Anita Florian

Die Ungeliebten


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Taufpatin zu werden, nicht ohne den Hintergedanken, ihr damit zu helfen, ihr ein bisschen die Augen zu öffnen, sie vielleicht aufmerksam machen, wie sich das Mädchen entwickeln wird, ob sie den Unterschied erkennen könnte dass Thorsten „anders“ war, ihm möglicherweise Hilfe angedeihen ließe. Das Heranwachsen Bernadettes würde ihr vielleicht die Augen öffnen. Doch die Zeit zerrann zwischen den Fingern…

      Zur selben Zeit bahnte sich im Nachbarort Jungberg eine Affäre an, die in dieser Gegend als unüblich galt und schwerstes verurteilt wurde. Die kleine Bar am Straßenrand in der Ortsmitte war an den Wochenenden gut besucht und Treffpunkt für Unterhaltung und Tanz. Junge Leute, die ihren Ausweis zücken mussten fanden Einlass wenn sie das 19. Lebensjahr bereits erreicht hatten. Nicht selten hielt sich eine junge Frau gern und oft in der gemütlichen Bar auf, sich gern amüsierte und leidenschaftlich gern tanzte. Sie hatte einen Stammtänzer gefunden der sie auf ein paar Getränke einlud und sich von ihr im fast nagelneuen Mercedes nach Hause fahren ließ. Ignazia hatte sich verliebt, Roman erging es genauso obwohl er bereits in festen Händen und Vater einer Tochter war. Fast ängstlich offenbarte er ihr seine Lage an. Enttäuscht durchzuckte es Ignazia, fast sah sie ihre Felle davonschwimmen, ihre Liebe war anderweitig vergeben. Eines Abends kam es zu einem ausführlichen Gespräch zwischen den beiden und Ignazia erfuhr, dass seine Ehe eigentlich gar keine war, lediglich das Verantwortungsgefühl seiner Tochter gegenüber, ließ ihn ausharren. Stumm verfolgte Ignazia seine Erzählungen. Laute Rock’n’ Roll dröhnte aus der Musikbox in der kleinen Bar, so verzogen sie sich in ihren Wagen zurück.

      „Sie hatte damals eine Wette mit ihren Freundinnen abgeschlossen, ziemlich aufgeblasene Weiber, weiß der Teufel wie das gelaufen ist, sie wollte ihnen imponieren indem sie mich an sich binden wollte. Ich war noch sehr darauf bedacht, viele Frauen aufzureißen“, er errötete schamhaft, „ich ließ mich darauf ein, als sie mich im Auto ihres Vaters mit allen Künsten der weiblichen List verführt hatte. Ich kannte sie eigentlich gar nicht, ich hab sie vielleicht zweimal im Leben gesehen. Es war nach einem Kinobesuch, wo sie zufällig auch den Film angesehen hatte. Naja, ich wollte zuerst ihre Zigarette gar nicht anzünden, aber die gab nicht auf. Schließlich landeten wir am Rücksitz im Wagen, eigentlich wars ja lustig mit ihr zu reden, sie lachte viel und wirkte herzerwärmend. Nach sechs Wochen eröffnete sie mir, dass sie schwanger sei und darauf bestehe, sie zu heiraten, da es in ihrer Familie noch niemals außereheliche Kinder seit Generationen gegeben hätte.“ Roman Edler schien verzweifelt, strich sich nervös über seine Hosenbeine und blickte Ignazia ängstlich in die Augen. Behutsam nahm sie ihn die Arme, die Augen voller Liebe und Verständnis. Erleichtert erwiderte er ihre Umarmung und musste sich beherrschen um nicht aufzuschluchzen. In diesem Augenblick wussten beide, wie durch einen Donnerschlag, dass sie für immer zusammengehören, wie füreinander bestimmt, sich lieben und ihr Leben, komme was wolle, miteinander meistern wollten. Verschmolzen lagen sie sich minutenlang in den Armen.

      „Ich werde dich morgen vom Sägewerk abholen, wir müssen eine Nacht darüber schlafen, wir werden eine Lösung finden, das verspreche ich dir“, sagte sie sanft und küsste ihn.

      Ignazia, die Tochter eines wohlhabenden Installateurmeisters war gerade einundzwanzig Jahre alt geworden und somit volljährig. Sie war begehrt bei den jungen Männern und viele, die sie abwies, gerieten entweder in Zorn, oder vergingen fast vor Liebeskummer. Ihre Haare trug sie blond gefärbt, schulterlang mit einer Welle nach außen die ihre zarten Schultern umschmeichelten. Meistens trug sie Kostüme, die sie sich schneidern ließ oder wenn ihr eines besonders gut gefiel, aus Katalogen bestellte. Selten trug sie Hosen oder Jeans so wie die meisten Jugendlichen, sie war eine geborene Dame, die Stil und Geschmack besaß. Roman Edler, der aus einer einfachen Arbeiterfamilie stammte, war zwar kein Mann mit besonders ausgeprägtem Spürsinn für Mode, aber er bemühte sich, sauber und adrett aufzutreten. Es war ihm unangenehm über seine Eltern zu reden, oder über seinen Bruder Curt, denn im Gegensatz zu Ignazia, hatte er keinen Gutsituierten Hintergrund. Natürlich blieb es ihr nicht verborgen, dass er sich schämte oder auswich, wenn die Sprache auf seine Eltern kam. Doch sie ließ nicht locker. Ihre heimlichen Treffen wurden intensiver und ihre Liebe immer größer. Als gewöhnlicher Sägewerksarbeiter fühlte er sich oft minder, diesen Komplex, den Ignazia mit viel Einfühlungsvermögen zu dämpfen verstand, ließen ihn in ihrer Gegenwart wieder lachen.

      Eines Tages erfuhr seine Frau von dem Verhältnis. Als er hungrig und müde von der Arbeit nach Hause kam, überfiel sie ihn mit Schimpftriaden, mit hysterischer ungebändigter Aggression schlug sie auf ihn ein, trat ihn und kratzte ihn wo sie ihn zu fassen bekam. Seine dreijährige Tochter Marlena, die Zeugin dieses Ausbruchs wurde, schrie aus Leibeskräften. Stephanie beruhigte sich nicht, ihre Stimme überschlug sich und Roman rannte Hals über Kopf aus der gemeinsamen Wohnung auf die Straße hinaus. Noch nie hatte er eine Frau geschlagen und das sollte sich auch in diesen Moment, eines hochexplosiven Ausnahmezustandes, trotz seines beißenden Zornes, nicht ändern. Er ergriff die Flucht, landete in Ignazias Arme, die ihn auffing und nicht wusste, wie gekränkt und verzweifelt er sich fühlte. Die Ungewissheit, dass seine kleine Tochter seiner hysterischen Frau ausgeliefert war, ließen ihn das Schlimmste vermuten. Doch Stephanie verstand es, das Mädchen zu beruhigen und ihren Vater mehr und mehr von ihr zu entfremden. Ignazia wusste nur zum Teil, wie es um seine Ehe stand, aus Taktgründen unterließ sie es ihn darauf anzusprechen. Niemals würde er sich ihr offenbaren, so vermutete sie, diese Schmach musste vor ihr verborgen bleiben, ein Mann muss auch mit den härtesten Problemen im Leben zurechtkommen, diesen Eindruck vermittelte er seit Anbeginn. Die Gefühle wuchsen zwischen diesen beiden Menschen heran, im Laufe der Zeit reifte sie zu einer intensiven Verbundenheit, die fast kein Mensch zu durchschauen vermochte. Nein, sie war keine Mätresse, sie liebte ihn und opferte sich für ihn, es war ihr egal woher stammte und was er besaß.

      Albine war begeistert, niemals hätte sie gedacht, das ihr Lieblingssohn eine schöne, verantwortungsbewusste Frau, die obendrein noch gut angezogen war, mit nach Hause bringen sollte, und, wie es schien, ungeniert, sie den Eltern präsentierte, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. Albine war hingerissen, sie wusste, ihr jüngster Sohn, hatte eine gute Wahl getroffen. Es kümmerte sie nicht, dass Roman, trotz Ehefrau, eine Freundin mitbrachte. Sie witterte Geld, schließlich sah diese junge Frau fantastisch aus und fuhr obendrein auch noch einen eigenen Wagen. Udo hielt sich zurück, er hatte andere Sorgen, er hielt nichts von diesem dümmlichen Weiberkram, einzig allein sein Biervorrat wollte er gesichert wissen, so verzog er sich meistens ins Schlafzimmer zurück.

      Ignazia lebte gut, sie hatte faktisch keine Sorgen und lebte in den Tag hinein wie eine Prinzessin, arbeitete in der Firma ihres Vaters im Büro, der sie immer früher nach Hause zu schicken beliebte als sie es selbst wollte. Seine Tochter sollte sich nicht für ihn opfern, war seine unausweichliche Meinung. Das Geburtstagsgeschenk, ein heller, metallener grüner Mercedes, ließ sie aufjubeln, den Führerschein hatte sie mit Achtzehn ohne Probleme bestanden, niemals hätte sie gedacht, dass ihre Eltern ihr einen so tollen Wagen vor die Tür stellen würden, obwohl sie schon als Kind von diesen Autos schwärmte wie andere Mädchen von Puppen.

      Roman hatte den Führerschein zwar bestanden, doch war er nie im Besitz eines Autos gekommen, auch sein Vater fuhr nie einen Wagen, diese Art von Gefährt hatte nie einen Bestandteil in seinem Leben gehabt.

      Ignazia wusste es, und liebte ihn umso mehr. Schon bald ging sie bei den Edlers aus und ein, traf manchmal Romans Tochter Marlena an, die sie sofort ins Herz schloss.

      Im Bezirksblatt las sie einen Monat später, unter all den vielen Mädchennamen bei den Geburtsanzeigen, dass eine gewisse Bernadette Tennenbach geboren wurde. Der Name gefiel ihr, dachte sich aber nichts Außergewöhnliches dabei, aber es war dieser ungewöhnliche seltene Vorname, den sie sich einprägte und nie vergessen sollte.

      Stimmen wurden laut in der gesamten Nachbarschaft und man munkelte, Ignazia sei eine Ehebrecherin, die mit allen Mitteln versuchte, Roman Edler, verheiratet, Vater einer dreijährigen Tochter, an sich zu reißen und die geschmähte Ehefrau in den Ruin zu treiben. Stephanie leistete gute Arbeit, verbreitete Intrigen und schon bald wurde Ignazia mit bösartigen Blicken bedacht, die ihr Angst einflößten. Sei es im Kino oder in den Cafes, es wurde getuschelt und vor allen die älteren weiblichen Personen drehten den Kopf zur Seite als Ignazia freundlich zu grüßen versuchte. Natürlich fiel ihr das seltsame Verhalten der Menschen auf, sie wusste