Patrizia Lux

Love of Soul


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      „Ja, mit Ferry.“

      Darum war er so gelassen gewesen. Ich konnte es nicht glauben.

      „Schmeiß dieses Zeug weg“, sagte ich.

      „Ich schenke es Ferry, keine Sorge.“

      Wir gingen in das Lokal, und ich versuchte, mich zu entspannen, aber es funktionierte nicht. Irgendwie war ich total nervös. Also dieses Zeug brauchte ich nicht. Wahrscheinlich wirkte es bei mir anders. Als wir die Speisekarte studierten, denn langsam hatte ich einen Bärenhunger, ging die Tür auf, und meine Mutter stand plötzlich da. Ich dachte zuerst, das käme von dem Zeug, dass ich jetzt noch meine Mutter sah, aber sie stand tatsächlich da. Wutentbrannt kam sie auf uns zu. Sie sah aus wie Nadims Mutter. Jetzt hatte ich schon zwei Monster, die mich auffressen wollten.

      „Du bist wohl komplett verrückt zu stoppen!“, meinte sie. „Was machst du überhaupt hier?“

      „Wir wollten nur essen gehen“, sagte ich erschrocken.

      Nadim war es auch peinlich, und mir noch zehntausendmal mehr.

      „Wo hast du uns gesehen?“, fragte ich aufgeregt.

      „Ich habe euch gesehen, wie ihr in das Auto eingestiegen seid“, meinte sie. „Der, mit dem ihr mitgefahren seid, fuhr ja wie der Henker.“

      Wie war sie uns hinterhergekommen?, fragte ich mich. Aber bei meiner Mutter war alles möglich, wenn sie etwas erreichen wollte.

      „Du kommst jetzt sofort mit“, meinte sie.

      Die anderen Gäste blickten schon zu uns. Es war einfach nur noch peinlich. Fehlte nur noch, dass sie mich an den Haaren hinauszog. Sie packte meinen Arm und zog mich hoch, nahm mich am Arm und führte mich hinaus wie eine Verbrecherin. Nadim saß verdattert da, und ich konnte so schnell gar nicht schauen, wie ich draußen war. Ich konnte ihn doch jetzt nicht alleine lassen, dachte ich mir.

      „Wir müssen Nadim mitnehmen“, sagte ich.

      „Den nehme ich sicher nicht mit“, meinte sie.

      Das war echt ein Horrorabend, dachte ich mir. Ich redete kein Wort mit ihr auf der Fahrt. Die spann wohl, mich in so eine peinliche Situation zu bringen!

      „Wie konntest du mich nur so enttäuschen?“, meinte sie. „Ich habe dir gesagt, dass er nichts für dich ist.“

      Ich bekam zwei Wochen Hausarrest und musste ihr versprechen, dass ich nichts mehr mit Nadim machte, sonst ließe sie mich gar nicht mehr hinaus. Ich versprach es ihr, aber ob ich dieses Versprechen halten würde, war eine andere Sache. Ich wollte nicht eingesperrt sein, also musste ich es versprechen. Wie konnte ich ein schlechtes Gewissen haben, bei dem Jungen, den ich liebte? Das Einzige, was mir Sorgen machte, war, dass er dieses Zeug rauchte. In den nächsten Tagen hatte ich es wirklich versucht, ihm zu widerstehen, und wurde etwas zurückhaltender, was er gar nicht verstand. Vielleicht hatte ja meine Mutter doch recht, aber mein Herz sprach andere Worte. Er war richtig traurig, als ich versuchte, ihn zu ignorieren. Er tat mir leid und mein Herz mir auch. Nadim musste auch noch an diesem Abend, an dem wir essen gingen, an einem Kinderspielplatz übernachten, weil ihn keiner mehr mitnahm und seine Eltern ein paar Tage bei Verwandten waren. Am nächsten Tag nahm ihn eine alte Oma mit, die ihm seine Lebensgeschichte erzählte.

      Ich erzählte ihm den Grund, warum ich so distanziert war: weil ich es selbst nicht mehr aushielt. Und er meinte, dass seine Eltern genauso wären, aber es ihm egal wäre, denn er liebte mich, und das wäre stärker. Mir ging es genauso, und ich war froh, wieder mit ihm zu verkehren. Mir ging es gleich viel besser. Wir mussten bloß besser aufpassen, damit unsere Eltern uns nicht ertappten, aber wenn ich ihn aufgab, gab ich mich auf, und das konnte meine Mutter nicht verlangen. Ich versuchte, zu Hause gegen ihn zu reden, und das beruhigte meine Mutter.

      ***

      Ich war fünfzehn, als er mich mit dem Rad entführte. Es war ein Samstag, meine Eltern waren eingeladen. Eigentlich wollte ich, dass er zu mir kam, aber Nadim meinte, dass es zu gefährlich wäre, wenn sie vielleicht doch eher nach Hause kämen, und wir hätten dann nicht die richtige Ruhe. Er wüsste etwas anderes, wo wir ungestört wären. Ich sollte eigentlich auch mit meinem Rad kommen, aber das hatten sie mir zwei Tage vorher geklaut. Meine Mutter meinte nur, dass ich auf meine Sachen nicht aufpassen könnte. Sie kaufte mir kein neues. Also setzte ich mich auf die Lenkradstange. Wir erforschten immer die Gegend, und diesmal fuhren wir wieder in die Natur. Nach einer halben Stunde machten wir die erste Pause, weil mir der Hintern etwas wehtat. Dann fuhren wir weiter. Bei der nächsten Pause machten wir ein Picknick, weil Nadim Proviant mitgenommen hatte. Wir setzten uns in eine Butterblumenwiese und genossen den Tag. Danach legten wir uns nebeneinander in die Butterblumen und träumten von unserer Zukunft. Er hielt meine Hand, und ich fühlte mich eins mit ihm. Wir hatten gar nicht gemerkt, dass eine dicke Wolke auf einmal über uns war. Es fing zu regnen an. Die Sonne schien, und es regnete. Wir blickten fasziniert zu dem Regenbogen, bis er fast weg war. Danach fuhren wir wieder weiter, bis wir in die Nähe von Omas Haus kamen. Er blieb vor einem umgebauten Bauernhaus stehen.

      „Was machen wir hier?“, fragte ich.

      „Lass dich überraschen.“

      Er sperrte mit einem Schlüssel das Haus auf.

      „Wem gehört das?“, fragte ich.

      „Der Tante von Ferrys Freundin. Sie ist in Frankreich. Ihre Mutter hat den Ersatzschlüssel. Ferry war mit seiner Freundin auch schon hier, weil sie dieselben Probleme haben.“

      „Wir können doch nicht einfach in ein fremdes Haus gehen.“

      „Keine Angst. Es passiert schon nichts.“

      Etwas mulmig war mir schon, aber wir konnten endlich mal ungestört sein, und in seiner Nähe hatte ich keine Angst. Es war ein schönes Haus, und ich fühlte mich gleich wohl. Es war gemütlich und individuell eingerichtet. Über der Couch hing ein großes Acrylbild, das mich faszinierte. Eine nackte Frau und ein nackter Mann, die ineinander verschmolzen.

      Nadim nahm mich in den Arm, als er merkte, dass ich das Bild ansah.

      „Machen wir auch Symbiose?“, fragte er. „Hatten wir erst in Bio.“

      Mir wurde ganz heiß bei seinen Worten, und ich musste erst mal dringend pinkeln, sonst würde ich in die Hose machen. Ich suchte das Bad und plätscherte wie eine Kuh ins Becken. Die große Badewanne lud zum Baden ein. Nadim ließ das Badewasser ein, machte eine Kerze an, und wir planschten herum wie die kleinen Kinder. Ich kam mir vor wie Gott in Frankreich. So wollte ich später auch mal leben, und das mit ihm. Als das Wasser schon fast wieder kalt war, stiegen wir heraus und wickelten uns in Handtücher ein. Nadim zog mich mit ins Wohnzimmer auf die große Ledercouch. Er nahm meine Brille vorsichtig ab und küsste mich auf die Stirn.

      „Du bist schön“, sagte er.

      „Du auch“, sagte ich und blickte in seine warmen braunen Augen, die mich anzogen wie ein Magnet.

      Er streichelte mich sanft und zärtlich. Jede Berührung elektrisierte mich. Dann küsste er mich, zuerst zaghaft, dann leidenschaftlich. Ein dicker, großer goldener Buddha sah mich lächelnd an. Er strahlte Ruhe aus, aber es kam mir vor, als beobachtete er uns.

      „Was ist?“, fragte Nadim, weil ich dauernd auf den Buddha blickte.

      „Der beobachtet uns.“

      Nadim lächelte, stand auf und legte das Handtuch über seinen Kopf. Nackt, mit erigiertem Glied, stand er vor mir. Ich wusste, was jetzt geschah, dass er in mich eindrang, damit ich ihn ganz tief spüren konnte. Ich wollte es. Ich wünschte es mir so sehr.

      „Nimm bitte dein Handtuch weg“, sagte er. „Ich möchte dich ansehen.“

      Seine Augen strahlten in dem Moment so viel Liebe aus, dass ich ihn am liebsten aufgefressen hätte.

      Als ich es wegnehmen wollte, drehte sich auf einmal der Schlüssel in der Tür, und ein Mann, der nicht gerade sympathisch aussah, stand in der Tür mit seinem Hund. Wie von der Tarantel gestochen, sprang ich auf. Nadim nahm das Handtuch