch du!«

      »Pfff!«, stieß ich empört aus, und es war mir egal, dass mir hierbei ein paar Speicheltropfen nach allen Seiten entwichen. »Anforderungen, was? Ich nenne das schlicht und ergreifend den Appell an einen gesunden Menschenverstand. Schlimm genug, dass ich mich an deiner Seite wie deine Mutter und nicht wie deine Lebenspartnerin fühlen muss.«

      »Lass meine Mutter aus dem Spiel!« Nackt wie er war, stampfte er durch den Korridor ins Bad. Dabei schaukelten seine Kronjuwelen hin und her und verleiteten mich zu der Vorstellung, sie in einen Schraubstock einzuspannen und Matz zum Winseln zu bringen.

      Ist der so doof oder tut er nur so?, fragte ich mich, als ich ihm hinterherdackelte wie der letzte Depp. »Es geht hierbei doch nicht um deine Mutter, verdammt ...« RUMS! Er schlug mir die Tür vor der Nase zu, gerade als ich Luft holte, um seine Unterstellung für null und nichtig zu erklären.

      Er machte es mir wirklich einfach. Ich hatte befürchtet, ich müsste über meinen Schatten springen, um der Beziehung das inzwischen heiß ersehnte Ende zu setzen, doch allmählich schwand auch noch der letzte Hoffnungsschimmer, was meine Gewissensbisse ein für alle Mal mattsetzte.

      Wutschnaubend klopfte ich an die Tür und schrie: »Es geht darum, dass ...« Wie beknackt war ich eigentlich? Nicht nur, dass er sehr wohl verstanden hatte, dass es hier nicht um seine Mutter ging, noch dazu hatte er nicht einmal die Tür verriegelt. Also, was tat ich hier? Warum ließ ich mich so rotzfrech ausbremsen, anstatt einfach das Bad zu stürmen und ihm den Marsch zu blasen?

      Das tat ich dann auch. Also, das Bad stürmen!

      Matz stand gerade vor dem Spiegel und drückte sich seelenruhig Mitesser an der Stirn aus. »Was willst du?« Er wandte seinen Kopf zu mir, sah mich mit zuckenden Mundwinkeln an, als wäre ich nur irgendeine lächerliche Figur, und widmete sich dann wieder ganz seiner unreinen Haut.

      Nun gut, seine Mitesser waren ihm wichtiger als ich – das wollte er mir doch damit mitteilen, richtig? Aber darüber würde ich mich nun nicht aufregen. Vielmehr sollte mir das als Anlass dienen, die Trennung zu beschleunigen, denn mir ging die Kraft aus. In dieser Sekunde erkannte ich es und konnte es wohl kaum länger ignorieren.

      »Was ich will?« Ich stemmte die Arme in die Hüften und ließ meinen Kopf energielos nach vorn fallen. »Die Tatsache, wie gut du lügen kannst, macht mich stutzig«, kam ich noch einmal auf den Artikel in der Zeitung zurück. »Noch dazu musste ich erfahren, dass du eine Mietnomade bist und dich durchs Leben schummelst.« Bei diesen Worten war meine Wut in Enttäuschung umgeschwungen. »Aber am schlimmsten war der Moment, in dem ich mir zum ersten Mal eingestehen musste, dass du mich nicht liebst. Nicht nicht mehr, nein, du hast es niemals getan.«

      Er ließ Mitesser Mitesser sein und wandte sich mir mit leichenblassem Gesicht wieder zu. In meinen Augen flackerte wütende Entschlossenheit. Endlich hatte er begriffen, dass er bei mir verspielt hatte. Doch vor Entsetzen war er außerstande, etwas darauf zu erwidern, hatte nicht damit gerechnet, dass ich ihm jemals auf die Schliche kommen würde.

      »Die ganze Zeit habe ich gedacht, du hättest dich auf eine unangenehme Weise verändert, dabei war unsere ganze Beziehung von Anfang an nur ein fake, was?«

      Er blinzelte sich aus seiner Schockstarre. »Ein – was?«

      Wollte er mich zum Narren halten? »Ein fake, herrje! Hattest du denn kein Englisch in der Schule?«

      Mit