Laurent Bach

Mord am Fluss


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den Schreibtisch geschlagen.

      „Monsieur Torange, konzentrieren Sie sich. Können Sie sich erklären, warum der Wagen des Ermordeten in Ihrer Straße geparkt war?“

      Ein Schauder lief über Juliens Rücken. Der Wagen hatte tatsächlich in der Nähe seiner Wohnung gestanden, merde! Er fasste sich und verdrehte die Augen. Diese sture Auvergnatin konnte ihn mal …. „Nein. Sie können auch gern Ihre Kollegen in Alès auf die Suche schicken. Keiner meiner Nachbarn wird etwas gemerkt haben, weil Jerôme einfach nicht bei mir war. Er – war – nicht – da!“ Seine Hand klatschte auf die Tischplatte. Was diese Frau konnte, konnte er auch. „Beweisen Sie, dass ich Besuch hatte. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“

      „Unsere Ermittlungen in Nîmes laufen schon.“ Die Stimme der Inspektorin hatte einen gehässigen Unterton angenommen.

      „Schön für Sie.“ Er kreuzte die Arme vor der Brust. „Wenn Sie mich jetzt nicht verhaften, würde ich gerne gehen.“ Was sollten die Beamten in Nîmes schon herausfinden? Er wohnte seit Wochen nicht mehr dort und hatte auch keinen seiner dortigen Kumpel besucht. Er vermisste seine Freunde ein wenig. Ob Claude es ihm übelnahm, wenn er doch hin und wieder mal in sein altes Viertel fuhr?

      „Sie können gehen. Verlassen Sie den Umkreis von Alès und Anduze bitte nicht, ohne uns vorher Bescheid zu geben.“

      Sie kramte in ihrer Lederhandtasche und schleuderte eine Visitenkarte quer über den Tisch. Dann stellte sie das Aufnahmegerät aus und klappte die Akte zu.

      „Was ist Ihnen eigentlich über die Leber gelaufen?“, fragte Julien unumwunden. Sein Blick hielt dem ihren stand.

      „Mir läuft ein widerspenstiger Zeuge über die Leber, der zu keinerlei Zusammenarbeit fähig ist. Sie haben Leutnant Bertin nichts über den Toten erzählt, keinen einzigen Hinweis, der uns Aufschluss darüber geben könnte, warum Malakov hier war. Das ist ja so leicht. Einfach den Mund halten und gut.“ Sie wedelte wegwerfend mit der Hand. „Die dummen Bullen kriegen sowieso keine intimen Details heraus, nicht wahr?“ Sie beugte sich wieder vor. „Sie haben nicht einmal den Hauch eines Zugeständnisses gemacht, nicht mal angedeutet, dass Malakov Sie einfach auf gut Glück hätte besuchen können. Vielleicht war Malakov gerade in der Stadt und wollte guten Tag sagen. Nicht einmal diese Möglichkeit lassen Sie gelten. Nein, Sie blocken, Sie schweigen, Sie verschweigen.“

      „Er hätte mich nicht einfach so besucht.“

      Verdammt, das waren die falschen Worte gewesen. Die Inspektorin sprang sofort darauf an.

      „So, warum denn nicht?“ Ihre Augen funkelten triumphierend. „Ist etwas zwischen Ihnen vorgefallen, das Sie zu dieser Annahme bringt? Verzeihen Sie, ich bin nicht homosexuell und muss daher nachfragen, wie schwule Beziehungen so aussehen.“

      Warum konnte er nicht den Mund halten? Was sollte er darauf antworten? Er versuchte, sein hektisches Atmen zu kontrollieren. „Weil wir uns eben nicht so nahe standen. Wir hatten einen Fick, lange her. Und das war’s. Da war nichts mit Small talk oder gar Kumpelgespräche.“

      Wenn man seine Freunde befragte, würde Jerômes Stalking vielleicht ans Tageslicht kommen. Julien bereute es, zwei seiner Bekannten von den zudringlichen Telefonaten, SMS und Besuchen erzählt zu haben. Doch ob man genau diese zwei Bekannte antreffen und ausfragen würde, war ja noch ungewiss. Inzwischen war er ganz froh, dass Claude sich eingeschaltet hatte. Vielleicht würde es ihm gelingen, eine Spur aufzunehmen.

      „Sie haben meine Aussage und daher möchte ich mich jetzt verabschieden.“

      Inspektorin Bichon winkte lässig und starrte aus dem Fenster. „Ja, hauen Sie ab.“

      Hm, irgendwie war sie doch sympathisch, dachte Julien, bevor er die Visitenkarte vom Tisch fischte und das Büro verließ. Draußen stand Bertin an der Schranke und sah ihn ernst an.

      „Wie ist es gelaufen?“

      „Geh und frag sie.“

      Bertins missbilligendes Schnauben noch im Ohr, trat er auf den sonnigen Platz hinaus. Claude sprang von der Bank neben der Kirche auf. Der Wind wirbelte einige bunte Blätter der Platanen auf dem Pflaster umher.

      „Wie ist es gelaufen?“

      Schon wieder diese Frage. „Komm, wir gehen rüber“, gab Julien zurück und bald tänzelten sie durch die Autoschlange, die sie von Lucas Brasserie trennte. Die grüne Markise war ausgefahren und zwei Sonnenschirme gespannt. Julien kam gern hierher, war Lucas mit seinem Schnauzbart und seinem mit Schürze bedecktem Bauch doch der Urtyp des jovialen Kneipiers. Zudem schenkte er ein ausgezeichnetes belgisches Bier aus und war Claude gegenüber mehr ein Freund als ein Arbeitgeber.

      „Salut, ihr zwei Hübschen“, erklang seine sonore Stimme, als sie ins schummrige Innere eintraten.

      „Wie üblich“, rief Julien ihm zu, als er Claude gegenüber an einem Tisch am Fenster Platz nahm.

      „Nun sag schon“, forderte Claude ihn auf, als zwei Bier vor ihnen standen. Doch Julien wies auf den Plan de Brie hinaus. „Siehst du die da? Das ist Armandine aus Nîmes. Reimt sich sogar.“

      Die Inspektorin hielt einen Aktenkoffer in der Hand und stieg vor der Gendarmerie in einen Streifenwagen ein, den sie offenbar bestellt hatte.

      „Uhh, so eine strenge Büromaus im Hosenanzug. Hat sie dir Ärger gemacht?“ Claude grinste.

      „Lach nicht. Sie hat mir den Arsch aufgerissen. Beinahe hätte ich ihr vom Stalking erzählt.“

      Julien wischte sich den Schaum vom Mund. Er fühlte sich erschöpft und ausgelaugt. „Vielleicht erzähle ich es Bertin doch. Ich halte diese Geheimniskrämerei nicht aus.“

      Claude seufzte und legte die Hand auf seine. „Tu, was dir richtig erscheint, mein Lieber. Ich werde auf jeden Fall gleich nach Nîmes fahren und mich dort umsehen. Ich meine, falls du mir die einschlägigen Lokale und Orte nennst, wo ihr euch so herumgetrieben habt.“

      „Danke, Claude. Ich weiß das zu schätzen.“ Er lächelte. Er liebte diesen Mann einfach, diese mal vorwitzigen, mal mitfühlenden Blicke, der schöne Mund, die lockigen Haare. Claude war sein tapferer Ritter, sein impulsiver Freund, sein leidenschaftlicher Geliebter. „Darf ich dich in Naturalien bezahlen? Bin ein bisschen klamm wegen des Umzugs.“

      Claude nickte und sagte trocken: „Die Anzahlung vorhin war schon mal nicht übel.“

      Sie wechselten einen innigen Blick und brachen dann in ein jungenhaftes Kichern aus, das Juliens Sorgen auf einen Schlag zum Verstummen brachte.

      „Ich fahre wieder nach Alès zurück“, sagte Julien, als er das Glas geleert hatte. „Willst du mein Auto haben für Nîmes?“

      „Gern. Und meine Jacke hätte ich gern zurück, die ich dir am Freitag geliehen habe.“

      „Dann komm, wir fahren eben hinüber.“

      Hinüber nach Alès, das hatte sich so eingebürgert. Sie stiegen in Juliens Peugeot 208 GTI ein, den er am Fluss geparkt hatte. Der Wagen war neu und gern hätte Julien seine 250 PS ausgefahren. Doch die wenigen Kilometer gerader Strecke, die ihm zwischen Anduze und Ales zur Verfügung standen, waren für dieses Vorhaben nicht gerade geeignet.

      Bald hatte er den Gardon von Alès überquert und sich bis in die Innenstadt vorgetastet. Am Place Henri Barbusse fand er keinen freien Parkplatz, sodass er den Wagen im Schatten einiger Bäume stehenließ. Er blockierte die parkenden Fahrzeuge, doch das war ihm egal. Das Bankgebäude lag nur wenige Schritte entfernt.

      „Ich will aber mit rauf“, sagte Claude mit einem genervten Blick auf die parkenden Wagen.

      „Warum? Warte hier, ich hole deine Jacke und dann kannst du das Auto haben.“

      Julien stieg aus, während Claude unwillig auf das Display des Radios tippte. Er umrundete den Block und näherte sich der Hintertür, schloss auf und wieder hinter sich zu, stieg zwei Etagen hinauf. Unter dem Dach war die Luft stickig, auch sein Büro hätte einen frischen Luftzug vertragen. Morgen würde er wieder hier sitzen, in