Jasmin Schneider

Fußball für Frauen


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Dicker, ich hab hier’n Problem und ich denke, du könntest das für mich aus der Welt schaffen.«

      »Lass hören.«

      »Es geht um meinen Laden. Heute Nacht wollte hier jemand einsteigen und ich denke, ich weiß, wer es war.« Er erzählte die Geschichte von Attila.

      Ralle amüsierte sich. »Und da sagen alle, der Ost-West-Konflikt gehört der Vergangenheit an! Wie hättest du ihn gerne? In Häppchen oder reicht die Schnabeltasse?«

      »Nichts dergleichen. Ich möchte, dass du mit ihm redest. Sonst nichts. Von Mann zu Mann.«

      »Und was springt für mich dabei raus?«

      »Kannst meine Saisonkarte haben.« Als Ex-Mitglied der Berliner hatte er bei Heimspielen ein Anrecht auf einen Platz in der VIP-Lounge.

      »Die Nieten werden ja doch wieder absteigen.«

      »Nur der Verein, weißte noch?«

      Ralle überlegte. »Aber lass sie auf mich umschreiben, haste gehört? Nicht wieder endlose Quengeleien wegen der Glatze, klar?«

      »Haste keine Mütze?«

      Sie wurden sich einig.

      »Der Typ wird die Füße ab jetzt stillhalten, das verspreche ich dir. Und wenn nicht, sag mir Bescheid.«

      »Werd ich machen.« Er bedankte sich und legte auf. Wohl war ihm dabei nicht. Aber wenn er keinen Stress mehr haben wollte, musste er die Heimatkarte spielen. Attilas Problem.

      Edel, einer der Kleingärtner aus der Kolonie neben der Gontermann und der einzige Bayern München-Fan in Charlies Kreisen, brachte gegen sechs ein Brett in der Größe der kaputten Fensterscheibe vorbei. Das Fräulein Barbara hätte ihm von dem Einbruch erzählt, ob er denn sonst noch etwas tun könne.

      Der Kiez war schwer in Ordnung, konnte man gar nicht anders sagen!

      Charlie war gerade mit dem Abdecken der kaputten Scheibe fertig, als ihn ein weißes Hündchen ankläffte. Gleich daneben sah er das Fundament der endlosen Säulen, die ihm so gut gefielen.

      »Kommt das in dieser Gegend häufiger vor?« Ihre Stimme klang rauchig, tiefer als erwartet.

      »Sieh an, die neue Nachbarin!«, Charlie setzte sein gewinnendes Lächeln auf und erhob sich.

      Die Blonde trug einen edlen Trainingsanzug in Lila mit passenden Laufschuhen und Sonnenbrille. Die blonden Haare waren zu einem tiefen Pferdeschwanz zusammengebunden, die Lippen in einem Pastellton nachgezogen. Auch die Hundeleine war lila.

      »Freut mich, Sie kennenzulernen, mein Name ist Charlie Butz.« Wer ficken will, muss freundlich sein.

      Sie verzog leicht den Mund, schaute seine Hand an, als wolle sie prüfen, ob sie auch sauber war, und schlug schließlich ein. »Monika Fink.« Ihre Finger waren kühl wie ihre Erscheinung. »Weiß man schon, wer es war?« Die Frage als Pflichtübung. Das Hündchen knurrte.

      Charlie kratzte sich am Kopf. »Nö. Und ich denke auch nicht, dass man es herausfindet.« Er zeigte in den Laden. »Wollen Sie einen Kaffee?«

      Monika Fink schüttelte den Kopf. »Nein danke, ich hatte schon einen.« Und zu dem Hündchen, »komm jetzt, Lilly.« Die weiße Töle hatte sich heiser gebellt. Sie hörte erst auf, als Frau Fink sich zu ihr hinunterbeugte und sie vom Boden aufsammelte.

      Frings lag ungerührt auf seinem Platz vor der Theke, wo es keinen rotgelben Lottoteppich mehr gab, und schlief.

      »Wissen Sie, wo ich hier in der Nähe Hundefutter kaufen kann? Bitte keinen Discount-Müll.«

      Er zuckte die Schultern. »Ich kaufe immer frisches Fleisch beim BARF-Laden Richtung Marienfelde. Ist aber nicht gerade in Laufweite.« Warum nahm sie nicht endlich die Brille runter? Er wollte ihre Augen sehen!

      Monika Fink verzog schon wieder die Lippen. »Ich denke, dann lass ich lieber was schicken. Danke, Herr Butz.« Sie nickte kurz, drehte sich um und ging mit dem Hund auf dem Arm davon.

      »Wenn Sie mal Lust auf einen ganz besonderen Kaffee haben…«, rief er hinterher, lachend.

      Sie hob zur Antwort eine Hand und winkte. Die würde schon noch auftauen.

      Entgegen aller Vermutungen der Pornoindustrie kannte Charlie keinen, der darauf stand, beim Sex von einer Bestie verschlungen zu werden. Vor allem nicht von einer, die ihren Lippenstift quer über seinen Körper schmierte. Bevor die Braut seinen Schwanz in einen Clown verwandeln konnte, schaffte Charlie es, die Bälle neu zu verteilen. Die Nummer war nicht unbedingt eine seiner Bestleistungen. Es dauerte gefühlte acht Stunden, bis sie endlich kam oder wenigstens so tat. Er selbst hatte Mühe zum Abschluss zu kommen. Am Ende gelang es, weil er an Nadeschdas Skorpionbrücke zurückdachte.

      »Na, heute sehen wir aber entspannt aus, der Herr!«, feixte Barbara, »wohl zu viel mit der Blonden geflirtet, was?«

      »Was meinst du?« Er wusste genau, wovon sie sprach, nur wo sie die Geschichte so schnell aufgeschnappt hatte, war ihm ein Rätsel.

      Im Laufe des Vormittags war nämlich Monika Fink vorbeigekommen und hatte wieder keinen Kaffee getrunken. Dafür heulte sie ihm vor, wie lange die Hundefutter-Lieferung dauere und dass sie rein gar nichts mehr für ihren ›sweet little Darling‹ zuhause habe.

      Charlie bemühte sich, die Dame nicht auf den Nahkauf am Ende der Straße aufmerksam zu machen. Stattdessen bot er ihr etwas aus seinem Vorrat an. »Liegt allerdings bei mir zuhause im Kühlschrank, wenn Sie kurz Zeit haben, hole ich es.« Offenbar hatte er Teile seines Hirns in der Wohnung der Krankenschwester liegen lassen.

      Monika Fink war ehrlich überrascht. In ihre Miene kam kurz Leben. »Das würden Sie für mich machen?« Jetzt nahm sie sogar die Brille runter.

      Schneekönigin. Ihre Augen waren fast farblos blau, umrahmt von unnatürlich dicht schwarzen Wimpern ohne eine Spur von Make-Up. Wahrscheinlich künstlich. Ihn fröstelte. »Klar, warum nicht? Um diese Zeit ist es sowieso still hier.«

      Sie bedankte sich, setzte sich in ihrem teuren Outfit an einen der Tische vor der Tür; Zeitungs- und Coca-Cola Reklame im Rücken. Das Hündchen nahm sie auf den Schoß.

      Als er zurückkam, rauchte sie eine lange, dünne Damenzigarette. Zwanzigerjahre Flair, wenn auch leicht einstudiert.

      »Nun tu doch nicht so, alter Schwerenöter!«, lachte Barbara spitz, »was wollte die Dame denn hier und noch interessanter, wieso warst du nicht da?« Ganz Ohr verschwand sie nach hinten, um ihre Jacke ab- und die Putzfimmelschürze anzulegen.

      Charlie wand sich. Dann erzählte er die Story.

      Barbara war zurückgekommen. »Du sagst immer ›sie‹, hat sie dir ihren Namen nicht verraten?«

      Er bückte sich seufzend nach zwei Kisten Leergut und trug sie in die Küche. »Monika heißt sie. Monika Fink.«

      »Monika Fink!«, Geschnatter und Gequieke. »Ich finde ja, sie sieht eher wie Kat Nowak aus. Kannste dich an die noch erinnern?« Sie begann die Zeitschriftenregale zu entstauben.

      Konnte Charlie nicht.

      »Katarina Nowak, das Ku’damm Model überhaupt. Mensch Butz, du als Berliner müsstest die doch kennen!«

      Tat er aber nicht.

      Barbara ließ das Wischen sein und schwang sich auf den Tresen. »Während sonst überall die Nachkommen von Schiffers und Evangelistas von den Werbewänden strahlten, hatte Berlin sein eigenes Model. Kat Nowak. Die neue Marlene wurde sie genannt. Immer eher leicht bekleidet.«

      Charlie gab sich desinteressiert und machte ein alkoholfreies Bier auf. Er würde später noch seine Jungs trainieren. Barbara bekam ein echtes.

      Sie nahm einen Schluck. »Irgendwann hat sie diesen englischen Fotografen kennengelernt, keine Ahnung wie der hieß. War schon früher immer mit Models zugange«, sie schwang das Tuch großzügig im Kreis. »Da dachte sie dann wohl, groß rauszukommen und ist ihm in die weite Welt gefolgt. Seitdem hat aber niemand