Malte Ubben

Weißschwarz


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habe, nämlich ein Wesen, dass sich dann in Luft aufgelöst hat.“

      Koch dachte nach, dann erwiderte er:

      „Das klingt irre, ist aber bis jetzt leider das Plausibelste, das ich gehört habe. Ich sollte wohl noch einmal bei den anderen Familien nach Ungereimtheiten suchen, vielleicht werde ich etwas finden. Wenn du noch etwas für mich hast, ruf mich an. Ich muss los!“

      Damit stürmte er aus dem Raum und ließ Tom mit einem rechteckigen Papierzettel in der Hand zurück.

      Gut gemacht, sagte Pharasen, gut gemacht.

      Damit wäre das erst einmal geklärt, dachte Tom.

      Als nächstes werden auch wir Nachforschungen anstellen. Ich möchte genau wissen, was hier passiert. Warum sie hier sind und was sie wollen, außer uns abzuschlachten. Kannst du mir das erklären?

      Nein, ich wurde nicht in die Pläne eingeweiht, sagte Pharasen entschuldigend.

       Wir werden es aber bestimmt herausfinden. Da bin ich mir sicher.

      Spuren

      Die nächsten Tage im Krankenhaus verliefen ohne irgendwelche besonderen Vorkommnisse. Tom hatte Mühe, wieder auf die Beine zu kommen, aber die Heilfähigkeiten von Pharasen machten ihre Aufgabe hervorragend und schon nach fünf Tagen konnte Tom wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden.

      Die Selbstmordserie ging in den nächsten Tagen weiter, aber es kamen nicht mehr so viele Menschen ums Leben, wie in der Nacht, in der auch Tom von Pharasen attackiert worden war.

      Toms Eltern glaubten ihm die Geschichte mit dem ‚Vieh’ immer noch nicht, aber sie waren auch überzeugt, dass Tom keinen Selbsttötungsversuch unternommen hatte. Er hatte seinen Eltern mitgeteilt, dass etwas im Gange sei, was er aufdecken würde und dass er noch etwas zu erledigen hatte, nachdem er das Krankenhaus verließ.

      Pharasen erinnerte Tom gleich, nachdem sie das Hospital verlassen hatten, an seine Aufgabe.

       Wir müssen unbedingt Hinweise und Spuren suchen, vielleicht hilft uns das, einen Weg zu finden, die anderen Nachtwandler aus dem Verkehr zu ziehen.

      Hast du keine Ahnung, wie das geht?, fragte Tom über das laute Zuknallen der Krankenhaustür hinweg.

       Nein, ich habe nicht den blassesten Schimmer.

      Und wie habe ich dich dann getötet?

       Ich bin in das Flutlicht gefallen. Licht kann uns zerstören, aber nichts anderes.

      Na dann, holen wir uns einfach eine Taschenlampe und strahlen jeden Wandler, der uns zu nahe kommt, in die … wie sagtest du noch … Hölle. Dürfte lustig werden: ‚Keine Bewegung, ich habe hier eine Taschenlampe und werde nicht zögern, sie zu benutzen!’, feixte Tom.

       Sehr witzig. Ich dachte, du wärst ein einigermaßen intelligenter Mensch, aber da habe ich mich wohl getäuscht. Du hast es doch bemerkt, als ich gekommen bin! Ich habe alle Lichter gelöscht, alle bis auf diese grässlichen Flutscheinwerfer der Radners. Weißt du auch, wieso gerade die nicht? Ich war noch nicht stark genug, hatte erst drei Kinder umgebracht. Du musst wissen, je mehr wir morden, desto stärker werden wir hier. Erst sind wir nur durchsichtige Schattengestalten, die gerade eine Sechzigwattglühbirne ausschalten können. Doch je mehr wir töten, desto fester werden wir.

      Wie hast du es dann geschafft, die Flutlichter fast doch noch zu löschen? Wieso wurdest du immer stärker? Du hattest doch niemanden anders ermordet, oder? Außer Walter, meine ich. Erkläre mir das!, verlangte Tom.

      Es gibt Dinge, die solltest du lieber nicht wissen. Es ist zu…unmenschlich, sagte der Nachtwandler und klang dieses Mal ein wenig ängstlich.

      Tom musste schaudern.

      Was hast du getan, Pharasen? Ich will es wissen, erzähl es mir, verlangte er erneut.

      Ich bin durch einen achtjährigen Jungen, Christoph Eich, hindurchgegangen, sagte Pharasen mit zitternder Stimme.

      Tom war einfach nur verdutzt.

      Was soll das heißen? Was ist das? Das habe ich noch nie gehört, meinte er neugierig

       Es ist das Grausamste, was wir Nachtwandler in der Lage sind zu tun. Wenn wir sehr viel Kraft benötigen, machen wir uns durchsichtig und öffnen uns dem Opfer. Dann durchschreiten wir es einfach. Wenn der Unglückliche uns berührt, wird er in uns hineingezogen.

      Es ist ziemlich schmerzhaft für den Betroffenen, doch es kommt noch schlimmer. Das Opfer wird in endlose Dunkelheit gehüllt, in der es nur Angst und Furcht gibt. Das Gefühl der Verzweiflung und des Alleinseins ist unbeschreiblich. Dann entzieht der Wandler dem Opfer seine Lebensenergie, ganz langsam, um sie in Kräfte für sich umzuwandeln. Nach einigen Tagen hat der Betroffene sich aufgelöst und ist verloren, endete Pharasen schließlich.

      Tom wurde mit einem Mal übel, er wankte über den Bürgersteig, sodass sich eine ältere Frau zu ihm umdrehte und nach seinem Befinden fragte. Nachdem Tom sie mit einer unglaublich schlechten Ausrede verjagt hatte, wandte er sich wieder Pharasen zu.

      Das ist ja abartig! Wie konntest du so etwas Schreckliches nur tun?, fragte Tom.

      Ich habe mich verändert und bin nicht sehr stolz darauf, aber es war meine Natur. Ich konnte damit nicht aufhören, genauso wenig, wie deine Rasse mit dem Atmen aufhören kann. Es ist unsere Bestimmung, verteidigte sich Pharasen.

      Ich will davon nichts mehr hören!, würgte Tom ihn ab.

      Wir müssen jetzt zu Holger Schmidts Haus gehen. Dort werden sicher einige Hinweise zu finden sein.

      Tom trottete durch die Innenstadt und überlegte fieberhaft, wo Holger gewohnt hatte.

      Er entschied dann, einfach vom nächsten Münztelefon aus Kommissar Koch anzurufen.

      Dieser war ziemlich erfreut, von ihm zu hören.

      „Junge“, fing er gleich an, nachdem Tom seinen Namen genannt hatte, „du lagst vollkommen richtig. Es gab auch etwas Ungewöhnliches bei dem ‚Selbstmord’ deines Nachbarn. Zuerst hat alles darauf hingedeutet, dass er sich selbst mit einem Samuraischwert erstochen hat. Aber gestern fand ich heraus, dass Walter von hinten erstochen wurde. Und nicht nur das ist es, was die Selbstmordtheorie aushebelt, die Wunde stammt eindeutig von einem Breitschwert. An deiner Irrer-Ritter-Theorie muss also etwas dran sein! Aber was kann ich für dich tun?“

      Tom antwortete:

      „Sie könnten mir sagen, wo Holger Schmidt gewohnt hat. Ich möchte mich dort ein wenig umsehen. Und bitte sagen Sie nicht ‚Junge’ sondern Tom.“

      Pharasen kicherte.

      „Okay, Tom. Ich glaube, ich schulde dir was für die Hinweise. Meine Vorgesetzten werden mich zwar nicht mehr lange nach Nebelmonstern jagen lassen, aber das kann ich nicht ändern. Dank dir können die Eltern von Walter sicher sein, dass sie in der Erziehung nicht versagt haben. Sie waren ziemlich erfreut, das zu hören. Weißt du, sie spenden ziemlich viel an die Polizei…“

      „In der Erziehung haben sie trotzdem versagt“, meinte Tom leise.

      „Wie bitte?“, fragte Koch neugierig, „Hast du was gesagt?“

      „Nein nichts“, versicherte Tom hastig, „könnten Sie mir jetzt bitte die Adresse geben? Ich habe es etwas eilig.“

      „Ahornallee 108, wenn ich mir das richtig notiert habe. Vielleicht findest du ja was. Lass es mich dann wissen.“

      Der Polizist legte auf.

      Wie gesagt, ich glaube, ich habe dir doch einen kleinen