Nina Hutzfeldt

Im Schatten der Lady Cumberland


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auf sich zukommen sah, hellte sich ihre Miene sofort wieder auf.

      »Hallo. Was machst du denn hier?«

      »Ich habe Kuchen für euch. Ich hoffe ihr mögt ihn.«

      »Das ist ja lieb.« Lara schielte kurz in die Tüte. »Mm, lecker. Apfelstrudel.«

      »Wann hast du Pause? Ich muss dir unbedingt etwas erzählen«, sagte Annika mit vorgehaltener Hand. »Ich komme nachher zu dir in den Laden. Dann kannst du mir alles berichten.«

      »Geht doch nach hinten und macht eine kurze Pause«, schlug Frau Schnick vor. »Ich habe doch nur noch diese eine Kundin und Christin ist auch gleich fertig.« Die Friseurmeisterin bedachte Lara mit einem herzlichen Lächeln. Wenn mich nicht alles täuscht, ist sie in den Wechseljahren, dachte Lara. Diese Stimmungsschwankungen. Aber wäre sie dafür nicht noch zu jung? Wie alt ist sie eigentlich?

      »Lara, kommst du? Ich weiß den doch Weg gar nicht.« Annika holte sie aus ihren Gedanken zurück. »Mir ist so was Aufregendes passiert. Mein Herz hämmert immer noch total. Nun komm.« Annika winkte Lara zu.

      »Ja, warte.«

      Annika setzte sich auf einen der Stühle im Aufenthaltsraum, während Lara Teller und Gabeln aufdeckte. »Was bist du denn so aufgeregt?«

      »Mir ist gerade etwas so Geiles passiert.« Annika wedelte mit ihren Händen herum, als wären sie aus Gummi.

      »Na, und was?« Lara wand sich ihrer Freundin zu.

      »Also, pass auf. Ich bin auf dem Weg zu euch und stoße an der Ecke mit einem total süßen Typen zusammen.«

      Christin kam herein und Annika schwieg für einen Moment.

      »Das ist ja toll. Und hast du seine Nummer?«, fragte Lara, um die Spannung der Situation zu brechen. Christin war nicht so gut auf Annika zu sprechen. Sie redete ihr einfach zu viel. So viel Information auf einmal konnte Christin einfach nicht aufnehmen. Außerdem war sie ein wenig eifersüchtig, weil Lara sich eigentlich ganz gut mit Annika verstand.

      »Oh Gott, nein. Wenn ich die hätte, wäre die Hälfte der Frauen und Mädchen in England neidisch auf mich.«

      Christin setzte sich. »Warum in England?«

      Lara runzelte die Stirn.

      »Weil ich nicht mit irgendjemandem zusammengestoßen bin, sondern mit Daniel Cumberland.«

      »Okay? Und wer soll das sein?«, fragte Christin genervt. Sie hatte ihren Ellbogen auf dem Tisch abgestützt und wiegte das Kinn in der Hand.

      »Das ist Lord Daniel Cumberland von Somerset. Er ist supersüß und hat einen richtigen Schlag bei Frauen.«

      Lara überlegte. Könnte es sein, dass der Daniel, dem sie die Haare geschnitten hat, der gleiche war, mit dem Annika zusammengestoßen ist? »War er allein?«, fragte Lara.

      »Nein, sein bester Kumpel Timur war bei ihm. Wieso fragst du?«

      »Ach, war das der Typ, dem du vorhin die Haare geschnitten hast?«, fragte Christin und klaubte sich einen Apfelstrudel aus der Tüte. »Ich darf doch?«

      »Ja, natürlich«, antwortete Annika schüchtern. »Du hast Daniel die Haare geschnitten? Wow. Wo ist die Schere? Wo saß er?« Aus Annika sprudelten massenweise Fragen, auf die Lara keine Antwort wusste. Nach der zweiten Frage schaltete sie ab.

      »Lara. Schau mal hier.« Frau Schnick betrat den Aufenthaltsraum. In der Hand hielt sie einen großen Blumenstrauß. »Der ist für dich abgegeben worden.«

      »Für mich?«

      »Ja, ist der nicht hübsch?« Sie drehte den Strauß einmal in der Hand herum, um ihn dann Lara zu geben.

      »Da ist sogar eine Karte drin«, sagte Christin und deutete mit der Hand unter eine der Rosenblüten.

      »Oh ja, mach sie auf. Heute ist echt der perfekte Tag. Erst schneidest du Daniel Cumberland die Haare, dann stoße ich mit ihm zusammen. Wie er mich angesehen hat....« Annika schmolz dahin.

      Lara holte die Karte aus dem Umschlag. »THANK YOU«, stand dort in Großbuchstaben. »Liebe Lara, ich wollte mich für den tollen Haarschnitt bedanken. Dein Daniel«, las Lara vor und musste unwillkürlich an Daniels Lächeln denken. Annika hatte Recht. Er hatte echt etwas an sich. Unbewusst biss sie sich auf die Unterlippe.

      »Darf ich mal sehen? Das kann doch nicht sein. Für so ein Dankeschön würden tausend Mädchen sterben.«

      »Oh Mann, Annika. Wir wissen es.« Christin legte den Kopf zwischen ihre Hände.

      »Ach, Chrissy. Lass sie doch. Es ist doch süß, wenn man einen Schwarm hat.«

      »Wenn du meinst.«

      »Hier ist noch ein länglicher Briefumschlag befestigt.« Frau Schnick öffnete die Schleife und gab Lara den Umschlag.

      »Ja, danke.« Nachdem Lara den Umschlag geöffnet hatte, ließ sie sich rücklings auf einen Stuhl neben sich plumpsen. »Oh mein Gott«, nuschelte Lara und fuhr sich mit der Hand übers Haar. »Was ist denn?«, fragte Christin und nahm ihrer Kollegin den Umschlag aus der Hand. »Ich werde verrückt. Da sind ja zwei Flug- und Zugtickets drinnen.«

      »Wie? Das kann doch nicht sein.« Annika nahm sich die Dankeschönkarte und betrachtete sie von allen Seiten. »PS: Es wäre schön, dich wiederzusehen.« Annika lächelte. »Wahnsinn. Er möchte dich wiedersehen. Oh mein Gott. Und das schon an diesem Wochenende. Der Hinflug ist am Freitag.«

      »Ja, und der Rückflug?« Lara zog die Stirn kraus.

      »Am Sonntagabend.«

      »Na super. Und was soll ich jetzt machen?« Lara stand auf, nahm die Karte und las sie selbst. »Was habe ich denn Aufregendes gemacht? Ich habe ihm doch nur die Haare geschnitten. Ich kann dort nicht hin.« Unwillkürlich musste sie an Marcel denken. Marcel, der gutaussehende Marcel mit den vielen Facebook-Fotos. »Ich muss Freitag und Samstag arbeiten.« Lara legte die Tickets auf den Tisch und ging zurück in den Salon.

      »Sie wird fliegen.« Christin tauschte einen kurzen Blick mit ihrer Chefin und mit Annika.

      Am Donnerstagabend packte Lara ihre Tasche für den Flug zu Daniel. Eigentlich wollte sie gar nicht fliegen, doch Christin hatte sie am Montag, am Dienstag und am Mittwoch so genervt, dass sie nicht anders konnte, als zuzusagen. Frau Schnick schenkte ihr den Freitag und den Samstag. Je näher die Stunde X kam, desto aufgeregter wurde Lara. In der Nacht tat sie kaum ein Auge zu und als sie ihre nackten Füße auf den Holzfußoden setzte, bohrten sich sogleich etliche Splitter in ihre Sohlen. »Scheiße, verdammter Mist.« Der Vermieter musste unbedingt diesen Fußboden erneuern. Es konnte nicht sein, dass sie sich andauernd Splitter aus den Füßen ziehen musste. Die Wohnung war die reinste Bruchbude. Sie ging ins Bad und erleichterte sich, um sich danach kalt abzuduschen.

      »Du wirst auf die Insel fliegen«, sagte Christin und hechtete kurz vor Feierabend hinter ihrer Kollegin her.

      »Ich kann nicht.« Lara fegte den Boden und säuberte die Spiegel.

      »Aber Lara, du wirst sonst deines Leben nicht mehr froh. Du musst es tun, sonst werde ich noch verrückt.« Christin fuchtelte mit dem Armen herum.

      »Ich muss arbeiten und Urlaub kann ich mir nicht leisten.«

      »Ich springe für dich ein.«

      »Witzig ...« Lara wandte sich ihrer Kollegin zu. »... du musst ja selber arbeiten.«

      »Ich würde dir den Schlüssel geben und du könntest deine Stammkunden am Montag in den Salon bestellen«, schlug Frau Schnick vor.

      »Du musst es tun, für dich und für uns.« Christin lächelte und legte ihre Haare hinters Ohr. Mit ihren schwarzen Strähnen im rötlichen Haar sah sie ein wenig crazy aus.

      »Ich kann nicht«, seufzte Lara und legte den Schwamm auf die Ablage. »Es hat mich noch nie jemand zu so einer großen Sache eingeladen und außerdem ist es doch viel zu teuer.« Doch eigentlich drehten