Henriette - Angela Richter

Der Genesis


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Nischen, den visuellen Kreis. Einen schmalen Durchgang, der in einen Nebenraum führte konnten wir ebenfalls erkennen. Das Entdecker Team bewegte sich langsam, eher schleichend vorwärts. Fünf gigantische Tropfsteinsäulen dominierten in der Mitte des Raumes. Mutter Natur hatte sie hier harmonischer Weise, der Höhle angepasst und sie ringförmig angeordnet. Die Säulen schienen die mehrere tausend Tonnen schwere Höhlendecke zu stützten. Umschlossen wurde das imposante Zentrum, von einem halben Meter dicken und ebenso hohen Wall, aus dicht aufeinander geschichteten Steinen. Es war die größte Feuerstelle, die ich bis heute gesehen hatte. Ein riesiger, verrosteter Spieß hing auf seinem Gestell, über das Feuerbecken, groß genug um einen ganzen Hirschen oder Kuh darauf aufzuspießen. Irgendwas ekelhaftes, undefinierbar Schwarzes, klebte noch daran …. bääääh! Eine fingerdicke rostige Eisenkette baumelte ebenfalls dort, von der Decke herab, direkt neben einer der Säulen. Wo die Kette eigentlich hinführte, konnte ich nicht wirklich erkennen, nur erahnen. Die Dunkelheit der Höhle schluckte das meiste Licht der Handscheinwerfer, es wirkte sehr beklemmend auf mich. Dass es sich bei der rostigen Kette, um einen antiken Rauchabzug handelte, erfuhr ich von Jeremy. Ich zog mal daran, bewegen ließ es sich jedoch nicht. Meine Augen gewöhnten sich allmählich, an diese düstere, bedrohlich wirkende, höhlenartige Umgebung. Das Sehvermögen registrierte aus Holz angefertigte, sehr robuste Möbel, Truhen, Stühle und einen gewaltigen Tisch, auf dem noch alles vorhanden war. Aus Ton gefertigte Schalen und Krüge, Messer aus Metall, Teller und Becher aus Holz. Auch hier befand sich einiges undefinierbares auf dem Tisch, noch mehr Ekelhaftes! Isabelle Mondenac, hier könntest du ausgiebig in Arbeit schwelgen. Zu schade, dass du so weit weg bist. Hoffentlich muss ich nicht, von all dem hier Proben nehmen ….nein….nein, dass soll Tsatsiki dann mal schön selber machen.

      Überall an den Wänden angebracht, sah man menschliche Knochengesichter. Ihnen fehlte der obere Teil der Schädeldecke, dafür waren sie gefüllt mit brennbarem, altem Öl. Fassungslos, völlig entsetzt, starrte ich auf die zu Wandleuchtern missbrauchten Totenschädel. Es bedurfte etwas Zeit der Besinnung, bis wir die im Westen liegende Seite des Wohnraumes erforschten. Eine der Nischen erhellte sich im Licht unserer Lampen. In ihr befand sich eine ovale, ungefähr zwei Meter tiefe, fünf Meter lange und vier Meter breite Vertiefung im Boden. Ziemlich weit oben, an einer der drei Nischenwände trat ein Felsengebilde hervor. Die Form erinnerte stark an verschobene, ineinander verschachtelte, flache Schüsseln, die recht weit in das Naturbecken hinein ragten. Über dem Gebilde klaffte ein breiter, mit starker Kalkablagerung versehener Spalt, Zeugnis dass hier einst Wasser aus dem Felsen sprudelte. Dieser Wohnbereich bedurfte keinerlei wissenschaftlichen oder fachmännischen Erläuterungen, allen war klar, dass dies ein Badebecken darstellte, leider ohne Wasser, wo ich doch so gerne plansche. Korrekt wie wir nun einmal sind, suchten wir trotzdem noch nach dem Ablauf. Wir entdeckten ein Kinderfaust großes Loch, am oberen Rand des Beckens, es führte damals das überschüssige Wasser zurück in die Felsenwand.

      Unsere Erkundungstour verlief weiter in Richtung Nordwesten. Die nächste Nische wurde von unseren hellen Taschenstrahlern ausgeleuchtet. Sie war rechteckig angelegt und zum Vorschein kam ein Schlaflager, der Größe XXXL, aus Leder und Fell oder was davon noch übrig war. Wir machten uns auf, den nördlichen Teil des Raumes zu erkunden, vorbei an einer Wand. An ihr hingen Schilder, Waffen und Peitschen. Die stark auffallenden Abnutzungsschäden und die Spuren, von vertrocknetem Blut, wiesen darauf hin, dass sie vermutlich gerne und oft benutzt wurden. Nach den Waffen folgten offene, leere Holztruhen, offensichtlich wurde deren Inhalt geplündert. Im nördlichen Teil der Höhle entdeckte ich eine noch verschlossene, riesige Steintruhe. Geschlossen? Es kam einfach so aus mir heraus: „Komm schnell hierher Väterchen, hier gibt es was zu finden!“ Upps, so einen dummen Gesichtsausdruck wollte ich nicht hervorrufen. Etwas kleinlaut entschuldigte ich mich: „Verzeihung, ist mir so rausgeflutscht.“ Tsatsiki ging grinsend an mir vorbei, fuhr mit seiner Hand, über meinen Arm und meinte nur: „Wofür?“ Zusammen versuchten wir die Truhe aufzumachen, es gelang uns nicht. Es musste einen Trick geben, um sie zu öffnen, ich liebe Rätsel! So machte ich mich daran, es zu entschlüsseln, der Professor half mir dabei. Rene und Jeremy zog es weiter, den Raum zu erkunden.

      Da, ein merkwürdiges, knurrendes und blubberndes Geräusch, hatten wir des Rätsels Lösung gefunden? Aber der Ton kam eigentlich eher von hinten. Blitzartig und erschrocken wirbelten wir herum, es war, wie sollte es auch anders sein, Jeremy! Sein Hunger meldete sich zu Wort. Hämisch lächelnd fragte er nach, ob wir vielleicht auch gern ein Häppchen möchten und trabte dann in Richtung Süden, zur aufgehenden Proviantkiste. Rene der einige Meter entfernt stand, schüttelte verständnislos seine hellblonde Mähne, wie konnte man ausgerechnet jetzt Hunger haben, wo es soviel zu entdecken gab. Sein Forscherdrang zog ihn zu einem Berg aus Fell, der aufgetürmt vor der nördlichsten Wand lag. Einige Sekunden später, stand Rene wieder neben uns und murmelte: ,, Da sitzt einer….ohne Kopf! “

      Augenblicklich wurde die steinerne Truhe uninteressant. Langsam, fast schleichend gingen wir darauf zu. Das Adrenalin stieg an, der Pulsschlag erhöhte sich. In der Aufregung und der nervösen Anspannung, packte ich nach der Gürtelschlaufe von Tsatsikis Hose und hielt mich eisern daran fest. Wahrhaftig, … da saß einer, eingehüllt in einer staubigen und mit Spinnenweben verzierte Felldecke. Der massige, stark behaarte Körper war ausgetrocknet, aber nicht verwest. Die Haut wirkte wie poröses Leder. Der erste Schreck wich von mir. Langsam kroch ich, hinter dem Rücken des Professors hervor, um den Toten ohne Kopf genauer anzusehen. Ich stellte mich neben den Körper, der aufrecht auf einem riesigen, halbrunden Thron aus Stein saß und durch ein kolossales Schwert gestützt wurde. Ziemlich mickrig kam ich mir vor, neben diesem hünenhaften toten Typ. Seine kopflose Gestalt sprengte alle Masse. Meine Person reichte gerade mal bis an die Mitte seines Oberarmes heran. Wenn ich mir dann auch noch seinen fehlenden Kopf dazu vorstelle, --Wahnsinn--, dann ist das Standardmaß aber sehr weit überschritten. Der Kerl dürfte gute zwei Meter fünfzig bis sechzig gewesen sein. Eine unbändige Neugier packte mich und verdrängte den ersten Schrecken. Jetzt wollte ich es genauer wissen! Ich zog Gummihandschuhe an und entfernte dann vorsichtig den Pelzumhang des Toten. Wir staunten nicht schlecht, sein ganzer Körper hatte einen dichten Haarwuchs, es glich dem Fell eines Tieres. Er trug auch nur eine spärliche Lederbekleidung, die seine wichtigsten Teile bedeckten. Aus den Fingern seiner riesigen, behaarten Händen, ragten kräftige neun Zentimeter lange Klauen. Klauen?! In der Tat, Klauen, wir waren uns einig, das sind keine Fingernägel. In diesem Moment kam Jeremy zurück. In seiner gelassenen Art, drückte er Rene den Plastikbehälter mit Sandwichs in die Hände und umrundete, kauend den hauptlosen Riesen. Setzte sich dann vor dieser Mumie in die Hocke und fixierte sie eine Weile. ,,Lupus Lykanus,“ sagte er dann. ,,Werwolf?“ fragte Tsatsiki verblüfft nach. Jeremy nickte zustimmend und mit indianischer Ruhe und Gelassenheit antwortete er: ,,Ich habe nicht an ihre Existenz geglaubt. Aber die Körperbehaarung ist die eines Wolfes. Die Klauen ebenfalls, nur diese hier sind viel kräftiger, stabiler, größer. Der Rest ist rein menschlicher Natur. Ich glaube, er war gerade dabei sich zu verwandeln, als er seinen Kopf verlor. Der Medizinmann unseres Dorfes, aus dem ich stamme und aufwuchs, erzählte oft von den Menschen verachtenden, pelzigen Bestien. Ihre gierig stierenden Augen sind hässlich, meistens gelblich oder sehr hell grüngrau. Es gibt auch Exemplare mit rein schwarzen Augen, aber jene sind anscheinend sehr selten. Zudem sollen die Kreaturen eine enorme Kraft besitzen und rasant schnell sein, für unser Auge fast nicht mehr sichtbar. Ihre größte Leidenschaft ist die Jagd, ihre zahlreiche vorhandene Beute, der verhasste Mensch und ihre Lieblingsspeise sind Menscheninnereien! Anscheinend kann man sie nur sehr schlecht vernichten, aber jemand hat es hier wohl geschafft.“

      Mein Verstand drehte sich im Kreis … Werwölfe ... Vampire ... warum kommt den niemand und weckt mich! Rene stand immer noch da, mit offenem Mund, wie bestellt und nicht abgeholt. Ich holte mir zwei Sandwichs aus dem Behälter, den er krampfhaft fest hielt. Drückte eine der belegten Toastecken in seine geöffnete Gesichtsluke und setzte mich auf eine breite, Holzbank und biss in das andere Sandwich. Jeremys Lieblingsspruch, Essen und Trinken hält Körper und Geist zusammen, musste nun bei mir wirken. Ich wedelte wild mit meiner halbverzehrten Stulle, zu Rene hinüber und verlangte nach Nachschub. Die Drei setzten sich zu mir und wir machten eine Erholungspause und diskutierten schon eine ganze Weile, über die Ereignisse des Tages, als das Licht verschwand, das die Eingangstür in die Höhle ließ. Wir schauten zur Türe, um zu sehen, warum sich das Sonnelicht verdunkelte. Kreischend sprang ich auf und versteckt mich, wieder