R.J. Simon

Schaaf ermittelt


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oft zusätzlich eine Weste und einen langen wollenen Mantel. Täglich zeigte er sich frisch rasiert und sehr gepflegt. Würde man ihn in eine braune Sackleinenkutte stecken und ihm einen Strick um den Bauch binden, gäbe er optisch einen vortrefflichen Mönch ab. Jemand, dem man sich anvertraut und der alleine schon durch sein Auftreten beruhigend auf andere wirkt.

      Herr Busch hingegen stand schlank und unscheinbar, in einem vermeintlich zu großen Trenchcoat neben ihm und wirkte eher wie ein Schuljunge im Vergleich zu Herrn Schaaf, obwohl er den um Kopfeshöhe überragte. Busch hielt ebenfalls seinen Ausweis Herrn Bundschuh entgegen. Allerdings etwas zu hoch und obendrein auch noch verkehrt herum, sodass für Herrn Bundschuh alles auf dem Kopf stand. Der Beamte bemerkte seinen Fehler aber gleich und beim Versuch diesen zu korrigieren, fiel ihm sein Kärtchen aus der Hand.

      Etwas umständlich fummelte Herr Busch den Ausweis wieder vom Boden hoch und wollte ihn noch einmal zeigen. Herr Bundschuh lehnte dann nickend ab. „Ja ist schon OK.“

      „Dürfen wir einen Moment hereinkommen?“, fragte Kommissar Schaaf, der auch ansonsten das Sprechen übernahm. Er sprach weiterhin ruhig und mit angenehmer Stimmlage. Herr Busch, so schien es, war eher zum Schweigen verdammt.

      „Ja natürlich.“ Er bat die Herren in sein Wohnzimmer. Dort fiel der Blick des Kriminalhauptkommissars gleich auf das Glas neben der Cognacflasche auf dem Tisch.

      „Nerven beruhigt“, fragte er knapp.

      „Ja. Aber nur einen Kleinen, ich bin nüchtern“, erklärte Herr Bundschuh, als wäre er angeklagt worden.

      „Kein Problem, das erlebe ich oft so. Sie machen auf mich auch keinen Eindruck, als ob sie nicht im vollen Besitz ihres Geistes wären“, zeigte Herr Schaaf Verständnis.

      „Sie haben also die Leiche gefunden und die Polizei verständigt?“

      „Ja.“

      „Direkt vom Fundort aus, oder sind sie nach Hause gelaufen?“

      „Von zu Hause. Ich hatte kein Handy dabei. Ich wollte nur kurz den Hund Gassi führen.“

      „Ich nehme an, sie gehen dort öfter mit ihrem Hund spazieren. Ist ihnen irgendwas aufgefallen, was anders war als sonst?“

      „Nein nichts. Es war alles wie immer.“

      „Kam ihnen vielleicht jemand auf dem Weg in den Park entgegen, oder haben sie sonst jemanden gesehen?“

      „Nein, es war niemand da. Nur mein Hund und ich.“

      "Haben sie die Tote berührt?"

      "Nicht dass ich mich erinnern könnte. Ich habe mich nur nach unten gebeugt, um meinen Hund am Halsband zu packen und ihn da wegzuziehen."

      Die Fragestellung kam bei Herrn Bundschuh vernünftig an. Er hatte nicht das Gefühl, dass der Kommissar ihm unterschwellig Vorwürfe machte, weil er nichts weiter dazu sagen konnte, als das, was schon als Tatsache im Raum stand. Es gab eine Leiche, die er gefunden hatte und weiter konnte er nichts berichten.

      „Ok, dann war es das vorerst. Ich werde mich noch einmal bei ihnen melden. Falls ihnen doch noch etwas auffällt, sie etwas hören sollten hier im Umfeld, hier ist meine Karte. Ich wünsche ihnen eine gute Nacht.“

      „Auf Wiedersehen und gute Nacht“ wünschte ihm Herr Busch ebenfalls und ging nach seinem Chef aus der Tür.

      „Hätten sie den Zeugen nicht mehr ausfragen und energischer nachhaken sollen?“, fragte der Assistent, als sie die Straße wieder betraten.

      „Nein, warum denn? Er hat nichts gesehen. Er hat lediglich die Leiche entdeckt. Und dann ist er sicherlich auch müde und will in sein Bett.“

      „Aber wir haben gelernt, man muss die Zeugen unter Druck setzen, damit sie gefordert werden und sich an Details erinnern.“

      „Ach was! Er ist ein Zeuge und kein Tatverdächtiger. Warum sollte ich ihn quälen? Die Fragen, die ich ihm stellte waren genug. Wenn ihm so nicht bewusst ist, dass ihm jemand begegnet ist, wird sich das auch unter Druck nicht ändern. Und außerdem ist es wesentlich sinnvoller und effektiver, nach einem oder zwei Tagen noch einmal vorbeizusehen. Denn wenn die Leute eine Nacht über ein solches Erlebnis geschlafen haben, wird oft einiges klarer. Über Nacht hat sich schon vieles verändert!“

      Das hörte sich für den Assistenten auch schlüssig an und er schwieg. Ihm wurde die Theorie beigebracht. Schaaf kannte die Praxis. Busch wusste schließlich, dass sein Chef ein alter Hase mit sehr viel Erfahrung war, dem eine unglaublich gute Aufklärungsquote voraus eilte. Schaaf wusste genau was er tat und nichts davon war unnötig oder gar unsinnig. Das hatte man Busch mit auf den Weg gegeben. Er stand erst seit wenigen Tagen an der Seite von Schaaf und dieser Mord hier war der erste kapitale Fall in den er einstieg.

      Im Gegensatz zu den Streifenpolizisten gingen Schaaf und Busch zu Fuß den Weg vom Haus des Zeugen zum Park. Der KHK wollte das so. Sie ließen ihren Wagen dort stehen und liefen still den Weg zur Fundstelle. Herr Busch beobachtete dabei, dass sein Chef sich irgendwie anders bewegte als normal. Er sah sich genau um und schien alles im Blick zu haben. Fast war es, als wolle er auch die Umgebung riechen und spüren, um in ihr aufzugehen. Welchen Zweck das haben sollte eröffnete sich Busch allerdings nicht. Er ließ das Tempo seinen Chef bestimmen und blieb zurückhaltend an dessen Seite.

      Schon am Eingang zu dem Park war der hell erleuchtete Fundort der Leiche hinter den laubfreien Büschen und Bäumen gut zu erkennen. Es herrschte dort eine hektische Betriebsamkeit. Trotz der späten Stunde erkannte der Assistent, dass einige Personen, ganz offensichtlich Schaulustige, an den Absperrungen standen, um die Arbeit der Polizei zu beobachten. Darunter befanden sich auch bestimmt einige, die unbedingt einmal eine echte Mordleiche sehen wollten.

      Als sie den abgesperrten Bereich betraten, wurde Schaaf von allen höflich und freundlich begrüßt. Viele nannten ihn Schäfchen, was sein Spitzname war, den aber nur wirklich enge Kollegen oder gar Freunde benutzten. Natürlich war er, aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit bei der Mordkommission auch bei den Gerichtsmedizinern bestens bekannt.

      „Hallo Schäfchen“, begrüßte ihn der Gerichtsmediziner. „Du hast Dienst! Eine ungemütliche Nacht.“

      „Du sagst es. Aber ich habe noch keinen Täter kennengelernt, der darauf Rücksicht genommen hat.“ Auf eine weitere Unterhaltung ließ sich der Chef nicht ein. Seine Sinne waren nur noch offen für die Umgebung und Spuren. Schaaf näherte sich der Leiche, ohne die Arbeiten seiner Kollegen zu behindern, und sah sich die Tote und die Stelle genau an. Zuerst hatte bereits der Polizeifotograf seine Bilder geschossen, bevor irgendwer am Tatort etwas berührte und damit veränderte. Der Pathologe war gerade dabei seine vorläufige Leichenbeschau vorzunehmen und erst wenn alle mit ihrer Arbeit fertig waren, würde der KHK sich alles selbst noch einmal genau ansehen.

      Sein Assistent blieb stets still ein Schritt hinter ihm. Das hatte Schäfchen ihm vorher so angewiesen. Er konnte es nicht brauchen, dass ihm jemand in den Füßen herumläuft und ihn mit Fragen ablenkt. Was bei einem jungen nervösen Assistenten durchaus passieren konnte.

      Mit so viel Abstand, wie es nötig war, um niemand bei der Arbeit zu behindern, stand Kriminalhauptkommissar Schaaf da und besah sich die Leiche und den Fundort.

      Die Tote lag direkt neben dem Weg im Gebüsch auf dem Rücken. Es gab keine Anzeichen, dass versucht wurde, den Körper zu verstecken oder abzudecken. Sie wurde einfach dort abgelegt. Eventuell fehlte dem Täter die Zeit sie weiter ins Gebüsch zu ziehen. Jeder, der hier vorbeikam, hätte sie finden können. Herr Bundschuh war einfach der erste, der hier entlang lief, seit sie dort lag.

      Also, so war die erste Schlussfolgerung von Schaaf, musste man herausfinden, wann wer für gewöhnlich hier spazieren ging. So konnte man den Zeitpunkt eingrenzen, in dem die Tote abgelegt wurde. Dass es sich hier auch um den Tatort handelte, schloss der Kommissar bereits aus.

      „Sie gehen die nächsten drei Tage hierher und befragen die Menschen, ob und wann sie hier vorbeikommen. Der Park ist sicherlich sehr beliebt bei allen Hundebesitzern in der Umgebung! Und die haben oft ziemlich feste Zeiten in denen sie rausgehen.“

      „Ok