Katie Volckx

Durchgeknallte Weihnachten


Скачать книгу

sich Mühe!

      »Sicherheitshalber! Es hätte ja durchaus sein können, dass dir das noch zu nahe ist.«

      »Na ja, dein Aftershave rieche ich noch.« Das tat ich wirklich. Es roch würzig-penetrant.

      Er hob eine Augenbraue an. »Soll ich mich jetzt auch noch duschen gehen?«

      »Das klingt ein bisschen danach, als hättest du eine Aversion gegen Wasser«, zog ich ihn auf und hatte sogar richtig Spaß daran.

      Er anscheinend ebenfalls. »Ich habe wohl eher eine Aversion gegen Stinkstiefel wie dich.« Er zwinkerte mir mit einem Auge zu. »Wie kann ein einziger Mensch so mies gelaunt sein? Und das auch noch an diesen heiligen Tagen.«

      Trotzig zuckte ich mit den Schultern und drehte nervös mein Glas. »Ich habe mir Weihnachten auch etwas anders vorgestellt. Stattdessen stehe ich a) kurz vor einer Trennung, habe b) Stress mit meiner besten Freundin, werde c) immer runder um die Hüften herum und bin d) zu allem Überfluss gestern auch noch überfallen worden – in meinem eigenen Haus, versteht sich.« Ich beobachtete ihn dabei, wie seine Augen bei jedem Punkt größer wurden vor Erstaunen. Nur Punkt C veranlasste ihn, einen kurzen prüfenden Blick auf meine Hüften zu werfen.

      Er nahm einen großen Schluck aus seinem Bierglas, ein Akt, der mich ahnen ließ, dass er es für seine Nerven brauchte. »Okay! Zu Punkt A: Warum? Zu Punkt B: Warum? Zu Punkt C: Es ist alles da, wo es hingehört. Und zu Punkt D: Jetzt weiß ich, warum du mir so bekannt vorkommst.«

      »Ach ja?«, bezog ich mich lediglich auf die Antwort auf Punkt D. »Und woher?« Ich war richtig überrascht, dass das doch nicht nur eine doofe Anmache gewesen war.

      »Na, der Überfall steht doch im Tagesblatt. Und über dem Artikel ist ein kleines – sehr kleines – Bild von dir abgedruckt.«

      »Im Ernst?«, klang meine Stimme hell vor Aufregung. »Woher wissen die davon?«

      Der Barkeeper hatte unser Gespräch aufmerksam verfolgt und griff unter den Tresen. Da holte er die Zeitung von heute hervor, legte sie mir direkt vor die Nase und tippte mit dem Finger auf den Artikel auf der Titelseite. Sofort hob ich diese auf und hielt sie mir dicht vors Gesicht, weil ich meinen Augen nicht trauen wollte.

      »Das darf ja wohl nicht wahr sein!« Beim Lesen klappte mein Kinn herunter. »›Leonie Pfeiffer stundenlang in der Vorratskammer der Küche eingesperrt, als ihr Verlobter Matz Grimm sie befreit und die Polizei ruft‹«, las ich vor, mehr vor mich hinmurmelnd.

      »Deshalb habe ich dich auch nicht gleich erkannt. Das Bild in der Zeitung macht einen ganz anderen Menschen aus dir. Aber diese Augen«, warf er mir ein vor Sehnsucht zergehendes Lächeln zu, »die sind dieselben.«

      Ich stellte mich taub. »Woher haben die das überhaupt? Das ist sechs Jahre alt.« Dann flog mein Blick weiter über den Artikel. Zwischendurch stieß ich immer mal wieder ein fassungsloses: »Die sind doch wohl ... (bescheuert)« oder ein verärgertes: »Die haben doch wohl ... (den Schuss nicht gehört)« aus, konnte die Sätze aber nie beenden. Das war einfach zu grotesk. »Hör mal zu«, richtete ich mich an den Fremdling, der mir doch eben noch mit seiner Existenz auf den Wecker gefallen war. »›Der Einbrecher klaute den transportablen Tresor samt zwanzigtausend Euro aus dem Rollcontainer des Schreibtisches, als er den dazugehörigen Schlüssel nicht finden konnte.‹ Wir besaßen noch nie einen transportablen Tresor. Und schon gar keine zwanzigtausend Euro. Ist das zu fassen?«

      »Na, da hat dein Verlobter seinen Nachnamen ja völlig zu Recht, hm?«, bemerkte der Barkeeper trocken, während er leger ein Glas polierte und es zum Quietschen brachte.

      Der Fremdling lachte herzhaft und fuhr sich mit den Händen durch seine dunkle Sturmfrisur. »Stimmt, an ihm scheint ein guter Märchenerzähler verloren gegangen zu sein.«

      Der war zwar gut (!), aber mir war, wenig überraschend, derzeit nicht zum Lachen zumute. »Woher wollt ihr denn wissen, dass das von ihm aus kommt, hm? Hm?«

      »Ich kenne Matz Grimm gut genug, um zu wissen, dass er dauerarbeitslos und chronisch pleite ist«, antwortete der Barkeeper. »Der Überfall ist offensichtlich die Gelegenheit für ihn, ganz groß abzusahnen.«

      Leider musste ich zugeben, dass nur einer in Frage kam, der für diesen Artikel verantwortlich sein konnte: Matz! Dennoch musste ich das hier ja nicht so breittreten. Nicht seinetwegen, mehr noch meinetwegen. Augenblicklich war es mir nämlich ziemlich unangenehm, dass ich mit dieser Lusche in Verbindung gebracht wurde. Was war heute los? Erst Paulina, jetzt Matz.

      »Woher kennst du ihn denn?«, hakte ich neugierig nach und schob die Zeitung auf eine Weise von mir, als würde sie nach faulen Eiern riechen.

      »Meine Mutter bekommt nur eine kleine Rente und hat das Obergeschoss ihres Hauses in ein hübsches Apartment umbauen lassen. Vor etwa drei Jahren hatte er es bezogen. Da bekommt man so einiges mit.« Er zwinkerte mir vielsagend zu. Klatsch und Tratsch lauerte eben an jeder Ecke. »Und es dauerte auch nicht lang, da hat er die Miete nicht mehr gezahlt.«

      Ich wollte mir nicht ausmalen, dass ich die Dumme war, die er zu seinem Glück gefunden und ihm ein neues, sicheres Heim geschenkt hatte. Es passte alles zusammen.

      Ich musste unwillkürlich laut schlucken. »Um wie viele Mieten wurde sie geprellt?«

      »Um sechs. Sie war einfach zu gutgläubig und jovial.« Er seufzte. »Er ist ein pathologischer Lügner. Aber du wohnst mit ihm zusammen – das wirst du wohl längst herausgefunden haben, nicht wahr?«

      Na ja, ich hatte so einiges herausgefunden, aber ein so soziopathisches Verhalten hatte ich ihm nicht zugetraut. Oder traute ich es ihm doch zu, wollte mir aber nicht eingestehen, dass ich genauso auf ihn hereingefallen war wie die Mutter des Barkeepers? War unsere gesamte Beziehung etwa wirklich nur auf einer einzigen Lüge aufgebaut? Immerhin hatte die Fassade vor einigen Monaten zu bröckeln begonnen. War es ihm irgendwann zu anstrengend geworden, die Maskerade aufrechtzuerhalten?

      Ich nickte nur. Was sollte ich darauf auch schon sagen? Als ich mich daraufhin wieder dem Fremdling zuwandte, war dieser plötzlich verschwunden. Ich sah mich nach allen Seiten um, dachte, er hätte sich nur woanders hingesetzt, doch er war nirgends zu sehen.

      »Wo ist er hin?«, zeigte ich auf den leeren Hocker. Wahrscheinlich war dieser noch warm.

      »Er ist gegangen. Hast du das nicht mitbekommen?« erwiderte der Barkeeper schmunzelnd. Machte er sich jetzt auch noch lustig über mich?

      »Ähm, nein, ich habe mich doch mit dir unterhalten.«

      »Gib jetzt bloß nicht mir die Schuld daran.« Er schmunzelte.

      »Nein, gewiss nicht. Ich denke, meine Art hat ihn verjagt.« Machte mich das jetzt etwa traurig?

      »Na ja, vielleicht liegt es auch daran, dass du nicht gerade von ihm angetan warst. Ich meine, er hat sich sogar von dir weggesetzt.«

      Missmutig stützte ich mein Kinn in die Hand. »Schon gut! Musst es mir ja nicht so aufs Butterbrot schmieren.«

      »Ich wollte dich bloß daran erinnern.« Er gackerte. »Was hat denn plötzlich deine Meinung geändert?«

      Ich zuckte mit den Schultern, simulierte Ahnungslosigkeit. Aber dann konnte ich nicht mehr an mich halten und platzte heraus: »Er hat mir einfach gefallen, okay?«

      »Okay, okay!«

      »Weißt du wenigstens seinen Namen?« Ich war nicht einmal dazu gekommen, es von dem Fremdling selbst zu erfahren, nur wegen des blöden Artikels.

      »Nein, woher denn?« Er schien sich köstlich zu amüsieren.

      Aber vielleicht sollte es ja auch nicht sein? Immerhin hätte er sich ja nicht so klammheimlich davonschleichen müssen. Das bewies doch eigentlich nur, dass er kein weiteres Interesse an mir verfolgt hatte. Vermutlich wollte er mich sogar nur für eine Nacht. Also hätte ich doch froh sein müssen, dass mir das heute Abend erspart geblieben war. Schließlich hatte ich wirklich allerhand andere Probleme, mit denen ich mich herumschlagen musste.

      »Auch gut!«, tat ich es ab, rutschte vom