Patrizia Lux

Love of Soul


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drei Stunden musste ich wieder ins Café und auf der Matte stehen. Die Sonne bemühte sich, meinen kalten, übernächtigten Körper zu wärmen. Sie tat so gut nach dieser erfolglosen letzten Nacht, was Männer betraf. Die zwei Spanier, mit denen Anna und ich fast einen Monat wie in Trance verbracht hatten, waren einfach verschwunden, ohne sich zu verabschieden. Wir waren zum Essen verabredet, aber sie kamen einfach nicht. Als Anna anrief, meinte der Bekannte, bei dem sie gewohnt hatten, dass sie schon am frühen Morgen wieder nach Spanien zurückgefahren waren. Ich hasste Abschiedsszenen ja auch, aber das war nun nicht gerade die feine Art. Anna und ich tanzten uns die ganze Nacht den Frust heraus.

      „Was guckst du so nachdenklich?“, fragte Anna, während wir zusammen frühstückten.

      „Ich koste gerade von meiner Suppe aus Illusionen, gewürzt mit Liebe und Optimismus, und hoffe, dass sie meinen Hunger eines Tages stillen wird.“

      „Du wirst daran verhungern, glaube mir. Mein Opa sagte immer, dass einem das Leben schon die Träume aus dem Leib peitscht.“

      „Da ist sicher was Wahres dran, aber ohne Träume ist das Leben so sinnlos.“

      „Wie sagt man noch: Träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume.“

      „Ja, es wird an der Zeit, dass ich meine Träume lebe, ich weiß nur noch nicht wie.“

      Wir schwiegen eine Weile und ließen uns noch ein bisschen von der Sonne verwöhnen.

      „Du denkst an Manuel?“, fragte Anna, als mein Blick sehnsuchtsvoll in die Ferne schweifte.

      „Nein, tue ich nicht. Er ist ja gar keinen Gedanken wert.“

      „Schnuckelig waren sie ja schon.“

      „Ja, sehr schnuckelig. Sie kamen mir vor wie zwei Stiere, und wir waren das rote Tuch. Sie hatten wahrscheinlich genug Übung.“

      „Stimmt, sie haben uns hereingelegt, und wir sollten es zu den Akten der lehrreichen Erfahrungen legen.“

      „Und am besten ein dickes Schloss daranmachen, weil sie langsam immer dicker werden.“

      „Hättest du gedacht, dass uns so was passieren könnte? Ich meine, sahen wir so aus, als könnte man das mit uns machen?“

      „Wahrscheinlich schon. Oh, ich würde sie am liebsten ans Bett fesseln und Miss Piggy von meiner alten Schule holen. Sie hat mindestens drei Zentner, nicht gerade die Schönste, aber unheimlich nett, und sie hasst Männer, weil sie von ihrem Stiefvater jahrelang sexuell missbraucht worden ist. Sie erzählte es mir während der Abschlussfeier, wo sie schon einiges getrunken hatte. Sie würde die zwei bestimmt fertigmachen, weil sie so viel Wut im Bauch hat, die für beide reicht. Zum Schluss könnten wir noch ein rotes Band um ihre Eier machen und so fest zuziehen, wie es geht. Zur Krönung noch ein Schleifchen, damit es nicht ganz so erbärmlich aussieht.“

      „Ja, das ist gut. Sind wir eigentlich gemein?“

      „Ach, nicht gemeiner als die.“

      Wir hatten noch einige Einfälle, von denen ich aber nicht weiter erzählen will.

      Am nächsten Tag sah die Sache schon wieder ganz anders aus. Als ich Anna in der Küche traf, sagte ich ihr, dass es vielleicht nicht die feine Art war, aber vielleicht doch die rettende, denn wer weiß, was sonst für eine Leidenschaft entstanden wäre. Anna gab mir recht und meinte nur: „Abgehakt.“

      Kapitel 4

      Bei Anna fühlte ich mich einige Zeit auch glücklich ohne Mann, außerdem befand ich mich seit Langem im Tal der tausend Unzulänglichkeiten, was mir die Sicht zur Sonne versperrte. Die Männer verwirrten mich immer mehr. Manchmal glaubte ich, dass sie Angst hatten vor einer Frau wie mir, die sich nicht alles gefallen ließ, ihren eigenen Willen hatte und die man nicht zähmen konnte, weil sie sonst verwelkte und glanzlos wurde. Frauen wie mich mussten sie besiegen, ihren Willen brechen, sie verletzen, damit sie ihre Maske nicht verloren. Zum Glück hatte mich das Leid meiner Mutter in ihrer Ehe etwas stärker gemacht. Ich wusste zumindest, wie ich nicht werden wollte, bescheiden, zumindest nicht so wie meine Mutter, die sich gar nichts gönnte, angepasst, folgsam, still leidend, dem Manne untertan. Auch, wenn wir im Zeitalter der Gleichberechtigung waren, gab es doch immer wieder Ausnahmen, wie zum Beispiel meinen Vater, der ein purer Macho war. Gut, eines hatte sie nach dreizehn Jahren Ehe geschafft: dass sie arbeiten durfte, aber nur, weil mein Vater sein Geld oft verzockte und wir es dringend nötig hatten. Ich hatte nur ein einziges Problem, dass ich manchmal in dieselbe Falle wie meine Mutter tappte, weil sich die Männer gut tarnen konnten und gute Köder für ihre Fallen ausstellten und ich teilweise über meine eigenen Schwächen stolperte, die sich nicht so leicht ausrotten ließen ‒ nämlich die Bequemlichkeit, die Gutgläubigkeit und der riesige Hunger nach Liebe, die mich immer wieder blind machten. Sonst wäre ich auch nie so lange mit Thomas zusammengeblieben, weil es mich immer wurmte, dass er mich nicht Kunst studieren ließ und ich nur zweimal die Woche arbeiten durfte. Ich hätte mich dann auch nicht auf den Spanier eingelassen, der mich sowieso nur enttäuschte. Ich muss zugeben, dass das Südländische schon seinen Reiz hatte, aber hinter seinem Charme, auf den man leicht hereinfallen konnte, verbarg sich meistens ein Macho. Ich wollte aber nicht mehr hereinfallen und enttäuscht werden. Also nahm ich mir vor, gar nicht mehr so viele Gefühle zu investieren, reiner Sex machte doch auch Spaß. Ich lockte die Männer an, bezauberte sie, und wenn ihr Begehren jede einzelne Pore meines Körpers durchdrungen hatte, dann gab ich mich hin, aber nur meinen Körper. Als mein Hunger gestillt war, rannte ich zum nächsten. Es machte mir Spaß, dass mich die Männer nicht durchschauen konnten. Ich spielte meine Rolle perfekt. Ich stillte meinen sexuellen Hunger, aber meine Seele ließ ich verdursten. Manchmal, wenn sie sich unverhofft meldete, weinte ich unsichtbare Tränen in die Kissen, damit der andere es nicht bemerken konnte. Manchmal ging ich auch aus Mitleid mit ihnen ins Bett. Ich hatte Mitleid mit den Männern, aber nicht mit mir.

      Ich lernte Annas Bruder Carlos kennen, der wieder von einer seiner Reisen zurückkam. Er war ein netter Mensch und wurde auch für mich wie ein Bruder. Er hatte Anna sehr geholfen, als ihr Vater ihre Mutter verließ, weil sie ihn sehr liebte. Carlos meinte, dass er mal Priester hatte werden wollen, aber die Frauen ihn nicht ließen. Er wollte dann doch auf die Frucht, die Gott erschaffen hatte, nicht verzichten, und darum wurde er eher zum Frauenheld, weil die Frauen ihn liebten und er sie auch. Man hatte auch wirklich das Gefühl, dass man ihm alles anvertrauen konnte. Er hatte so eine gelassene, beruhigende Ausstrahlung, die nichts aus der Ruhe brachte. Für mich löste er zum Glück mehr brüderliche Gefühle aus, und ich war froh, dass wir so gute Freunde sein konnten.

      ***

      In den Semesterferien arbeitete ich sechs, manchmal sieben Tage die Woche. Ich lernte eine Menge Leute kennen und hatte jeden Abend einen gefüllten Geldbeutel, mit dem es sich leben ließ. Ich konnte mir all die Dinge leisten, die ich mir vorher nicht hatte kaufen können. Nach der Arbeit ging ich immer noch weg, weil ich danach so aufgedreht war, dass ich nicht schlafen konnte. Erst in den frühen Morgenstunden fiel ich ins Bett und war wie tot.

      ***

      Anna lag mit einer Eierstockentzündung im Bett, und ich lernte Patrick kennen. Er war ein guter Tänzer, und ich war mir sicher, dass er sonst auch nicht schlecht sein musste, ich meine natürlich im Bett. Ich fing mein Spiel wieder an, aber ich merkte, dass er es auch gut beherrschte. Ich wollte ihn zappeln lassen, schaffte es aber nicht und vergaß alles um mich, sogar die Pizza, die ich Anna hätte mitbringen sollen. Ich dachte nur noch eins: Pass auf, dass du dich nicht verliebst. Denn ich sah schon wieder den Teufel, der dahinter hämisch grinste. Es war aber schon zu spät, denn er küsste mich, und ich musste aufpassen, dass er mir nicht gleich die Klamotten vom Leib riss. Ich fuhr wie ferngesteuert in seine Wohnung. Er legte etwas Kokain auf den Tisch. Ich hatte das Teufelszeug schon mal mit Anna genommen und zögerte etwas, weil es mir danach nicht ganz so gut gegangen war. Damals hatte ich den zweiten Tag im Bett verbracht, weil sich mein Körper das holte, was das Kokain ihm genommen hatte, nämlich Schlaf; aber schlafen konnte ich nicht, weil mein Herz wie wahnsinnig zu rasen anfing, dass ich dachte, es liefe aus meinem Körper heraus. Musste schlechtes Zeug gewesen sein.

      „Nimm