Patrizia Lux

Love of Soul


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wir uns sympathisch waren. Sie setzte sich auch immer in meinen Servicebereich. Eines Tages fragte sie mich, ob wir mal zusammen weggehen würden. Ab da waren wir dicke Freundinnen. Anna war für mich eine kleine Göttin. Sie war sehr hübsch mit ihrer langen schwarzen Mähne und ihrer kaffeebraunen Haut. Sie fand sich zwar immer zu mollig, aber ich fand sie weiblich. Sie hatte den großen Busen, den ich immer haben wollte. Thomas mochte sie nicht, weil wir uns zu gut verstanden, aber das war mir egal, denn Anna gab ich nicht auf, nicht wegen einem Mann. Anna arbeitete nebenbei bei der Zeitung ihrer Mutter. Der Job im Café war abwechslungsreich, und man lernte viele Leute kennen, genau das, was ich nach Thomas brauchte.

      ***

      Die Zeit mit Thomas war eigentlich nicht erwähnenswert, zumindest nicht im Nachhinein, nur der Anfang und das Ende. Ich war froh, dass ich zu ihm hatte ziehen können, denn zu Hause hatte ich es nicht mehr ausgehalten, weil meine Mutter ständig an mir herummeckerte. Ich lernte ihn im Café kennen. Ich las vertieft in einem Buch. Es war so spannend, dass ich sogar meinen Cappuccino vergaß. Das Café war brechend voll, und ein Typ fragte mich, ob er sich an meinen Tisch setzen könnte. Ich bestellte mir noch mal einen Cappuccino, weil er kalt wirklich nicht schmeckte. Obwohl meine Oma immer sagte, dass kalter Kaffee schön mache. Das Rezept konnte ich ja mal anwenden, wenn ich vierzig war, vielleicht zauberte er dann meine Falten weg. Ich vertiefte mich wieder in mein Buch und vergaß die Welt um mich. Allerdings spürte ich, dass dieser Typ mich die ganze Zeit anstarrte. Vielleicht hatte ich ja was im Gesicht? Ich wischte mir mit der Hand darüber und las weiter, aber er starrte mich immer noch an. Ich konnte mich gar nicht mehr konzentrieren. „Kannst du vielleicht mal woanders hinschauen?“, fragte ich schließlich, weil es mich nervös machte. Er entschuldigte sich, weil er nicht wusste, dass ich es gemerkt hatte, aber sagte dann, dass er meine Mimik so süß fand, während ich das Buch las. Ich las wieder weiter, und dann meinte er, dass mein Cappuccino bestimmt wieder kalt werden würde, und fragte, ob er mir gleich noch einen bestellen solle. Er fragte mich, ob ich vielleicht auch noch ein Buch für ihn hätte, damit ihm nicht so langweilig wäre, oder ob ich mein Buch weglegen könnte, damit wir uns unterhalten könnten. Ich sagte ihm, dass da drüben Zeitungen lägen. Er meinte, dass es doch wesentlich schöner wäre, sich zu unterhalten, als wenn wir beide in ein Buch starren würden. Ich las weiter, dann starrte er mich wieder an. Der machte das absichtlich. Ich blickte ihn etwas genervt an. Wollte der mich ärgern?

      „Keine Lust zu reden?“, fragte er dann.

      Ich machte mein Buch zu, weil er mich sowieso weiter anstarren würde, damit ich mich nicht mehr konzentrieren konnte. Wir unterhielten uns zwei Stunden und merkten, dass wir viele Gemeinsamkeiten hatten. Wir konnten uns gar nicht trennen. Ich fand ihn sympathisch und er mich auch. Als wir uns verabschiedeten, hoffte ich, dass er mich fragte, ob wir uns wiedersehen sollten, aber er ging erst mal. Ich war etwas enttäuscht, aber als ich ein paar Meter weiterging, kam er noch mal und fragte mich, ob ich mit ihm am Wochenende ins Kino gehen wollte. Natürlich wollte ich. Voll verliebt ging ich nach Hause und sehnte das Wochenende herbei. Genau an dem Tag, an dem wir ins Kino gingen ‒ wir wollten die Spätvorstellung anschauen ‒, da kam Nadim mit Ferry und einer Tussi aus dem Kino. Ferry hatte eine Neue, und Nadim? Unsere Blicke trafen sich, und er lächelte mich an. Es gab mir einen Stich ins Herz, weil ich dieses Lächeln, bei dem ich dahinschmolz, wahrscheinlich nie mehr sehen konnte. Wehmütig sah ich ihm hinterher. Er blickte noch einmal zurück, als ginge es ihm genauso. Am liebsten wäre ich ihm nachgerannt, aber natürlich tat ich es nicht, sondern ging mit Thomas ins Kino, weil ich ihn nicht enttäuschen wollte. Im Kino stellte ich mir die Situation vor, dass Thomas nicht dabei gewesen wäre. Vielleicht war es besser so, wäre bestimmt nur Leidenschaft gewesen. Ich versuchte, Nadim zu vergessen und mich auf Thomas zu konzentrieren. Der Film und Thomas lenkten mich auch ab, weil er die ganze Zeit meinen Arm streichelte. Ab diesem Tag waren wir jeden Tag zusammen. Ich hoffte, durch ihn Nadim vergessen zu können. Ich verzichtete sogar auf mein Kunststudium, weil er meinte, dass ich lieber ein bisschen was dazuverdienen sollte. Ich sagte ihm, dass ich beides machen könnte, aber dann meinte er, dass ich keine Zeit mehr für ihn hätte. Er war selbstständiger Grafikdesigner, und ich half ihm oft, denn zeichnen konnte ich ja.

      Mich nervte oft, dass er so konsumorientiert war. Er musste ständig etwas Neues haben und war immer unzufrieden, voll materialistisch eingestellt. Ich brachte ihn von diesem Trip nicht herunter. Ich vertraute ihm, denn wir hatten dieselben Interessen, konnten gut miteinander reden und kuscheln. Im Sex schlich sich schnell Routine ein, und ich fand ihn immer langweiliger; darum hatte ich auch nicht mehr so viel Lust dazu, und es wurde immer weniger. Er war eher der zärtliche Typ und ich der leidenschaftliche. Das passte irgendwie nicht so gut zusammen, aber ich gab mich damit zufrieden, denn er gab mir emotionale Sicherheit, und darum wollte ich mich auch nicht von ihm trennen. Vielleicht waren wir auch beide zu bequem, um etwas zu ändern. Ich hatte mich auf diese Liebe eingestellt und wollte es gar nicht mehr anders. Ich passte mich ihm an. Es plätscherte alles gleichmäßig dahin, keine besonderen Höhen, aber auch keine Tiefen. Wir hatten eine gemütliche Wohnung, einen Hund, zwei Katzen, gute Freunde, einen Volvo vor der Haustüre. Seine Mutter vergötterte mich und wollte gleich ein Haus für uns bauen lassen, weil sie noch ein Grundstück hatte. Thomas lehnte ab, weil er nicht neben seiner Mutter wohnen wollte. Das einzige Problem, das wir hatten: Er wollte ein Kind und ich nicht. Ich fühlte mich einfach noch nicht reif dazu. Ich sagte ihm, dass er noch warten müsste, und er drängte mich auch nicht mehr. Ich dachte mir wirklich, dass er mir nie im Leben fremdgehen würde. Aber da hatte ich mich getäuscht, weil er mich mit Sabi, der ich eigentlich vertraute und die ich ab und zu mit nach Hause brachte ‒ sie hängte sich nach der Trennung von Marcel wieder an mich dran ‒, schamlos betrog. Sie erzählte es mir, als wir zusammen essen gingen. Er hatte ihr gesagt, dass sie nichts sagen sollte, aber sie wurde von so einem schlechten Gewissen geplagt, dass sie es mir sagen musste. Ich stand auf und ging. Für mich war die Freundschaft mit ihr zu Ende. Jegliches Gefühl für ihn starb in Sekundenschnelle in einem Bombardement von Messerstichen. Alles, was übrig blieb, war ein sattes Rachegefühl, denn er sollte dafür büßen, dass er mich betrogen hatte, dass er unsere Liebe so leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatte. Wir hatten uns drei Jahre alles geteilt, also sollten wir auch das Ende teilen. Das Leid, das ich durch ihn erfahren hatte, sollte er in gleichem Maße durch mich erleben. Er sollte den Tod unserer Liebe genauso spüren, damit wir wussten, dass nichts davon übrig blieb, nicht die kleinste Hoffnung. Ich wollte nicht, dass so ein kleiner Samen übrig blieb und wieder zu wachsen begann, denn die Blume, die daraus entstünde, würde jämmerlich verdursten. Ich erstickte sie gleich im Keim, weil keine Liebe mehr da war. Ich konnte ihn nicht mehr lieben, weil das Vertrauen weg war. Ich nahm also Michael in unsere Wohnung mit. Er war Gitarrist in der Band von Thomas. Wegen Thomas hatte ich all seinen heimlichen Werbungen widerstanden. Das sollte vorbei sein. Er zeigte sehr viel Mitgefühl bei meinem Problem und spielte mein Spiel mit. Die Rache war das Einzige, was mich antörnte, und ich wusste gar nicht, wie lustvoll sie sein konnte, wenn man in ihr badete. Die Vorstellung, dass Thomas gleich zur Tür hereinkam, brachte mich erst recht in Ekstase, und als ich sein entsetztes Gesicht in der Tür erblickte, empfand ich nicht das kleinste Mitgefühl. Es war, als hätte mich ein Fremder angesehen. Als Michael weg war, beschimpfte er mich, eine Hure zu sein. Er schrie wie ein Wahnsinniger herum, schlug mir ins Gesicht und meinte, dass ich alles zerstört hätte. Worauf ich sagte, dass er alles zerstört hätte. Als ich weggehen wollte, hielt er mich am Arm zurück, kniete sich vor mich hin und flehte mich an, dass ich bleiben sollte, doch der Scherbenhaufen war zu groß, als dass man ihn hätte reparieren können. Ich sagte, dass er mich und sich nicht so erniedrigen sollte und dass es kein Zurück mehr gäbe. Als ich ging, weinte ich, aber nicht um Thomas, sondern um mich, weil ich nicht mehr wusste, wohin ich gehörte.

      Anna fing mich auf. Sie bot mir gleich an, bei ihr zu wohnen, weil ihre Wohnung sowieso zu groß für sie allein wäre. Ich überlegte nicht lange und zog mit Venus, meinem Hund, den ich von Oma zum achtzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatte, ein. Sie wollte nicht einmal Miete verlangen, weil es die Eigentumswohnung ihrer Mutter war und sie kein Geschäft damit machen wollte. Ich wollte ihr aber trotzdem monatlich etwas geben. Zum ersten Mal seit Langem fühlte ich mich wieder frei und studierte endlich Kunst. Den Job wollte ich nebenbei weitermachen, denn schließlich brauchte ich auch Geld.

      ***

      Ich lag wie ein Stück Blei in der Hängematte. Mein Kopf dröhnte