Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln


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Schon lange diskutieren wir gemeinsam an einer Lösung und nun ist sie fertig.

      Sie ist wundervoll, hat die Schönheit von euch Engeln, und sie wird eigenständig und nach freiem Willen über ein Land herrschen, das ich ihr schenke. Noch ist dies aus Forschungsgründen nur ein kleiner Fleck im dritten Himmel Sagun, aber wenn mein Projekt Erfolg hat – und das wird es ganz sicher, mein Lieber – werde ich expandieren.“

      Luzifel stand sprachlos im Raum und hoffte auf einen großen Witz, den er nach wie vor nicht verstand.

      „Ich versetzte also dich, meinen kleinen Quergeist, nach Sagun. Dort triffst du dich mit dem Fürstentum Anahel. Er und seine Leute wissen über mein Vorhaben im Groben Bescheid. Genaue Kenntnis hat aber bisher nur der Hohe Rat, von dem ich weiß, dass er Geheimnisse bewahren kann. Du wirst auch keinem Außenstehenden berichten, sonst wirst du es bereuen. Verstanden?

      Ich unterstelle dich Anahels Befehl. Wage es nicht zu widersprechen. Er wird dich einweisen und dich mit meiner neuen Schöpfung vertraut machen.“

      Jetzt aber mal halblang!, dachte Luzifel schockiert. Er, der Seraph, unterstand einem schlichten Fürstentum? Und dieses Urteil war nur das Mindeste, was ihn seine Fassung verlieren ließ.

      „Was ist das für eine Schöpfung, die du uns vorziehst?“, fragte er bissig und seine Verachtung wandte sich von Jahwe ab, hin zu diesem unbekannten Wesen. Welches Vieh wagte es, einen Engel zu übertreffen?

      „Höre ich leichten Frust in deiner Stimme? Willst du dich zu den Todsünden gesellen?

      Zur Warnung, mein Hübscher, Kamael hat bereits bei ihnen eine Zelle für dich reservieren lassen und solltest du mein großzügiges Angebot ablehnen, ziehe ich diese drastische Möglichkeit deiner Strafe in engeren Betracht.“

      „Es geht nicht um mich, Jahwe! Mit dieser Schöpfung trittst du all deine Engel mit Füßen und dass, wo sie dir vom ganzen Herzen dienen! Wenn du mich bestrafen willst, akzeptiere ich das, doch du verrätst deine Geflügelten mit diesem -“

      Sie zuckte unbekümmert die Schultern. „Ich nenne sie Mensch.“

      Mensch? Was soll das für ein Name sein? Verdutzt trat er zurück und wusste für einen Moment nicht, wo er sich befand. Als hätte er keinen Boden unter den Füßen.

       Wie hat es so weit kommen können?

      Er bereute es richtig, Satan damals aufgehalten zu haben. Es machte keinen Unterschied, den alten Drachen den Sieg zu gönnen, wenn Jahwe eh plante, alles zu vernichten, was die Engel geschaffen hatten. Dass ein Gott jemals so eine heimtückische -

      „Nun, Luzifel? Ich erwarte deine Antwort.“

      Quatsch mit Antwort, das ist Erpressung! Er hätte in die Luft gehen können.

      Stattdessen schraubte er sein kämpferisches Gemüt runter. Es winkte nur das Gefängnis und Kamaels gehässiges Grinsen, wenn er Jahwe jetzt angreifen würde. Das Eis unter ihm war brechend dünn ohne ihren Segen und er war kein vollkommener Idiot.

      Schwer seufzte er und versuchte dabei so resigniert zu klingen wie nur möglich. Sein Gesicht zeigte merkliches Leiden, gar Verzweifeln, als er dramatisch sprach: „Ist gut. Ich habe verstanden.

      Ich tue, was du von mir verlangst.“

      „Schön, dass wir uns einig wurden“, lächelte Jahwe süffisant. „Vertragen wir uns also wieder und du bist mein guter Junge?“

      „Ja“, neigte er bußfertig den Kopf.

      „Dann sehen wir uns später. Deinen Dienst bei mir unterstehst du weiterhin.“ Ihr schadenfrohes Gelächter drang wie ein Dolch in seinem tobenden Herzen.

      Ihm schmerzte der Schädel, als er aus dem Tribunal kam.

      Die Bürde, dieses Geheimnis für sich zu bewahren, lastete schwerer als alle anderen Heimlichkeiten, die verborgen lagen, und am liebsten hätte er es jedem der hundert anwesenden Engel, die unwissend über den Großen Platz liefen, entgegengebrüllt: Gott hat uns verraten, für ein neues Spielzeug, dass sie mehr schätzt als ihre geflügelten Diener! Ein Geschöpf mit freiem Willen und eigenem Reich! Den Menschen stellte sie über die Engel und wir alle sollen ihm gehorchen, ihn anbeten!

       Wie kann sie das verlangen?

       Wie kann sie das ausgerechnet von mir verlangen?

      Wie trunken torkelte Luzifel nach Hause. Alles in und um ihn drehte sich, vor- und rückwärts, auf und ab. Die Weiße Welt zerbrach in seinen Augen. Etwas zerbrach in seinem Kopf. In der Seele.

      Wer würde ihm die Wahrheit glauben?

      Die Engel vertrauten blind auf Gott und wurden getäuscht. Sein gesamtes Volk trug die unsichtbaren Ketten, denen er sich entledigen wollte. Sie sahen sie nur nicht, weil sie nichts wussten.

      Und die, die wissen, sagen nichts. Konnten nichts sagen.

      Michael bedauerte die Dämonen wegen einer verwahrlosten Heimat? Dass kein Gott für sie sorgte? Doch waren Satans Kreaturen frei und hatten die Wahl, ihr Schicksal selber zu bestimmen. Ihnen machte niemand etwas vor oder log gar dreist in die hässlichen Fratzen.

      Wieso konnten die Engel nicht auch frei sein? Der Mensch und die Dämonen – warum waren sie befreit von der Knechtschaft? Was unterschied sie von den Geflügelten um das Recht der Freiheit?

      Wieder regte sich in ihm die Zerstörungswut. Hass und Neid. Alles Leben wollte er verdammen, das etwas besaß, was ihm und den Seinen vorenthalten wurde. Mit dem Menschen würde er beginnen und -

      „Mein Herr, was habt Ihr?“ Samael stürzte an seine Seite, um ihn aufrecht zu halten, sonst wäre Luzifel auf dem Hof seines Anwesens zusammengesackt. Der stechende Druck in seinem Kopf ließ ihn kaum noch sehen. Alles war viel zu grell. Sein Sekretär half ihm ins Gebäude hinein und setzte ihn auf einem mit silbernen Kordeln verzierten Stuhl ab. Flink zog Samael die Vorhänge zu, weil ihm die Sinnesempfindlichkeit seines Herrn auffiel.

      Wieder im goldenen Käfig gefangen, mit gestutzten Flügeln.

      „Ach, Sam ...“, knurrte Luzifel mit schmerzender Kehle und Schweißperlen glänzten auf der weißen Haut, „wenn du wüsstest, was hinter all unserem Trugbild steckt. Du hättest deinen Hain nie verlassen dürfen. Du bist zu gut für all die Härte unter Gottes Gewalt.“

      „Was meint Ihr, Fürst?“, blickte der junge Malach kniend zu ihm auf. „Was hat Gott gesagt? Werdet Ihr etwa bestraft?“

      „Es geht nicht um mich. Es geht um uns alle. Wir müssen uns wehren!“

      Entgegen dem ausdrücklichen Befehl, erzählte Luzifel wie im Fieber dem Burschen von Jahwes neuem Geschöpf und dass gerade er es sein sollte, der seine Hand schützend über diese Parodie halten musste, die sie alle verhöhnte. Er würgte alles hervor, jedes schmutzige Detail spuckte er aus, und die Qual in seinem Hirn ließ nach. Wie ein Gefäß, das von Unrat überquoll, war auch sein Gewissen an die Grenzen der Belastbarkeit gestoßen.

      Samael kamen die Tränen. „Warum hat Gott das getan? Sind wir ihr denn nicht mehr genug?“

      „Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß, ist, dass ich diesen Spott nicht mehr über mich ergehen lassen kann. Wenn es sein muss, werde ich mich gegen Gott wenden, damit sie uns Engel wieder achtet. Ich werde kein Diener von Menschen sein.“ Luzifel sammelte seine verbliebenen Kräfte, stand von dem Stuhl auf und ging in Richtung seines Büros. Zwar zitterten ihm die Beine, doch mit jedem Schritt, jedem Gedanken für einen Plan zur Befreiung seiner Art, wurde er kräftiger. Stolzer.

      „Ich auch nicht!“, sprang der Malach schreiend auf und folgte ihm eiligen Fußes. „Auch ich will dem Menschen nicht dienen, Herr.

      Es gibt nur einen, dem ich diene, und das seid Ihr, mein Fürst Morgenstern.“

      Ein Lächeln huschte über Luzifels Angesicht und er legte den Arm um die Schultern seines Sekretärs. „Ich danke dir, Sam. Ich glaube fast, du bist der einzige Freund, der mir in dieser verlogenen Welt