Patrizia Lux

Love of Soul


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Herzen war Nadim. Meine Mutter wollte mich hinfahren. Sie hatte einen Job bekommen und setzte ihre ganzen Energien in ihre Karriere. Für sie war es wahrscheinlich ein Akt der Befreiung, weil mein Vater so geizig war und sie jeden Pfennig umdrehen musste. Ich sah sie fast gar nicht mehr. Ich kochte mir das Essen selber und wusch mir auch die Wäsche, denn wenn es nach meiner Mutter ginge, hätte ich nichts mehr zum Anziehen gehabt. Es war ein gutes Überlebenstraining. Um etwas Geld zu verdienen, weil ich auch ein paar Ansprüche hatte, jobbte ich als Babysitter. Meine Mutter kam viel zu spät, wie immer. Dazu kam auch noch, dass mir übel wurde und ich mich während der Fahrt übergeben musste, aber ich wollte da hin. Alle waren schon da, nur ich nicht. Das war wieder typisch. Als ich endlich ankam, kreideweiß im Gesicht und nach Kotze riechend, wäre ich am liebsten gleich wieder umgedreht, denn die meisten starrten mich blöd an, als wäre ich ein Marsmännchen, das gerade vom Himmel gefallen war. Wo war Nadim? Die Musik war so laut, dass meine Ohren schmerzten.

      „He, magst du ein Bier?“, fragte ein Typ, den ich vom Sehen kannte.

      Ich nahm die Flasche und trank einen kräftigen Schluck. Mein erstes Bier, aber das Zeug half, dass ich nicht gleich umkippte.

      „Wo ist Nadim?“, fragte ich den Typen.

      „Nadim? Ich weiß nicht, vorher war er noch da.“

      Mein Magen war leer und knurrte. Ich nahm mir ein belegtes Brot und einen Krapfen. Damit wurde mein Geschmack auch etwas besser.

      „Willst du tanzen?“, fragte der Typ.

      „Nein, danke.“

      Ich machte mich auf die Suche nach Nadim, fragte ein Mädchen, das ich vom Sehen her kannte, ob sie wüsste, wo Nadim steckte. Sie meinte, dass er vielleicht mit ihrem Freund Getränke holte, weil doch mehr Leute als erwartet kämen. Ich ging in den Garten, um frische Luft zu tanken, weil mir schon wieder schlecht wurde. Wahrscheinlich hatte ich einen Virus erwischt. Scheiße! Ausgerechnet heute, wo ich mich so auf Nadim freute! Ich ging ein paar Schritte, und was sah ich da, im Dunkeln, hinter Sträuchern? Nadim mit einer Tussi, die ein Kopftuch anhatte. Fehlte nur noch, dass er sie fraß, so tief war seine Zunge in ihr drin. Fassungslos stand ich da und war vor Schock wie gelähmt. Konnte keinen Schritt gehen. Die Tussi bemerkte mich zuerst und schaute mich verdutzt an. Als Nadim mich wahrnahm, sah er mich an wie ein Weltwunder.

      „Du bist hier?!“, fragte er erstaunt. „Ich dachte, du kommst nicht mehr.“

      Falsch gedacht, dachte ich mir. Die Tussi blickte mich total arrogant an, und dann grinste sie blöd.

      „Lasst euch nicht stören“, sagte ich und ging völlig enttäuscht wieder hinein.

      Da hatte er ja toll um unsere Liebe gekämpft! Jetzt wurde mir noch übler, und ich rannte schnell aufs Klo, wo ich mich wieder übergeben musste. Ich wollte nur noch weg von hier. Mein Nadim knutschte mit einer anderen herum. So ein Kotztag!! Bei meinen Küssen wäre es ihm wahrscheinlich auch vergangen, denn sie schmeckten bestimmt etwas säuerlich. Das Problem war, dass diese Tussi auch noch gut aussah, trotz Kopftuch. Ich wollte nicht nach Hause, aber hier bleiben auch nicht mehr. Ich wollte zu Oma. Ich ging zu den Getränken, wo eine Flasche Wodka stand. Vielleicht sollte ich den mal probieren. Als ich mir ein volles Glas einschenken wollte, hielt mich Marco, der Gastgeber, auf.

      „So viel solltest du nicht davon trinken“, meinte er und nahm mir das Glas wieder weg.

      Ich schenkte mir noch mal ein Glas ein, aber diesmal weniger. Ich trank es in einem Zuge aus. Mir brannte gleich der Hals, und ich bekam gleich einen Hustenanfall. Was war das denn für ein Teufelszeug?, dachte ich mir.

      „Pur ist nicht so gut“, meinte Marco.

      Mir wurde auf einmal total komisch. Ich wollte nur noch weg von hier. Es kam mir vor, als würde ich jeden Moment umkippen. Ich setzte mich auf einen Stuhl und kämpfte mit meiner Übelkeit.

      „Geht es dir nicht gut?“, fragte mich Marcos Schwester.

      „Nein, nicht besonders. Ich glaube, ich gehe jetzt lieber.“

      „Willst du jetzt schon gehen?“, fragte Marco.

      „Mich hält hier nichts mehr.“

      „Wegen Nadim? Ich kann dich trösten.“

      „Danke, aber ich gehe jetzt lieber.“

      „Ich fahre dich nach Hause“, meinte Marcos Schwester. „Du siehst ja wirklich nicht gut aus.“

      „Wer ist sie eigentlich?“, fragte ich Ferry noch, bevor ich ging.

      „Keine Ahnung, wie sie heißt. Sie ist Perserin und zu Besuch bei Nadim.“

      Na toll, dachte ich mir. Wahrscheinlich war er ihr versprochen. Oh mein Gott, wie konnte ich nur so dumm sein und denken, dass er mich immer noch liebte? Er hatte mir ja auch schon seit einem halben Jahr keinen Brief mehr geschrieben, und als ich ihn mal zufällig gesehen hatte, war er kurz angebunden gewesen. Seine Eltern hatten ihn voll manipuliert und es auch noch geschafft, mich aus seinem Herzen zu reißen. Ich konnte es nicht glauben, dass dies mein Nadim war, der mich mal hatte heiraten wollen. Da hatte ich mich ja schön getäuscht. War doch bloß ein Märchen gewesen, das ich geträumt hatte.

      Als ich gerade gehen wollte, kam Nadim herein.

      „Warte“, sagte er. „Ich kann dir alles erklären.“

      Er brauchte mir nichts zu erklären. Ich sah es auch so, war ja nicht blind.

      „Lass mich in Ruhe“, sagte ich und ging.

      Ich wollte ihn nie mehr sehen.

      „Ich heiße übrigens Marina“, meinte Marcos Schwester.

      „Ist Nadim dein Freund?“, fragte sie, weil sie alles mitbekommen hatte.

      „Das dachte ich mir zumindest.“

      „Verliebe dich nicht in einen Perser. Ferry hat mich auch schon angemacht, aber ich lass lieber die Finger davon. Der ist mir zu gefährlich.“

      „Ja, vielleicht besser so. Außerdem hat er eine Freundin.“

      Sie versuchte, mich auf der Fahrt aufzuheitern, aber es gelang ihr nicht. Auch der Satz „Andere Mütter haben auch schöne Söhne“ konnte mich nicht aus meiner Traurigkeit reißen.

      Als Oma die Tür öffnete, blickte sie mich gleich sorgenvoll an.

      „Du siehst ja fürchterlich aus“, sagte sie.

      „Ich fühle mich auch so.“

      „Hast du was getrunken? Du hast ja eine Fahne.“

      „Ja, ein bisschen. Mir ist schlecht.“

      „Schnell ins Bett mit dir. Ich mache dir einen guten Tee.“

      Ich verkroch mich in die dicken Federbetten und ließ die blöde Welt hinter mir. In meinem Kopf drehte sich das Karussell des Lebens, und mit ihm schlief ich noch ein, bevor Omas Tee fertig war.

      Nadim rief am nächsten Tag bei Oma an, weil er sich Sorgen gemacht hatte. Ich sagte Oma, dass ich ihn nicht sprechen wollte. Er war für mich gestorben. Es gab ihn nicht mehr. Mein Herz hatte ihn ausgelöscht. Schließlich hatte ich auch meinen Stolz.

      Zu Hause schmiss ich vor Wut meinen Engel an die Wand. Mit gebrochenen Flügeln legte ich ihn in eine Schachtel, denn wegschmeißen konnte ich ihn nicht.

      Ich malte wieder, und meine Bilder wurden immer besser. Die Schule versuchte ich so gut wie möglich zu schaffen, damit ich Kunst studieren konnte, denn das war das Einzige, das mich wirklich interessierte. Ich verbrachte jede freie Minute mit Sabi. Wir waren unzertrennlich bis zu dem Zeitpunkt, wo sie Marcel kennenlernte. Ab da hatte sie fast keine Zeit mehr für mich, weil er ihr wichtiger war.

      Kapitel 3

      Ich lag mit Anna auf der Terrasse und spielte Kirschkernweitspucken mit ihr. Ich wohnte bei ihr, seit ich meine Beziehung mit Thomas beendet hatte. Anna studierte Journalistik,