Jasmin Schneider

Fußball für Frauen


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Richtung, auffällig, aber Charlie war trotzdem erleichtert.

      Auf einer Bank unter dem Carport warteten Bobby und Tomàs Ortega. Bobby war wahrscheinlich der einzige Mensch, auf dessen Kopf eine Fedora nicht total beknackt aussah. Es musste an seiner Hautfarbe liegen, denn im Gegensatz zu Sarotti war Bobby wirklich schwarz.

      Trotzdem redete er perfektes Norddeutsch. Bobby war in Hamburg aufgewachsen, was auch das schwarze Hoodie mit dem weißen Totenkopf über seiner dunklen Anzugshose erklärte. Wooo, Superfly… und St. Pauli Fan.

      Tomàs Ortega daneben erinnerte Charlie an Antonio Banderas in Desperado. Allerdings war der Krankenpfleger kein Mexikaner, sondern Argentinier. Er spielte auch nicht Gitarre, überhaupt hasste er den Vergleich mit Banderas, weshalb er sich seit einiger Zeit einen dichten, schwarzen Bart wachsen ließ. Er frisierte ihn ebenso pfleglich wie seine schulterlangen, zu einem Zopf gekämmten Haare. Tomàs tanzte in seiner Freizeit Tango. Ziemlich gut, wie es hieß.

      Von Lucci fehlte noch jede Spur. Der Italiener kam wahrscheinlich erst zum Top-Spiel.

      Frings kläffte den Männern entgegen. Dabei schlug er seinen Schwanz munter in Charlies Gesicht.

      Charlie krähte ausgelassen, parkte und stieg aus.

      »Ausbutzer, alles prächtig?« Bogdan klatschte ihn ab, wofür Charlie mächtig dankbar war, denn Bogdans Händedruck ließ die Knochen eines jeden im Geiste trümmerbrechen. »Hab gehört, du hast Nazischwein umgehauen!?« Dabei lachte Bogdan so singend wie er Deutsch sprach.

      »Hab ihn bloß abgewehrt«, zwinkerte Charlie.

      »Hey Fußball-Star!«, fädelte sich Ortega in den Begrüßungsreigen ein. Er sah müde aus, hätte drei Tage Nachtschicht hinter sich, sagte er.

      Während sich Sarotti weiterhin an seiner augenfälligen Absonderung labte, zog Bobby sich breit grinsend weiße Stöpsel aus den Ohren und reichte Charlie die sehnige Hand. »Schon alles aufgebaut, das nenn ich Einsatz!«

      »Fehlen noch Leinwand und Beamer.« Charlie entriegelte das schwere Metalltor. Ortega und Bogdan folgten ihm.

      »Aufgeräumt«, stellte Bogdan anerkennend fest und bleckte beim Grinsen die Lücke zwischen seinen im Verhältnis zu seinem Löwenkopf winzigen Schneidezähnen. »Erwartest du Damenbesuch?«

      Ortega schüttelte amüsiert den Kopf. »Der Fußballstar und Damenbesuch? Der lässt sich lieber einladen, dann kommt er nach der Nummer schneller nach Hause!«

      Die Männer lachten dreckig.

      »Was ist heute mit langem Mann? Hat er nichts gesprochen, seit er hier ist!« Bogdan hatte sich bereits den Beamer unter einen Arm geklemmt, man konnte das Ding kaum noch sehen.

      Charlie zuckte die Schultern. »Vielleicht verknallt oder so. Hatte letztens so ne Kleine bei sich.«

      Ortega nickte. »Hat er mir von erzählt. Du sollst nicht besonders nett zu ihr gewesen sein?«

      Bogdan fand das witzig, er lachte noch beim Rausgehen.

      Charlie hatte mit der Information so seine Probleme. Die plötzliche Gewissheit machte ihm zu schaffen. Sarotti war in sie verknallt. In die Piaf-Hexe! Piaf-Hexe! Piaf-Hexe! Bald zehn Mal die Woche. Der Lange hatte die Angewohnheit, seine Weiber überall hin mitzuschleifen.

      Der Spandauer SC war am Sonntagmorgen ein einfacher Gegner für die Schöneberger Kickers. Sie gewannen mit einem deutlichen 3:0 Vorsprung und waren entsprechend aufgedreht. Es hatte ihn einige Nerven gekostet, die Kids davon abzuhalten, die besiegte Mannschaft auszupfeifen. Wie erklärt man einem Zwerg im Stimmbruch, dass das die mieseste aller Maschen war?

      Im Kiosk gestaltete sich der Tag aufgrund des unerwarteten Sonnenscheins eher still. Ein Päckchen Zigaretten hier, ein Eis da, alles in allem nicht der Mühe wert. Gegen siebzehn Uhr beschloss Charlie, es für heute gut sein zu lassen. Am Sonntag waren die Öffnungszeiten ohnehin fließend. Er war gerade dabei, die Tagesnews in die Kiste vor der Tür zu packen, als plötzlich die Piaf-Hexe neben ihm stand. Sarotti war weit und breit nicht zu sehen.

      »Tag Charlie«, grüßte sie, die viel zu große Weste trotz Sonne um sich gezurrt, eine Flasche Rotwein in der Hand. »Mein Lieblings-Merlot, hast du Bock?«

      Frings kam, wie Charlie fand übertrieben erfreut, herausgelaufen und schmiegte seinen Kopf zwischen ihre Knie. Sie drückte Charlie den Wein in die Hand und beugte sich zu dem Hund hinunter.

      »Es ist nicht mal fünf, etwas zu früh zum Trinken, findest du nicht?« Er musste heute einen Spießer zum Frühstück erwischt haben.

      Sie, vollkommen unter der Strickjacke begraben, zuckte die Schultern. »Ansichtssache. Ich hatte Frühdienst.«

      Frings grunzte genüsslich.

      Dann richtete sie sich langsam auf. Die dumme Jacke hatte jetzt ordentlich Schlagseite. Sah ein bisschen aus wie Quasimodo, die Piaf-Hexe. »Hör zu, Charlie, ich bin eigentlich nur gekommen, um ein Friedensangebot zu machen. Wenn du darauf keinen Wert legst, dann kann ich auch wieder gehen.« Sie wollte sich ihren Wein zurückholen.

      Charlie drehte sich mit der Flasche außer Reichweite. »Komm rein.«

      Sie seufzte, offenbar unsicher, ob das eine so gute Idee war, setzte sich dann aber doch in Bewegung. Von hinten sah die Jacke noch alberner aus.

      »Meine Jungs haben heute 3:0 gewonnen«, er bedeutete ihr, ihm in die Küche zu folgen, »das wollte ich eh feiern!«. Er durchsuchte die Schubladen nach einem Flaschenöffner und fand ihn auf der Fensterbank.

      Die Kleine war im Türrahmen stehengeblieben, die Arme fest verschlungen.

      »Ist dir kalt?«

      Ertappt ließ sie die Hände sinken. Unweigerlich wurden sie unter Wollbergen begraben.

      Charlie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ziemlich groß, deine Jacke, findest du nicht?«. Er hatte es nicht böse gemeint, es war so etwas, das man sagt, um nicht zu schweigen. Unter den gegebenen Umständen klang es womöglich spöttisch.

      Sie wurde rot, doch statt das Weite zu suchen, zog sie es aus, das Ungetüm. Und nicht nur das, sie zog es aus und stopfte es in den Mülleimer. »Macht sie auch nicht mehr lebendig.«

      Er verstand. »Die gehörte deiner Lieblingspatientin?«

      Sie nickte, sich gar nicht darüber bewusst, was sie da für ihn enthüllt hatte. Kleiner fester Busen unter schwarzem Rollkragenpullover, der sich dem leichten Schwung ihrer Taille anschmiegte wie eine zweite Haut. Er endete in einer hüfthohen Blue Jeans mit einem auffälligen Gürtel, über dessen Schnalle Charlie den Bauchnabel vermutete. Etwas knochig vielleicht, aber nicht minder anziehend.

      Seine Fingerspitzen kribbelten. Rasch wandte er den Blick ab, dabei rutschte ihm der Flaschenöffner aus der Hand. »Jedenfalls hat der Sieg ihnen den Mut zurückgegeben. Echt wichtig bei den Zwergen!«

      Er hörte sie lächeln. »Wie alt sind denn deine Zwerge?«

      »C-Jugend, also dreizehn, vierzehn.« Für das Entkorken der Flasche ließ er sich übertrieben viel Zeit, ganz so als wolle er hinterher eine Studie darüber verfassen. »Ist ein wichtiges Alter in diesem Sport.«

      Hinter ihm saß Nadsch breitbeinig auf dem Boden und kraulte Frings braune Ohren. »Wie alt warst du, als sie dich entdeckt haben?« Ihr Kinn berührte den Boden, als sie sich vorbeugte, um dem Hund in die Augen zu sehen. »Wie ist das eigentlich so? Ich meine, das muss doch der Knaller sein, wenn da plötzlich einer kommt und sagt: ›Hey, du da, willst du bei den Berlinern spielen?‹«

      Charlie, der nicht so genau wusste, warum, grinste schief. Was hatte sie gefragt?

      »Rede ich Müll?« Sie richtete sich auf, knickte erst die Beine nach hinten und drückte sich dann ohne Hilfe der Arme nach oben. Als sie ihm die Flasche aus der Hand nahm, schimmerten ihre Wangen leicht rosé. »Wollen wir nach vorn gehen?« Frings wedelte hinterher.

      »Ich bringe die Gläser.« Charlie musste sich jetzt auf das Wesentliche besinnen. Was ihm fehlte,